nicht rechtskräftig
Verfahrensgang
SG Bayreuth (Entscheidung vom 26.01.2004; Aktenzeichen S 10 V 27/03) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 26.01.2004 aufgehoben. Die Streitsache wird zur Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht Bayreuth zurückverwiesen.
II. Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung des Sozialgerichts vorbehalten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob bei dem Kläger Gesundheitsstörungen nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) anzuerkennen und zu entschädigen sind.
Der 1937 geborene Kläger stellte am 02.05.2003 erstmals einen Antrag auf Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem BVG. Wegen der geltend gemachten Körperschäden verwies er auf eine Klageschrift vom 27.02.2003 an das Verwaltungsgericht Berlin betreffend eine Verwaltungsstreitsache gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen der Zahlung einer Beihilfe nach den "Richtlinien der Bundesregierung für die Vergabe von Mitteln an Verfolgte nicht jüdischer Abstammung zur Abgeltung von Härten in Einzelfällen im Rahmen der Wiedergutmachung". Dort hatte er geltend gemacht, dass er wegen Lebensbedingungen als Angehöriger der Volksgruppe Sinti in der Nazizeit seit seiner Kindheit an Magen- und Darmbeschwerden, Schlafstörungen und Angstträumen, Bluthochdruck und schweren Kreislaufstörungen leide. Bandscheibenprobleme und frühzeitiger Gelenkverschleiß sowie Kleinwuchs seien auf die seinerzeitige schlechte und völlig mangelhafte Ernährung zurückzuführen. Weitere Gründe für die Entstehung der Körperschäden seien gekürzte Lebensmittelrationen, menschenunwürdige Bedingungen und das Verbot, den Luftschutzkeller aufzusuchen. Er sei von 1939 bis 1945 in einer Baracke interniert gewesen und eine ärztliche Behandlung sei wegen der Zugehörigkeit zu den Sintis abgelehnt worden. Der Kläger legte ein fachärztliches Attest des Arztes für Psychiatrie Dr.Dr.K. vom 11.11.2002 vor, wonach seine hochbelastete Kindheit ohne Zweifel zu schweren psychosomatischen Störungen sowie zu wochenlangen depressiven Phasen geführt habe.
Der Beklagte lehnte die Gewährung von Beschädigtenversorgung mit Bescheid vom 16.05.2003 mit der Begründung ab, Zivilpersonen seien nach dem BVG nur geschützt, wenn sie in unmittelbarem Zusammenhang mit kriegerischen Vorgängen zu Schäden kämen. Ansprüche, die auf einem innerstaatlichen und nationalsozialistischen Gewaltzustand beruhten, könnten nur nach dem Bundesentschädigungsgesetz geltend gemacht werden.
Im Widerspruchsverfahren trug der Kläger vor, er sei im Kindesalter Zeuge der Beschießung eines Zuges mit Menschen im Raum B. gewesen. Er habe auch Angriffe in der B.straße in B. miterlebt und mit angesehen, wie Leute schwer verletzt und getötet worden seien. Er habe als Augenzeuge auch Angriffe von amerikanischen Soldaten auf deutsche Soldaten miterlebt. Er habe wegen dieser Erlebnisse Angstträume. Sein bestehender Bluthochdruck sei auf diese Einwirkungen zurückzuführen. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 08.09.2003 als unbegründet zurück und verneinte das Vorliegen einer unmittelbaren Kriegseinwirkung auf den Kläger durch die von ihm geschilderten Vorgänge unter Berufung auf ein Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 29.09.1993 Az: 9/9a RV 28/92. Erkrankungen infolge von Schrecken und Aufregung bildeten keine Grundlage für einen Versorgungsanspruch. Auch Einwirkungen, die auf einem innerstaatlichen Gewaltzustand beruhten, wie Mangelzustände bei der Ernährung oder der Versorgung mit Arzneimitteln fielen nicht unter den Begriff der unmittelbaren Kriegseinwirkung.
Gegen diese Bescheide hat die damalige Bevollmächtigte des Klägers am 13.10.2003 Klage erhoben und beantragt, dem Kläger Prozesskostenhilfe (PKH) zu gewähren. Mit Schreiben vom 14.11.2003 hat die Bevollmächtigte des Klägers das Mandat niedergelegt. Die Vorsitzende der 10. Kammer des Sozialgerichts Bayreuth, Richterin am Sozialgericht (RiSG) S. hat mit Schreiben vom 03.12.2003 beim Kläger anfragen lassen, ob der Rechtsstreit seine Erledigung gefunden habe. Sie hat ihre Anfrage damit begründet, dass für die Klage keine Erfolgsaussichten erkennbar seien. Leistungen nach dem BVG könnten nur gewährt werden, wenn eine Schädigung durch militärische Handlungen eingetreten sei. Die vom Kläger berichteten Erlebnisse und Ausgrenzungen beruhten ihrer Art nach nicht auf militärischen Maßnahmen, sondern auf parteipolitisch begründeten Verhaltensweisen von Zivilisten. Damit schieden Leistungen nach dem BVG zweifelsohne aus. Der Kläger hat an seiner Klage festgehalten (Niederschrift des Sozialgerichts vom 16.12.2003) und ausgeführt, er habe während Bombenangriffen keinen Luftschutzkeller aufsuchen dürfen. Er leide deshalb bis heute unter schweren Träumen in Verbindung mit nächtlichen Schweißausbrüchen sowie Angstattacken auch am Tage. Er habe deshalb ein Kindheitstrauma und sei der Meinung, dass dies eine schwere Kriegseinwirkung darstelle. Seine Leiden könnte sein behande...