Orientierungssatz

Parallelentscheidung zu dem Urteil des LSG München vom 25.7.2000 - L 10 AL 392/98, das vollständig dokumentiert ist.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 29.04.2004; Aktenzeichen B 11 AL 3/04 R)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 27. November 1997 abgeändert und festgestellt, dass die in der Anlage ASt 5 aufgeführten Fahrer zukünftig keiner Arbeitserlaubnis bedürfen.

II. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Kläger.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin zu 1 ist ein türkisches Unternehmen mit Sitz in I. , das hauptsächlich im grenzüberschreitenden Güterkraftverkehr tätig ist. Für den Transport vom Bundesgebiet in die Türkei und umgekehrt werden türkische Fahrer eingeteilt, die in der Türkei wohnen. Die eingesetzten LKW sind in Deutschland auf die B. S. zugelassen. Die Kläger begehren die Feststellung der Arbeitserlaubnisfreiheit für folgende in der Anlage ASt 5 aufgeführten 15 Fahrer, darunter die Kläger zu 2 und 3, die alle mindestens seit 1995 im grenzüberschreitenden Verkehr bei der Klägerin zu 1 tätig sind: S. E. , I. K. , C. S. , O. T., K. A., M. A., M. A., D. E., R. G. , F. K. , V. C. , A. E., H. T. , Ö. F. C. , H. S. . Diese 15 Fahrer dürfen auf Grund eines im Wege der einstweiligen Anordnung am 29.04.1997 erlassenen Beschlusses des Sozialgerichts (SG) Nürnberg vorläufig bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren ohne Arbeitserlaubnis tätig sein.

Am 10.02.1997 hat die Klägerin zu 1 Klage erhoben mit dem Ziel, die Arbeitserlaubnisfreiheit der oben aufgeführten Fahrer festgestellt zu bekommen. Die Fahrer zu 2 und 3 verfolgen jeweils für sich das gleiche Ziel.

Zur Begründung haben die Kläger auf den im einstweiligen Anordnungsverfahren ergangenen Beschluss verwiesen. Die vom Verordnungsgeber gewählte Unterscheidung zwischen Personen- und Güterverkehr in § 9 Nr 2 Arbeitserlaubnisverordnung (AEVO) erscheine hinsichtlich der Arbeitserlaubnisfreiheit willkürlich.

Nach der Rechtsauffassung der Beklagten kann das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 10.03.1994 (BSGE 74,90 = SozR 3-4210 § 9 Nr 1)) nicht zur Befreiung von der Arbeitserlaubnispflicht herangezogen werden, denn die Arbeitnehmer seien nicht seit einem Zeitpunkt vor dem 01.09.1993 durchgehend bei der B. beschäftigt gewesen. Der Firmensitz der Klägerin zu 1 befinde sich außerhalb des Geltungsbereiches des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG). Tatbestände nach den §§ 2-10 der Anwerbestopp-Ausnahmeverordnung lägen nicht vor. Die Klage sei auch unzulässig, da eine Arbeitserlaubnis nur für Arbeitnehmer erteilt werden könne und eine Bevollmächtigung der Klägerin zu 1 für ihre Arbeitnehmer nicht erkennbar sei.

Mit Urteil vom 27.11.1997 hat das Sozialgericht (SG) festgestellt, dass die für die Klägerin zu 1 auf den LKW der B. im Grenzverkehr tätigen türkischen Arbeitnehmer nach der Anlage ASt 5, insbesondere die Kläger zu 2 und 3, bis zum 31.03.1998 keiner Arbeitserlaubnis bedürfen. Zur Begründung hat das SG ausgeführt: Die Klägerin zu 1, die notwendige Arbeitserlaubnisse für ihre Arbeitnehmer in deren Auftrag beantragen könne, sei auch berechtigt, den Feststellungsantrag zu stellen. Die Zulässigkeit der Antragstellung bei den Klägern zu 2 und 3 ergebe sich aus dem Umstand, dass sie als Fahrer eingesetzt gewesen sind und ihre Tätigkeit fortführen wollen. Es erscheine geboten, bei der Neuregelung ab 30.09.1996 die vom BSG in seinem Urteil vom 10.03.1994 entwickelten Grundgedanken zu übertragen, also stillschweigend eine Übergangsregelung zugrunde zu legen. Das sei erforderlich, um den Belangen der betroffenen Unternehmen Rechnung zu tragen, auch könnten sich die Arbeitnehmer als ausländische natürliche Personen auf den Schutz der Art 14 und 2 Abs 1 Grundgesetz (GG) berufen. Unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutzgesichtspunkte sei von einer Übergangsregelung bis zum 31.03.1998 auszugehen. Damit hätten die Beteiligten seit Änderung der Verordnung ausreichend Zeit, sich auf die veränderte Rechtslage einzustellen.

Gegen das ihnen am 26.01.1998 zugestellte Urteil haben die Kläger am 26.02.1998 Berufung eingelegt mit dem Begehren, die Arbeitserlaubnisfreiheit ohne zeitliche Einschränkung festzustellen.

Sie stützen sich dabei insbesondere auf das Verbot des Art 41 Abs 1 des Zusatzprotokolls zum Assoziationsabkommen EWG-Türkei, neue Beschränkungen des Dienstleistungsverkehrs zwischen den Mitgliedsstaaten und der Türkei einzuführen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) habe in seinem Urteil vom 11.05.2000 - Rs. C-37/98 - (S.) die unmittelbare Anwendbarkeit des Art 41 Abs 1 des Zusatzprotokolls bestätigt. Art 41 Abs 1 des Zusatzprotokolls verbiete auch die Einführung neuer Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs. Dienstleistung sei auch die Tätigkeit von Spediteuren. Sie werde durch die Einführung der Arbeitserlaubnispflicht erschwert. Darüberhinaus sei die Arbeitserlaubnispflicht im grenzüberschreitenden Güterfernverkehr ...

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