Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosenhilfe. Bedürftigkeitsprüfung. Vermögen. Schuldrechtlicher Rückübertragungsanspruch. Schenkung. Ausstattung. Einkommen. Unterhaltsanspruch

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Vermögen in Form von Grundstückseigentum, das bei der Prüfung von Bedürftigkeit als eine der Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung von Arbeitslosenhilfe zu berücksichtigen ist, liegt nicht vor, wenn es zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits im Wege einer Schenkung übertragen wurde.

2. Erfolgte die Grundstücksübertragung an ein Kind des Antragstellers nach der Bestimmung des § 1624 Abs. 1 BGB (Ausstattung), ist auch das Vorliegen von Vermögen im Sinn eines Rückübertragungsanspruchs nach § 528 BGB zu verneinen. Als Schenkung mit der Folge eines Rückübertragungsanspruchs ist in diesem Fall nur der Anteil an der übertragenen Summe anzusehen, der das den Umständen, insbesondere den Vermögensverhältnissen des Vaters oder der Mutter entsprechende Maß übersteigt. Ein Wert von 91.800,00  Euro, verteilt auf zwei Kinder, stellt keine solche übermäßige Ausstattung dar, wenn die Eltern selbst in einem Eigenheim wohnen.

3. Ein nach § 528 Abs. 1 S. 1 BGB bestehender Herausgabeanspruch kann nicht durch Unterhaltsansprüche, die ein volljähriger Arbeitsloser gegen Verwandte hat, aber nicht geltend macht, abgewandt werden. Unterhaltsansprüche Erwachsener gegen Verwandte bestehen nur in Ausnahmefällen. Sie werden daher nur als Einkommen angerechnet, wenn der Arbeitslose sie tatsächlich realisiert hat.

4. Ist zunächst nicht geklärt, ob Rückübertragungsansprüche nach § 528 BGB des Antragstellers auf Arbeitslosenhilfe bestehen, ist es der Arbeitsagentur zuzumuten, zunächst Arbeitslosenhilfe zu gewähren und nach gerichtlicher Überprüfung zivilrechtlicher Ansprüche ggf. diese vom Antragsteller zurückzufordern. Die Vermutung des § 10 Alhi-Verordnung greift nicht ein, wenn der Antragsteller sofort nach Erhalt des Bescheids geltend macht, nicht in der Lage zu sein, seinen Lebensunterhalt und den seiner Ehefrau zu bestreiten.

 

Normenkette

SGB III a.F. § 190 Abs. 1 Nr. 5, § 194 Abs. 3 Nr. 11; BGB § 528 Abs. 1, § 1624 Abs. 1; AlhiV § 10

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Versagung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) ab 06.12.2003.

Der 1945 geborene verheiratete Kläger meldete sich am 02.03.1999 bei der Beklagten arbeitslos. Laut Arbeitsbescheinigung der Firma A. Baumaschinen GmbH, G., war der Kläger vom 01.04.1986 bis 31.03.1999 dort als Außendienstmitarbeiter beschäftigt. Der Kläger kündigte das Arbeitsverhältnis zum 31.03.1999. Laut ärztlichem Attest des Dr. med. G., A-Stadt, bestehe ein nervliches Überlastungssyndrom, welches sich unter anderem in einem hohen Blutdruck manifestiere. Die bisherige Tätigkeit sollte daher im Moment nicht mehr ausgeübt werden.

Vom 10.04.1999 bis 05.12.2001 gewährte die Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld (Alg). Ab 06.12.2001 war der Anspruch auf Alg erschöpft.

Am 04.11.2001 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung von Anschlussarbeitslosenhilfe. Im Antragsformblatt gab er unter anderem an, dass er am 01.09.2000 ein im gemeinsamen Eigentum mit seiner Ehefrau stehendes Grundstück von 820 m² Größe (Wert ca. 290.000,00 DM) seinen beiden Kindern C. und A. schenkungsweise zur Errichtung eines Wohnhauses überlassen habe, unter Bezugnahme auf den notariellen Überlassungsvertrag vom 01.09.2000. Als Gegenleistung wurde vereinbart, dass die Erwerber C. und A. A. jeweils mit Wirkung für sich und alle Abkömmlinge auf das gesetzliche Pflichtteilsrecht einschließlich etwaiger Pflichtteilsergänzungsansprüche am Nachlass beider Eltern verzichten. Die Beklagte gewährte dem Kläger sodann Alhi für die Zeit vom 06.12.2001 bis 05.12.2003. Auch im Folgeantrag, eingegangen bei der Beklagten am 05.11.2002, hatte der Kläger die Schenkung angegeben.

Am 03.11.2003 beantragte der Kläger - unter Angabe der Schenkung - die Fortzahlung der Alhi. Daraufhin lehnte die Beklagte mit streitigem Bescheid vom 19.12.2003 den Antrag ab. Zur Begründung führte sie aus, dass der Kläger gemeinsam mit seiner Ehefrau über ein Vermögen in Höhe von 151.600,00 EUR verfüge, das verwertbar und dessen Verwertung zumutbar sei. Unter Berücksichtigung eines Freibetrages von 30.680,00 EUR für den Kläger und von 29.120,00 EUR für die Ehefrau verblieben 91.800,00 EUR. Dieser Betrag sei bei der Prüfung der Bedürftigkeit zu berücksichtigen.

Hiergegen erhob der Kläger am 29.12.2003 Widerspruch. Er gab an, dass es sich bei dem Vermögen um einen Bauplatz handle, der am 01.09.2000 durch Überlassungsvertrag an die Kinder übertragen worden sei. Weiteres Vermögen sei nicht vorhanden. Die Inanspruchnahme von Sozialhilfe komme nicht in Betracht. Der Kläger übergab nochmals den Überlassungsvertrag in Kopie. Mit Widerspruchsbescheid vom 15.01.2004 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Der Kläger sei nic...

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