Leitsatz (amtlich)

1. Beratungen und Abstimmungen des Beschwerdewahlausschusses haben öffentlich stattzufinden (§ 5 Abs 6 iVm § 3 Abs 5 SVWO). Findet zu Ende der gleichwohl geheim durchgeführten Beratung keine förmliche Feststellung der Mehrheitsverhältnisse im Ausschuß durch eine ordnungsgemäße Abstimmung statt, so ist die anschließend in Gegenwart der Ausschußmitglieder durch den Vorsitzenden öffentlich verkündete Entscheidung nicht nichtig, sondern allenfalls - in den Grenzen der in § 57 Abs 2 SGB 4 § 22 Abs 4 SVWO getroffenen Regelung - anfechtbar.

2. Hält der Beschwerdewahlausschuß die durch seinen Vorsitzenden verkündete Entscheidung für nichtig, so ist er nach § 40 Abs 5 SGB 4 befugt, dies durch Beschluß festzustellen.

3. Ein Beschluß des Beschwerdewahlausschusses, in welchem eine derartige Feststellung getroffen wird, und ein erneuter Beschluß über die bereits verbeschiedene Beschwerde sind in der Regel auch dann nicht nichtig, wenn der Beschwerdewahlausschuß seine ursprüngliche Entscheidung irrtümlich für nichtig gehalten hat. Die Beschlüsse unterliegen in diesem Falle uU der Aufhebung im Rahmen der Wahlanfechtungsklage.

4. Sind die zur Zulassung einer sogenannten "freien Liste" iS des § 48 Abs 1 Nr 4 SGB 4 erforderlichen Unterschriften auf den dafür ausgegebenen amtlichen Vordrucken vollzogen worden und hat die Liste vor Ableistung der Unterschriften bereits die Namen aller aufgestellten Wahlbewerber enthalten, so ist es auf die Gültigkeit der Unterschriften ohne Einfluß, ob diese auf der Liste selbst oder auf einer mit dieser räumlich nicht verbundenen Anlage vollzogen worden sind. Es reicht für die Gültigkeit der Unterschriften aus, daß die einzelnen Teile der Wahlurkunde (Liste und Anlage) aufeinander eindeutig Bezug nehmen und daß die Liste bei der Ableistung der Unterschriften greifbar war, dh daß die Unterzeichner Gelegenheit hatten, sie auf Verlangen unverzüglich einzusehen.

5. Wird bei einer Sozialwahl zunächst nur die Wahl der Vertreter einer der beiden Wählergruppen angefochten, so enthält die nachträgliche Anfechtung der Wahl auch der Vertreter der anderen Wählergruppe keine Klageerweiterung, sondern eine Klageänderung iS der nachträglichen objektiven Klagenhäufung (§§ 56, 99 SGG). Für diese müssen sowohl die allgemeinen Voraussetzungen der Klageänderung (§ 99 Abs 1 SGG) als auch die besonderen Voraussetzungen der Wahlanfechtungsklage (§ 57 Abs 3 SGB 4) vorliegen.

6. Aus § 58 SGB 4 folgt in entsprechender Anwendung der darin getroffenen Regelung, daß im Falle einer Wiederholungswahl iS des § 45 Abs 1 S 2 SGB 4, § 128 SVWO die von dieser betroffenen Mitglieder der Selbstverwaltungsorgane bis zum 30. September des Kalenderjahres der Wiederholungswahl im Amt bleiben.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 23.09.1982; Aktenzeichen 8 RK 19/82)

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1652240

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