Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Krankengeldanspruch. lückenlose Feststellung der Arbeitsunfähigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die terminliche Planung in der Organisation der Praxis liegt zwar in der Sphäre des Vertragsarztes, jedoch ist bei der Terminabsprache eine Einigung auf einen passenden Termin auf beiden Seiten - Arztpraxis und Patient - notwendig.

2. Das Risiko, bei einem bestimmten Vertragsarzt nicht umgehend einen gewünschten Termin zu erhalten, liegt im Risikobereich des Patienten. Von dem Versicherten kann verlangt werden, sich entweder rechtzeitig um einen Arzttermin zu bemühen oder gegebenenfalls einen anderen Arzt oder ein MVZ aufzusuchen. Allein durch einen Anruf in der Praxis am zuletzt möglichen Tag hat der Versicherte nicht alles in seiner Macht Stehende und ihm Zumutbare getan.

3. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der vom Bundessozialgericht mit Urteilen vom 26.3.2020 - B 3 KR 9/19 R = SozR 4-2500 § 46 Nr 10 und B 3 KR 10/19 R (Parallelentscheidung zu B 3 KR 9/19 R) aufgestellten und mit Urteilen vom 29.10.2020 - B 3 KR 6/20 R = SozR 4-2500 § 46 Nr 11 und B 3 KR 5/20 R (Parallelentscheidung zu B 3 KR 9/19 R) bekräftigten Rechtsprechung.

4. § 46 S 3 SGB V nF entfaltet keine Rückwirkung.

 

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 6. Dezember 2019 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin in der Zeit vom 18.06.2018 bis 03.03.2019 ein Anspruch auf Krankengeld zusteht.

Die Klägerin und Berufungsklägerin war über ein Beschäftigungsverhältnis vom 15.02.2018 bis 08.06.2018 bei der Beklagten und Berufungsbeklagten pflichtversichert. Die weitere Mitgliedschaft wurde vom 09.06.2018 bis 17.06.2018 durch den Bezug von Krankengeld aufrechterhalten. Vom 18.06.2018 bis 31.08.2018 war die Klägerin über die Krankenversicherung der Rentner (KVdR) und vom 01.09.2018 bis 03.03.2019 über den Bezug von Arbeitslosengeld II bei der Beklagten versichert.

Am 11.05.2018 erlitt die Klägerin im Rahmen eines Arbeitsunfalls gemäß den Feststellungen des Durchgangsarztes eine Distorsion der linken Schulter. Sie war seit 14.05.2018 arbeitsunfähig erkrankt. Im Rahmen einer MRT-Untersuchung vom 15.05.2018 wurden eine Teilruptur der Supraspinatussehne sowie Verkalkungen und Arthrose im linken Schultergelenk diagnostiziert. Der Unfallversicherungsträger, die Berufsgenossenschaft (BG) Handel und Warenlogistik, stellte mit Bescheid vom 04.07.2018 fest, dass der Arbeitsunfall vom 11.05.2018 nur zu einer Distorsion der linken Schulter geführt hat. Ein Anspruch auf unfallbedingte Heilbehandlung wurde demgemäß bis 15.05.2018 anerkannt, ein Anspruch auf Verletztengeld und Verletztenrente abgelehnt.

Die Klägerin erhielt bis zum 08.06.2018 Entgeltfortzahlung, ab 09.06.2018 bezog sie Krankengeld. Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen lagen lückenlos bis 17.06.2018 vor. Der behandelnde Arzt Dr. A. S. stellte zuletzt eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für die Zeit vom 05.06.2018 bis 17.06.2018 (Sonntag) aus. Die nächste Feststellung der Arbeitsunfähigkeit erfolgte durch den Chirurgen Sch. erst am Freitag, den 22.06.2018, bis 11.07.2018.

Mit Bescheid vom 16.07.2018 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass für die Arbeits-unfähigkeit ab 14.05.2018 der Anspruch auf Krankengeld mit dem 17.06.2018 weggefallen sei. Die Mitgliedschaft der Klägerin mit Krankengeldanspruch und der Anspruch der Klägerin auf Krankengeld hätten am 17.06.2018 geendet, da nach dem Ende des Beschäftigungsverhältnisses am 08.06.2018 nur bis zu diesem Zeitpunkt die Arbeitsunfähigkeit lückenlos nachgewiesen worden sei. Daraus folge, dass die erneut am 22.06.2018 festgestellte Arbeitsunfähigkeit wegen Fehlens einer entsprechenden Mitgliedschaft keinen erneuten Anspruch auf Krankengeld ausgelöst habe.

Im Widerspruchsverfahren legte die Klägerin einen Zwischenbericht der Kliniken G. - Krankenhaus W. vom 28.06.2018 vor; sie brachte hierzu vor, sie habe am 18.06.2018 beim Krankenhaus W. angerufen um einen Termin zu bekommen. Aufgrund der zu dem Zeitpunkt starken Auslastung der Notaufnahme W. sei der nächstliegende Termin laut Arzthelferin am 22.06.2018 gewesen - die Notaufnahme des Krankenhauses W. stelle gleichzeitig die Praxis des Arztes Sch. dar - Herr Sch. gehört gemäß Internetrecherche dem MVZ im Krankenhaus W. bzw. MVZ W. an. Die Arzthelferin, die diesen Termin vergeben habe, habe sich daran erinnert, da sie selbst am 18.06.2018 den Termin am 22.06.2018 eingetragen hatte. Diese Aussage habe sie gegenüber ihrem Lebensgefährten in der 28. Kalenderwoche gemacht, der dies selbstverständlich unter Eid auch bestätigen könne und werde.

Zusätzlich habe der behandelnde Arzt die Arbeitsunfähigkeit schriftlich bestätigt und, dass es sich um die gleiche Verletzung vom 11.05.2018 handelt (ärztliche Bescheinigung des Hr. Sch. vom 13.07.2018). Diese Lücke hätte auch die Arztpraxis bemer...

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