Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Feststellungsanspruch gem § 109 S 1 SGB 7. Verfahrens- bzw Prozessstandschaft. Haftungsbeschränkung. Unfallversicherungsschutz gem § 2 Abs 2 S 1 iVm Abs 1 Nr 1 SGB 7. Abgrenzung: arbeitnehmerähnliche Tätigkeit von unternehmerähnlicher Tätigkeit. Pferdeeinstellungsvertrag. Betreuung und Versorgung eines Pferdes

 

Leitsatz (amtlich)

1. Potentiell gemäß § 109 S 1 SGB 7 Haftungsbeschränkte können die gerichtliche Feststellung eines Arbeitsunfalles begehren. Es handelt sich um eine Verfahrens- bzw Prozessstandschaft (Anschluss an BSG vom 29.11.2011 - B 2 U 27/10 R = BSGE 109, 285-293 = SozR 4-2700 § 109 Nr 1 = juris RdNr 19).

2. Zur Betreuung und Versorgung eines Pferdes als unternehmerähnliche Tätigkeit.

 

Tenor

I. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 27.03.2014 wird zurückgewiesen.

II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen. Punkt II des Entscheidungssatzes des oben genannten Urteils wird entsprechend abgeändert.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob ein von der Beigeladenen am 23.01.2011 erlittener Unfall unter dem Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung steht.

Die Kläger schlossen mit der Beigeladenen am 15.12.2010 einen Pferdeeinstellungsvertrag (im Folgenden: Vertrag). Mit diesem wurde unter anderem geregelt, dass sich die Beigeladene und deren Ehemann verpflichten, dem Pferd der Kläger namens P. für einen Versorgungs- und Futterkostenpreis von monatlich 220,00 € eine Box zur Verfügung zu stellen und die Versorgung und Betreuung des Pferdes zu übernehmen.

Am 23.01.2011 wurde die Beigeladene durch das Pferd der Kläger schwer verletzt. Es schlug auf dem Weg in die Box unvermittelt aus und traf die Beigeladene am Kopf. Die Beigeladene macht deswegen gegenüber dem Kläger zu 1) vor dem Landgericht B-Stadt (LG) Schadensersatzansprüche geltend. Das LG setzte im Hinblick auf eine mögliche Haftungsbeschränkung das Verfahren aus. Die Beklagte sollte zunächst entscheiden, ob es sich bei dem Ereignis vom 23.01.2011 um einen Arbeitsunfall der Beigeladenen handele.

Mit Bescheid vom 25.04.2012 (Widerspruchsbescheid vom 08.08.2012) lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 23.01.2011 als Arbeitsunfall ab. Es bestehe weder ein Unfallversicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch - SGB - VII noch nach § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII. Die Beigeladene sei zum Zeitpunkt des Unfalles aufgrund eines Tierbetreuungsvertrages tätig gewesen, bei dem es sich um einen Geschäftsbesorgungsvertrag im Sinne des § 675 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) handele. Bei einer derartigen Fallgestaltung sei ein Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII nicht anzuerkennen. Die Beigeladene und die Kläger hätten sich als gleichrangige Vertragspartner gegenübergestanden.

Dagegen haben die Kläger Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben. Mit Urteil vom 27. März 2014 hat das SG die Klage abgewiesen und ausgeführt, die Beigeladene habe am 23.01.2011 keinen Arbeitsunfall im Sinne des SGB VII erlitten. Sie habe zum Unfallzeitpunkt nicht zum Kreis der versicherten Personen gehört. Sie sei keine Beschäftigte im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII gewesen. Es fehle auch an einer arbeitnehmerähnlichen Handlungstendenz. Die Beigeladene sei im Rahmen des mit den Klägern geschlossenen Pferdeeinstellungsvertrages tätig gewesen. Sie sei daher zum Unfallzeitpunkt nicht wie eine Arbeitnehmerin, sondern wie eine Unternehmerin tätig gewesen.

Dagegen haben die Kläger Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht (LSG) eingelegt und ausgeführt, die Beigeladene sei im Interesse der Kläger und nicht im Eigeninteresse tätig geworden. Der Pferdeeinstellungsvertrag sei mutmaßlich nicht tatsächlich gelebt worden. Die Betreuung des Pferdes habe unentgeltlich erfolgen sollen, lediglich das Futter sei zu bezahlen gewesen. Das unentgeltliche Einstellen des Pferdes habe dem Willen der Kläger entsprochen und habe für diese einen wirtschaftlichen Wert gehabt. Die Kläger vertreten die Auffassung, die Tätigkeit der Beigeladenen zum Unfallzeitpunkt stelle eine auf ein fremdes Unternehmen gerichtete Tätigkeit dar. Die Beigeladene sei zum Zeitpunkt des Unfalls als eine Wie-Beschäftigte tätig geworden.

Die Kläger beantragen,

das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 27.03.2014 und den Bescheid vom 25.04.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.08.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Unfall der Beigeladenen vom 23.01.2011 als Arbeitsunfall anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 27.03.2014 zurückzuweisen.

Die Beigeladene stellt keinen eigenen Antrag.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen und der Akte der Beklagten Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist zulässig, insbesondere fristgerec...

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