Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren: Fortsetzung des Verfahrens nach einem Vergleich

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Fortsetzung des Verfahrens ist nach einem Vergleich regelmäßig nicht möglich.

2. Die Wiederaufnahme des Verfahrens ist nach einem Vergleich regelmäßig nicht möglich.

3. Für die Wirksamkeit eines im Termin geschlossenen Vergleichs ist es ausreichend, wenn sich das unterschriebene Original der Niederschrift bei den Akten befindet.

 

Tenor

I. Es wird festgestellt, dass das Verfahren L 7 AS 393/11 durch Vergleich vom 17.04.2012 erledigt worden ist.

II. Der Antrag auf Wiederaufnahme wird als unzulässig verworfen.

III. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Fortsetzung des Verfahrens L 7 AS 393/11, bei dem es ursprünglich um die Aufhebung und Rückforderung von Leistungen nach dem SGB II in Höhe von insgesamt 991,53 € ging.

Mit Aufhebungs-und Rückforderungsbescheid vom 28.08.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.09.2010 forderte der Beklagte vom Kläger für den Zeitraum vom 10.07.2010 bis 31.08.2010 bewilligte und ausgezahlte Leistungen in Höhe von insgesamt 991,53 € zurück. Der Kläger habe ab dem 10.07.2010 seinen ständigen Aufenthalt in England gehabt.

Die hiergegen erhobene Klage wies das Sozialgericht Augsburg mit Gerichtsbescheid vom 8. Mai 2011, Az.: S 11 AS 1129/10, als unbegründet zurück.

Nachdem der Kläger gegen den Gerichtsbescheid Berufung eingelegt hatte (Az.: L 7 AS 339/11), schlossen die Beteiligten im Erörterungstermin am 17.04.2012 vor dem Bayer. Landessozialgericht folgenden

"Vergleich:

1. Der Kläger zahlt einen Betrag von 583,25 € in monatlichen Raten zu je 50 € an den Beklagten zurück.

2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

3. Die Beteiligten erklären mit Abschluss dieses Vergleichs den Rechtsstreit in vollem Umfang für erledigt."

Mit Schreiben vom 2. Dezember 2014 erhob der Bevollmächtigte des Klägers gegen den Vergleich "Klage wegen Nichtigkeit und Wiederaufnahme". Der Vergleich sei nichtig, da die Richterunterschrift unter dem Vergleich fehle, ebenso das Amtssiegel eines Notars und ein "Beglaubigungsvermerk". Er habe nur eine Abschrift des Vergleichs erhalten, die zudem nur mit einer Paraphe der Urkundsbeamtin versehen gewesen sei. Auch könne eine "beglaubigte Urteilsabschrift" die "Zustellungswirkung des § 517 ZPO nicht begründen", die "Voraussetzung für den Beginn der Rechtsmittelfrist" sei.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Verfahren L 7 AS 393/11 fortzusetzen,

hilfsweise das Verfahren wieder aufzunehmen,

und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 8. Mai. 2011 sowie den Bescheid des Beklagten vom 28.04.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.09.2010 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt festzustellen,

dass das Verfahren L 7 AS 393/11 durch den Vergleich vom 17.04.2012 beendet wurde.

Der Beklagte hält den Vergleich für wirksam.

 

Entscheidungsgründe

Die "Klage wegen Nichtigkeit und Wiederaufnahme" wird dahingehend ausgelegt, dass der Kläger die Fortsetzung bzw. die Wiederaufnahme des Verfahrens L 7 AS 393/11 begehrt.

Der Antrag, das Verfahren L 7 AS 393/11 fortzuführen, bleibt erfolglos, weil dieses Verfahren durch den Vergleich vom 17.04.2012 erledigt worden ist. Zweifel an der Wirksamkeit des Vergleichs bestehen nicht. Der Vergleich wurde dem Kläger ordnungsgemäß zugestellt. Dabei genügt es, dass dem Bevollmächtigten des Klägers eine beglaubigte Abschrift zugestellt wurde.

Der Antrag auf Wiederaufnahme dieses Verfahrens ist als unzulässig zu verwerfen.

Nach § 179 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann ein rechtskräftig beendetes Verfahren entsprechend den Vorschriften des Vierten Buches der Zivilprozessordnung (§§ 578 ff. Zivilprozessordnung - ZPO -) wieder aufgenommen werden. Zuständig ist gemäß § 584 Abs. 1 ZPO das Gericht, das im ursprünglichen Verfahren, das nunmehr wieder aufgenommen werden soll, abschließend erkannt hat, mithin der 7. Senat des Bay. Landessozialgerichts, der den Vergleich am 17.04.2012 geschlossen hat.

Der Antrag auf Wiederaufnahme ist als unzulässig zu verwerfen, weil es an einer schlüssigen Behauptung eines Nichtigkeits- bzw. Anfechtungsgrundes fehlt. Ein solcher schlüssiger Vortrag ist nach allgemeiner Auffassung eine Zulässigkeitsvoraussetzung für eine Wiederaufnahmeklage (vgl. Urteil des Senats vom 27.02.2014, L 7 AS 825/13 WA mit weiteren Nachweisen).

Die vom Kläger vorgebrachten formalen Argumente betreffen allesamt nicht das Zustandekommen des Vergleichs, sondern lediglich die anschließende Übermittlung der Abschrift des Vergleichs. Die vorgebrachten Argumente führen - selbst wenn sie alle zuträfen - nicht zur Nichtigkeit des Vergleichs.

Der Vortrag, den Vergleich fehle es an den Originalunterschriften, ist auch kein in §§ 579, 580 ZPO oder § 179 Abs. 1, 2 SGG genannter Anfechtungsgrund. Auf die Zustellung der Abschrift des Vergleichs kommt es ohnehin nicht an. Denn die Urschrift des Vergleichs mit den Unterschriften des Richters be...

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