Entscheidungsstichwort (Thema)

Rente wegen Erwerbsminderung. Einschränkung des zeitlichen Leistungsvermögens. Schussverletzung

 

Leitsatz (amtlich)

Zu den medizinischen Voraussetzungen einer Rente wegen Erwerbsminderung.

 

Normenkette

SGB VI § 43

 

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 07.07.2010 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob der Kläger Anspruch auf Erwerbsminderungsrente aufgrund seines Antrags vom 20.04.2009 hat.

Der 1963 im Kosovo geborene Kläger lebt seit 12.10.1992 in der Bundesrepublik Deutschland. Nach seinen eigenen Angaben hat er im Kosovo eine Ausbildung zum Maschinentechniker absolviert (allerdings wurde im Rentenantrag vom 20.04.2009 angegeben, dass er keine Ausbildung absolviert hat). Bei einer Demonstration im Kosovo sei er im Jahr 1986 von einem Polizisten in den rechten Oberschenkel geschossen worden und habe sich mehreren Operationen unterziehen müssen. Der Kläger war nach seiner Übersiedlung nach Deutschland von 1993 bis 2001 als Produktionshelfer (Verpacker) versicherungspflichtig beschäftigt, seit 01.06.2006 bezieht er laufend Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Ein erster Rentenantrag des Klägers vom 05.12.2005 wurde von der Beklagten nach Einholung eines Gutachtens von Dr.P. vom 27.02.2006 abgelehnt, da der Kläger sowohl seine letzte Tätigkeit als auch Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes noch mindestens 6-stündig täglich verrichten könne.

Am 20.04.2009 stellte der Kläger erneut einen Rentenantrag wegen multipler Schmerzen in allen Körperregionen. In einem zu diesem Antrag vorgelegten Befundbericht des Allgemeinarztes Dr.G. wurde von einer posttraumatischen Belastungsstörung berichtet, die sich seit Jahren verschlechtere.

Die Beklagte holte ein chirurgisches Gutachten von Dr.P. ein, der am 15.07.2009 zu dem Ergebnis gelangte, dass der Kläger sowohl seine Tätigkeit als Produktionsarbeiter als auch Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen noch mindestens 6 Stunden täglich verrichten könne. In einem weiteren sozialmedizinischen Gutachten von Dr.H. vom 15.07.2009 kam dieser ebenfalls zu dem Ergebnis, dass der Kläger die letzte Tätigkeit als Verpacker sowie Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen noch mindestens 6 Stunden täglich verrichten könne. Der Kläger gebe zwar an, unter Depressionen zu leiden, eine Behandlung oder Medikation finde jedoch nicht statt. Die Beklagte lehnte daraufhin den Rentenantrag des Klägers mit streitgegenständlichem Bescheid vom 27.08.2009 ab.

Hiergegen legte der Prozessbevollmächtigte des Klägers am 22.09.2009 Widerspruch ein. Der Kläger könne die Leistungseinschätzung der Beklagten nicht akzeptieren. Ohne Einholung eines weiteren Gutachtens wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 04.03.2010 den Widerspruch gegen den Bescheid vom 27.08.2009 als unbegründet zurück. Neue medizinische Leiden seien nicht vorgetragen worden.

Zur Begründung der am 01.04.2010 zum Sozialgericht (SG) Nürnberg erhobenen Klage wies der Prozessbevollmächtigte des Klägers darauf hin, dass dieser der Auffassung sei, dass die Schwere seiner gesundheitlichen Einschränkungen nicht ausreichend berücksichtigt worden sei. Das SG holte Befundberichte der behandelnden Ärzte Dr.N., Dr.F. und Dr.G. ein und veranlasste ein Terminsgutachten von Dr.S., der am 07.07.2010 zu folgenden Diagnosen gelangte:

- Narbenbildung am rechten Oberschenkel nach Schussverletzung sowie Narbenbildung im Fußgelenksbereich, Peronaeusparese rechts, postthrombotisches Syndrom am rechten Bein mit Abflussstörung

- Fehlhaltungen der Wirbelsäule mit eingeschränkter Beweglichkeit, Muskelreizerscheinungen, degenerative Veränderungen

- Funktionsbehinderung in beiden Schultergelenken, Epicondylopathie an beiden Ellenbogengelenken, Fingergelenkspolyarthrose ohne Einschränkung der Handfunktion

- Große Narbe über dem Brustbein nach Entfernung der Herzaußenhaut (pericard)

- Verdacht auf chronische Schmerzkrankheit.

Trotz dieser gesundheitlichen Einschränkungen könne der Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch mindestens 6 Stunden täglich tätig sein. Es könnten noch leichte körperliche Arbeiten, überwiegend im Sitzen, zeitweise im Gehen und Stehen durchgeführt werden. Vermieden werden müssten schwere und mittelschwere Hebe- und Tragearbeit, häufige Überkopfarbeit, bückende und kniende Arbeiten, häufiges Steigen, Besteigen von Leitern und Gerüsten. Schutz vor Kälte, Nässe und Zugluft sollte gewährleistet sein. Die Wegefähigkeit sei gegeben. Das beschriebene Leistungsbild bestehe seit Antragstellung. Als Verpacker sei er nur noch für leichte Tätigkeiten einsetzbar. Post könne geöffnet, sortiert und registriert werden. Postsendungen könnten kuvertiert, adressiert und frankiert werden. Kopierer und Faxgeräte seien bedienbar. Einfache Helfertätigke...

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