Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Rentenversicherung: Anspruch auf Erwerbsminderungsrente bei einer psychischen Erkrankung
Leitsatz (amtlich)
1. Gemäß § 34 Abs. 4 SGB VI ist ein Wechsel in eine Erwerbsminderungsrente nach Beginn des Bezuges der Altersrente nicht mehr möglich.
2. Zu den Voraussetzungen einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Orientierungssatz
Solange Behandlungsmethoden (medikamentös, therapeutisch, ambulant oder stationär) noch bestehen und nach Lage der ärztlichen Befundberichte und Sachverständigengutachten davon auszugehen ist, dass der Versicherte hierdurch in absehbarer Zeit durch zumutbare eigene Willensanstrengung oder mit ärztlicher oder therapeutischer Hilfe seine psychische Krankheit überwinden kann, kommt ein Anspruch auf Erwerbsminderungsrente noch nicht in Betracht.
Tenor
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 25.10.2011 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Klägerin aufgrund ihres Rentenantrags vom 03.04.2009 gegen die Beklagte einen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung hat.
Die 1951 geborene Klägerin hat keine Berufsausbildung absolviert. Eine Lehre zur Verkäuferin wurde abgebrochen. Von April 1967 bis August 1994 war die Klägerin als Näherin sozialversicherungspflichtig beschäftigt, anschließend ab Januar 1995 bis zum 20.07.2004 als Polsternäherin.
Im Jahr 2004 erlitt die Klägerin ein Carotis-Aneurysma, das operativ versorgt werden musste. Aus einer stationären medizinischen Rehabilitationsmaßnahme in der Zeit vom 20.04.2005 bis 18.05.2005 in der Rheumaklinik Bad A. wurde die Klägerin als arbeitsunfähig, jedoch mit einem mehr als 6stündigen Leistungsvermögen für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes entlassen. Ihre letzte Tätigkeit als Polsternäherin im Akkord könne sie nicht mehr verrichten.
Ein erster Rentenantrag vom 16.09.2005, der wegen Beschwerden in der Hals- und Lendenwirbelsäule sowie wegen des Carotis-Aneurysma gestellt worden war, führte zur Gewährung einer vollen Erwerbsminderungsrente auf Zeit vom 01.04.2006 bis 30.09.2007. Am 19.03.2007 stellte die Klägerin einen Antrag auf Verlängerung ihrer Zeitrente, der nach Einholung eines nervenärztlichen Gutachtens von Dr.B. vom 16.07.2007 sowie eines internistischen Gutachtens von Dr.B. vom 04.06.2007 mit Bescheid vom 26.07.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.09.2007 abgelehnt wurde. Die hiergegen zum Sozialgericht (SG) Bayreuth erhobene Klage, die unter dem Az. S 7 R 593/07 geführt wurde, wurde nach Einholung eines Terminsgutachtens von Prof.Dr.S. vom 28.10.2008 sowie nach Anhörung des Sachverständigen im Termin durch Klagerücknahme beendet.
Am 03.04.2009 beantragte die Klägerin erneut die Gewährung von Erwerbsminderungsrente wegen einer Halbseitenlähmung, atypischen Gesichtsschmerzen, Niere, Depressionen, Bandscheibenschäden und Wirbelsäulenbeschwerden. Der Klägerin war zwischenzeitlich mit Bescheid des Versorgungsamtes Bayreuth vom 29.03.2006 ein Grad der Behinderung von 60 zuerkannt worden. Die Beklagte holte ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten von Dr.F. ein, die am 29.05.2009 zu dem Ergebnis gelangte, dass die Klägerin zwar nicht mehr als Polsternäherin im Akkord tätig sein könne, für den allgemeinen Arbeitsmarkt jedoch noch ein mindestens 6-stündiges Leistungsvermögen unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen vorliege. Die Beklagte lehnte daraufhin den Rentenantrag der Klägerin mit streitgegenständlichem Bescheid vom 08.06.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.08.2009 ab.
Zur Begründung der hiergegen am 27.08.2009 zum SG Bayreuth erhobenen Klage hat die Prozessbevollmächtigte der Klägerin auf deren schwere gesundheitlichen Einschränkungen hingewiesen. Sie leide unter schweren depressiven Episoden, unter motorischen Einschränkungen beim Laufen und Greifen hinsichtlich der Fein- und Grobmotorik. Sie könne keine Tasse mehr halten. Ferner ergebe sich aus dem Bericht der Praxis Dr.K., dass neurologisch nach wie vor eine kompensierte Situation vorliege. Der behandelnde Facharzt für Neurologie Dr.S. halte die Klägerin ebenfalls für nicht mehr arbeitsfähig.
Das SG hat Befundberichte der behandelnden Ärzte Dr.R., Dr.D., Dr.G., Dr.K. sowie von Dipl.Med. D. beigezogen und sodann ein neurologisch-psychiatrisches Terminsgutachten von Dr.R. eingeholt. Diese ist am 11.08.2010 zu folgenden Diagnosen gelangt:
1. Leichte bis mittelgradige Einschränkungen der BWS und LWS nach zweimaliger Bandscheiben-OP mit anhaltender Schmerzsymptomatik, diskrete Fußheberschwäche rechts und genannten anhaltenden Gefühlsstörungen ohne schwere Störungen der Abrollfunktion.
2. Bewegungsschmerz der HWS ohne nennenswerte funktionelle Einschränkung bei bildgebend dargestelltem Bandscheibenvorfall HWK 5/6.
3. Chronisch wiederkehrender Erschöpfungszustand mit depressiver Verstimmung, Somatisierungsstörung.
4. Halbseitenschw...