Entscheidungsstichwort (Thema)

Medizinisches Versorgungszentrum: Regelung weiterer Sicherungen für etwaige Regressforderungen auf der Ebene der Abrechnungsbestimmungen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Aus § 95 Abs. 2 Satz 6 SGB V, mit dem der Gesetzgeber eine haftungsrechtliche Gleichstellung von Vertragsärzten in Einzelpraxis und in Gemeinschaftspraxis einerseits und medizinischen Versorgungszentren andererseits verfolgt, ergibt sich nicht, dass nicht auch auf der Ebene der Abrechnungsbestimmungen weitere Sicherungen für etwaige Regressforderungen geregelt werden können.

2. Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) liegt nicht vor, da niedergelassene Vertragsärzte im Unterschied zu MVZ in Trägerschaft einer juristischen Person des Privatrechts mit beschränkter Haftung für Forderungen der KV oder der Krankenkassen persönlich mit ihrem privaten Vermögen voll haften, während sich eine MVZ-Träger-GmbH auf die Beschränkung der Haftung in Höhe des Gesellschaftsvermögens berufen kann.

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerinnen gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 24.09.2014, S 43 KA 1033/12 wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerinnen haben auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerinnen begehren Abschlagszahlungen ohne Vorlage einer selbstschuldnerischen Bankbürgschaft. Die Klägerinnen zu 1) und 2) sind Zusammenschlüsse von medizinischen Versorgungszentren (MVZ), die als überörtliche Berufsausübungsgemeinschaften in der Form einer GmbH oder in deren Trägerschaft betrieben werden. Die Klägerin zu 3) ist ein medizinisches Versorgungszentrum, das ebenfalls in der Rechtsform einer GmbH betrieben wird. Ihnen ist gemeinsam, dass ihre Gesellschafter nicht ausschließlich natürliche Personen sind.

Mit Beschluss vom 26.11.2011 änderte die Vertreterversammlung die Abrechnungsbestimmungen der Beklagten mit Wirkung zum 01.07.2012. Gemäß § 5 Abs. 1a S. 2 der geänderten Abrechnungsbestimmungen leistet die Beklagte Abschlagszahlungen an ein MVZ, das in der Organisationsform einer juristischen Person des Privatrechts betrieben wird und dessen Gesellschafter nicht ausschließlich natürliche Personen sind, nur dann, wenn das MVZ zur Sicherung von Forderungen der KVB und der Krankenkassen aus dessen vertragsärztlicher Tätigkeit eine selbstschuldnerische Bürgschaft einer Bank, die im Gebiet der Europäischen Union ansässig ist, in Höhe von fünf Abschlagszahlungen beigebracht hat. Mit jeweils an die einzelnen Klägerinnen gerichteten Schreiben vom 18.04.2012 informierte die Beklagte die Klägerinnen über die Änderung der Abrechnungsbestimmungen zum 01.07.2012 und forderte die Klägerinnen auf, bis spätestens 30.06.2012 eine Bankbürgschaft in Höhe des fünffachen einer Abschlagszahlung beizubringen. Die (jeweils fünffachen) Abschlagszahlungen für die Klägerin zu 1) wurde mit 7.083.500,00 €, für die Klägerin zu 2) in Höhe von 4.119.000,00 und die Klägerin zu 3) in Höhe von 633.500,00 € beziffert. Andernfalls werde die Beklagte die Abschlagszahlungen ab dem dritten Quartal 2012 in entsprechender Höhe kürzen oder komplett streichen.

Einen Antrag der Klägerinnen auf einstweiligen Rechtsschutz vom 21.06.2012 mit dem Ziel der Auszahlung von Abschlagszahlungen ohne Beibringung einer selbstschuldnerischen Bankbürgschaft wies das SG mit bestandskräftigem Beschluss vom 16.07.2012 zurück (S 39 KA 666/12 ER).

Mit ihrer Klage zum Sozialgericht München vom 27.7.2012 verfolgen die Klägerinnen ihr Begehren weiter. Es wird wie bereits im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vorgetragen, die am 26.11.2011 von der Vertreterversammlung beschlossene Änderung der Abrechnungsbestimmungen sei wegen der unzulässigen Kopplung der Abschlagszahlung an die Beibringung von Bankbürgschaften unzulässig und rechtswidrig. Es liege ein Verstoß gegen § 95 Abs. 2 Satz 6 SGB V sowie gegen Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit § 95 Abs. 1 SGB V vor. Angesichts der Höhe der geforderten Bankbürgschaften und der hieraus resultierenden Zinsverpflichtung in Höhe von 2 % pro Jahr ergebe sich eine Gesamtbelastung der Klägerinnen, die in Relation zum jeweiligen Jahresumsatz erheblich sei.

Der Gesetzgeber habe mit der Einführung des § 95 Abs. 2 Satz 6 SGB V die Gleichbehandlung der verschiedenen Zulassungsformen, konkret die Gleichstellung der in der Rechtsform der juristischen Person des Privatrechts organisierten medizinischen Versorgungszentren und der Vertragsärzte verfolgt. Diese Gleichbehandlung solle auch durch eine gleich gelagerte Forderungsabsicherung für die verschiedenen Zulassungsformen zum Ausdruck kommen. Daher sei zum 01.01.2007 als Voraussetzung für die Zulassung von medizinischen Versorgungszentren in der Rechtsform der juristischen Person des Privatrechts die Verpflichtung zum Nachweis einer selbstschuldnerischen Bürgschaft in § 95 Abs. 2 Satz 6 SGB V aufgenommen worden, um insbesondere Erstattungsansprüche der Krankenkassen und der Kassenärztlichen Vereinigungen nach § 106 Abs. 5c SGB ...

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