Entscheidungsstichwort (Thema)
Mitgliedschaft in einer rumänischen LPG. Nachgewiesene Beitragszeit
Leitsatz (redaktionell)
Ist die Mitgliedschaft eines Versicherten in einer rumänischen LPG nachgewiesen, kommt eine Kürzung der Beitragszeiten nach § 22 Abs. 3 FRG um 1/6 nicht in Betracht.
Normenkette
FRG §§ 15, 22 Abs. 3
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 16.09.2004 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten besteht Streit, in welchem Umfang Versicherungszeiten während der Zeit der Mitgliedschaft in einer rumänischen landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (LPG) bei der Rente zu berücksichtigen sind.
Der 1933 geborene Kläger ist im Jahre 1990 aus Rumänien nach Deutschland übergesiedelt und ist Inhaber des Vertriebenenausweises A. In der Zeit vom 01.01.1966 bis 31.12.1977 arbeitete er in der LPG R./Kreis S. (Rumänien). Die Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 12.11.1993 Altersrente ab 01.05.1993; die streitige Zeit ist dabei auf 5/6 gekürzt, ebenso im Neufeststellungsbescheid vom 05.10.1994.
Am 18.11.2002 beantragte der Kläger, die Zeit vom 01.01.1966 bis 31.12.1977 zu 6/6 anzuerkennen. Er habe in dieser Zeit in der LPG, deren Mitglied er gewesen sei, als Kutscher und Melker gearbeitet; er habe nach der vorgelegten Adeverinta Nr 359 vom 01.08.1990 jährlich bis zu 600 Normen geleistet.
Die Beklagte vernahm als Zeugen R. A. und B. S., die beide u.a. bestätigten, dass der Kläger im streitigen Zeitraum Mitglied der LPG gewesen sei.
Mit Bescheid vom 06.08.2003 und Widerspruchsbescheid vom 24.10.2003 lehnte die Beklagte die ungekürzte Anrechnung der Entgeltpunkte ab, da der hier erforderliche Vollbeweis im Sinne des § 22 Abs 3 Fremdrentengesetz (FRG) nicht gegeben sei. Ebenso war der streitige Zeitraum im Neufeststellungsbescheid vom 27.08.2003 und Widerspruchsbescheid vom 26.11.2003 nur gekürzt berücksichtigt.
Die dagegen erhobenen Klagen S 10 RJ 693/03 und S 10 RJ 765/03 hat das Sozialgericht Nürnberg (SG) zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Mit Urteil vom 16.09.2004 hat das SG die Beklagte verurteilt, die Beitragszeit vom 01.01.1966 bis einschl. 31.12.1977 als nachgewiesen anzuerkennen und die Rente nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen neu festzustellen. Der Auffassung der Beklagten bezüglich der Kürzung um 1/6 könne nicht zugestimmt werden. Bis 31.12.1977 konnten in Rumänien Rentenanwartschaften auch von solchen Mitgliedern erworben werden, die nur Vermögen in die LPG eingebracht hatten ohne mitzuarbeiten. Bis dahin seien deshalb Beitragszeiten aufgrund der bloßen Mitgliedschaft anzuerkennen. Da es für die soziale Sicherung weder auf eine Mitarbeit in der LPG noch auf die Erfüllung bestimmter Normen ankommen konnte, dürfe eine Kürzung der Entgeltpunkte nicht stattfinden. Die Beitragszeit sei daher als nachgewiesen anzusehen. Dies habe auch der Verwaltungspraxis der Beklagten entsprochen, welche diese nun offensichtlich aufgegeben habe. Eine Begründung für die Änderung dieses Verwaltungshandelns sei nicht angegeben worden.
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt und im Wesentlichen vorgebracht, im Fall des Klägers sei kein Nachweis über die Mitgliedschaft in der LPG gegeben. Auch seien der zeitliche Arbeitsumfang und die entsprechenden Arbeitsunterbrechungen wegen Krankheit nicht nachgewiesen. Entgegen der Auffassung des Erstgerichts komme es auch für die Anerkennung von Beitragszeiten von 1966 bis 1977 darauf an, dass neben der Mitgliedschaft auch Unterbrechungstatbestände nachgewiesen seien oder eine tagegenaue Aufstellung der Arbeitsleistung vorliege. Nach dem Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 08.09.2004 (L 2 RJ 1664/02) sei es unzulässig, aus dem bloßen Bestehen eines Mitgliedschaftsverhältnisses zur LPG auf ein ganzjähriges und ununterbrochenes Beschäftigungsverhältnis zu schließen. Die Auffassung des SG widerspreche auch dem Sinn und Zweck des § 15 FRG. Ohne weitere Nachweise gehe die Beklagte nach wie vor davon aus, dass entgegen der erstgerichtlichen Entscheidung die Voraussetzungen für eine wertmäßig ungekürzte Anrechnung der als Mitglied einer rumänischen LPG zurückgelegten Beitragszeit nicht erfüllt seien. Der neueren Rechtsprechung des BSG werde widersprochen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 16.09.2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen; hilfsweise beantragt sie, die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Streitsache zuzulassen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Der Kläger stützt seinen Antrag im Wesentlichen auf die bisherige Rechtsprechung des BayLSG, das Gutachten des Instituts für Ostrecht vom 15.12.1999 und das Urteil des BSG vom 08.09.2005 (B 13 RJ 44/04 R).
Wegen der Einzelheiten wird zur Ergänzung des Tatbestands auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen, insbesondere auf die...