Entscheidungsstichwort (Thema)

Soziales Entschädigungsrecht. strafrechtliche Rehabilitierung. Häftlingshilfe. DDR-Unrechtshaft. sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Überprüfungsverfahren. Entschädigungsleistungen für frühere Zeiträume. Beginn der Versorgung. Antrag. Antragsrücknahme. Pflicht des Versorgungsamts zur Beratung hinsichtlich sozialer Entschädigungsansprüche. aufdrängende Hinweise aus dem Schwerbehindertenverfahren. GdS-Feststellung. Beschädigtenrente

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Überprüfung eines bestandskräftig festgestellten Versorgungsanspruchs hinsichtlich des Zeitpunkts der Antragstellung und der Höhe des GdS.

2. Zur Gewährung von Beschädigtenrente nach dem strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz (juris: StrRehaG) bzw dem Häftlingshilfegesetz (juris: HHG) unter dem Gesichtspunkt des Beginns der Versorgung und der Höhe des GdS.

 

Orientierungssatz

Die Versorgungsbehörde ist nicht verpflichtet, aufgrund ihrer Erkenntnisse aus dem Schwerbehindertenverfahren von sich aus die Prüfung eines Versorgungsanspruchs nach dem sozialen Entschädigungsrecht in die Wege leiten oder den behinderten Menschen (bzw dessen Betreuer) dahingehend zu beraten, einen entsprechenden Antrag zu stellen, wenn sich keine aufdrängenden Hinweise auf schädigungsbedingte Gesundheitsstörungen ergeben haben, die eine diesbezügliche Pflicht zur Spontanberatung auslösen können.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 31.03.2021; Aktenzeichen B 9 V 2/21 B)

 

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 21.11.2017 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt im Wege des Überprüfungsverfahrens auf der Grundlage des Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes (StrRehaG) bzw. des Häftlingshilfegesetzes (HHG) iVm dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) die Anerkennung von Schädigungsfolgen aufgrund einer Inhaftierung in der ehemaligen DDR sowie die Gewährung einer Beschädigtenrente nach einem Grad der Schädigungsfolgen (GdS) von mindestens 60 und zwar seit 1987.

Der 1958 geborene Kläger befand sich in der Zeit vom 10.04.1986 bis 20.05.1987 in verschiedenen Haftanstalten der DDR in Strafhaft (M, C bzw. K-Stadt). Im Anschluss an die Haftzeit wurde er in die Bundesrepublik Deutschland entlassen.

Erstmals am 15.06.1987 beantragte der Kläger beim Versorgungsamt B die Feststellung von Schädigungsfolgen und Versorgung nach dem HHG. Mit seinem Antrag machte u.a. ein seelisches Leiden als Gesundheitsstörung geltend; ob dieses Leiden vorliege, könne erst nach Abschluss einer am 01.06.1987 beantragten Kur beurteilt werden.

Mit Bescheinigung vom 08.12.1987 nach § 10 Abs. 4 HHG wurde dem Kläger bescheinigt, dass bei ihm die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 HHG und des § 9 Abs. 1 HHG vorlägen und Ausschließungsgründe nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 2 HHG nicht gegeben seien.

Der Kläger absolvierte in der Zeit vom 12.01.1988 bis 09.02.1988 eine Kur in B1. Ausweislich des Abschlussberichts der Rehabilitationseinrichtung seien ein psychophysischer Erschöpfungszustand, eine vegetative Dystonie, eine Struma diffusa et nodosa sowie eine Akne vulgaris festgestellt worden. Der Kläger habe sich recht gut erholt, er sei psychisch aufgelockert gewesen. Subjektiv klage er über keine Beschwerden. Das frühere Haftgeschehen werde distanziert und gut reflektiert betrachtet.

Dies nahm die damals zuständige Versorgungsverwaltung des Landes B am 11.05.1988 zum Anlass, beim Kläger nachzufragen, welche Schädigungsfolgen verblieben seien und ob er seinen Antrag auf Gewährung von Beschädigtenversorgung aufrechterhalte. Nachdem dieses Schreiben wegen eines Umzugs des Klägers nach N zurückgelaufen war, gab das Versorgungsamt B seine Akten zuständigkeitshalber an den Beklagten ab, der mit Schreiben vom 10.06.1988 erneut beim Kläger anfragte, ob und gegebenenfalls welche Haftschäden noch vorlägen.

Hierauf erklärte der Kläger mit Schreiben vom 26.06.1988, sein Wohlbefinden habe sich wieder vollständig normalisiert; der Kuraufenthalt sei dabei eine große Hilfe gewesen. Haftschäden seien daher momentan nicht vorhanden und seien auch nicht zu erwarten. Der Beklagte verfügte daraufhin das Weglegen der Akte mit dem Vermerk, dass "wegen fehlender Haftschäden nichts weiter zu veranlassen" sei.

Mit Beschluss des Landgerichts Magdeburg vom 21.06.1995 wurde der Kläger für die Haftzeit vom 10.04.1986 bis 20.05.1987 strafrechtlich gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1d) StrRehaG rehabilitiert.

Am 13.05.2005 stellte der damalige gesetzliche Betreuer des Klägers, Herr F., beim Beklagten einen Erstantrag auf Feststellung einer Behinderung und des Grades der Behinderung (GdB) nach § 69 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch/SGB IX (a.F.). Als Gesundheitsstörungen wurden im Antrag Depression, Insomnie, labile Hypertonie, Schlaflosigkeit, Ängste und Blockaden genannt. Als Ursache der Gesundheitsstörungen wurde "sonstige Ursache" angegeben. Dazu vorgelegt wurden unter anderem folgende Unterlagen mit den im Folgenden in Auszügen wie...

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