Entscheidungsstichwort (Thema)
Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe. Altersteilzeitvereinbarung. Vorzeitige Altersrente. Abschlag. Kausalität. Wichtiger Grund. Schadensersatz. Rentenanwartschaft. Versorgungsausgleich. Irrtum
Leitsatz (redaktionell)
1. Soll ein “wichtiger Grund” i.S.v. § 144 Abs. 1 S. 1 SGB III eine Sperrzeit ausschließen, muss er sowohl für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses als auch für die Herbeiführung der Arbeitslosigkeit bestehen.
2. Hat ein Arbeitnehmer sein Beschäftigungsverhältnis durch eine Altersteilzeitvereinbarung gelöst und beansprucht er – entgegen der Vereinbarung – nach der Phase der Altersteilzeit Arbeitslosengeld statt vorzeitiger Altersrente, so begründet es keinen “wichtigen Grund”, dass er auf diese Weise Rentenabschläge vermeidet.
Normenkette
SGB III § 128 Abs. 1 Nr. 4, § 144 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, Abs. 2 S. 2, Abs. 3, § 147a; SGB VI § 237; ATG § 1 Abs. 1, § 10 Abs. 1; BGB § 280
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 16. Dezember 2005 aufgehoben.
II. Die Klage gegen den Bescheid vom 3. März 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14. April 2003 wird abgewiesen.
III. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten sind der Eintritt einer Sperrzeit sowie das Ruhen und die Minderung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld - Alg - streitig.
Der 1942 geborene Kläger war vom 12.05.1972 bis 31.12.2002 bei der Fa S. (S) als Montagearbeiter beschäftigt. Am 14.01.1998 schloss er mit S einen Vertrag nach dem "Altersteilzeitmodell 2". Danach sollte das Altersteilzeitarbeitsverhältnis ohne Kündigung am 31.12.2002 enden. Am 20.01.2003 meldete sich der Kläger arbeitslos und beantragte am 03.02.2003 Alg.
Mit Bescheid vom 03.03.2003 setzte die Beklagte eine Sperrzeit von 12 Wochen fest. Während dieser Zeit ruhe der Anspruch. Die Sperrzeit mindere den Alg-Anspruch um 240 Tage. Der Kläger habe sein Arbeitsverhältnis selbst gelöst. Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein und führte aus, er habe ein zulässiges Altersteilzeitmodell vereinbart. Mit Widerspruchsbescheid vom 14.04.2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zielsetzung des Altersteilzeitmodells sei der gleitende Übergang in den Ruhestand gewesen. Diese Zielsetzung habe der Kläger nicht verwirklicht. Er habe mit Arbeitslosigkeit rechnen müssen. Eine Härte läge nicht vor.
Dagegen hat der Kläger mit Schreiben vom 29.04.2003 Klage zum Sozialgericht München - SG - erhoben und unter anderem ausgeführt, der Altersteilzeitvertrag sei noch während einer intakter Ehe geschlossen worden. Er und seine Ehefrau hätten sich aber im Juli 2001 getrennt. Es sei ein Scheidungsverfahren anhängig gemacht worden und seine Ehefrau habe einen Ausgleichsanspruch wegen Rentenanwartschaften von 225,67 Euro. Wegen der verminderten Rente sehe er sich veranlasst, wieder einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Diese Entwicklung sei nicht vorhersehbar gewesen.
Wegen der vom Kläger in dem Erörterungstermin beim SG abgegebenen Erklärungen wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
Mit Urteil vom 16. Dezember 2005 hat das SG die angefochtenen Bescheide aufgehoben. Bei Abschluss der Altersteilzeitvereinbarung habe der Kläger nicht voraussehen können, dass er aufgrund seiner Scheidung im Juli 2001 und den damit verbundenen Unterhaltspflichten in finanzielle Not komme, wenn er am 01.01.2003 in Rente gegangen wäre. Dem Kläger könne bezüglich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses weder grob fahrlässiges noch vorsätzliches Verhalten vorgeworfen werden. Der vorzeitige Eintritt in den Rentenstand habe dem Kläger zunächst einen wichtigen Grund gegeben, seine Arbeit aufzugeben. Durch die veränderten Umstände könne jedoch nicht von einem schuldhaften Verhalten des Klägers gesprochen werden.
Dagegen hat die Beklagte Berufung zum Bayer. Landessozialgericht - LSG - eingelegt und ausgeführt, der Kläger habe sich verspätet erst am 20.01.2003 arbeitslos gemeldet. Auch sei er nicht im Juli 2001 geschieden worden. Der Scheidungsantrag dürfte 10/02 erfolgt sein. Bei dem Rentenausgleich von 225.- Euro dürfte es sich nicht um eine monatliche Zahlung, sondern um die Übertragung der entsprechenden Rentenanwartschaft gehandelt haben. Es bleibe offen, ob mit dem Urteil auch eine Gewährung ab 01.01.2003 zugesprochen sei. Die Voraussetzungen des Sperrzeittatbestands lägen vor. Dem Kläger dürfte es darum gegangen sein, die Rentenabschlagsquote klein zu halten. Der ab 01.01.2003 zu gewärtigende Rentenzahlbetrag hätte höher gelegen als der Alg-Betrag. Der Kläger habe per 01.05.2005 und damit noch vor Ablauf der Anspruchsdauer die Altersrente mit entsprechend geringerer Abschlagsquote (nach Beschäftigung vom 07.04.2003 bis 31.01.2004) in Anspruch genommen. Es entspreche nicht der Rechtslage, dass spätere Änderungen in den Verhältnissen bei der Sperrzeit berücksichtigt würden.
Auch vor dem LSG wurde ein Erörterungstermin durchgeführt. Auf gerichtliche Anforderung...