Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Reisekostenerstattung aus Anlass der Vorsprache beim Jobcenter. Ermessensreduzierung auf Null. Berechnung der notwendigen Reisekosten. Benutzung eines PKW. verkehrsgünstige Wegstrecke
Leitsatz (amtlich)
1. Kommt ein Bezieher von Alg II einer Einladung des Jobcenters zur Vorsprache iS von § 59 SGB 2 iVm § 309 SGB 3 nach, ist das Ermessen des Jobcenter für die Erstattung der Reisekosten regelmäßig auf Null reduziert. Dies gilt auch - sofern man ein solches annehmen wollte - im Hinblick auf die Höhe der entstandenen Kosten.
2. Die notwendigen Reisekosten bei der Benutzung des eigenen Pkw bemessen sich regelmäßig anhand von § 5 Abs 1 BRKG (juris: BRKG 2005) (0,20 EUR je gefahrenem Kilometer).
3. Maßgeblich ist die verkehrsgünstigste - nicht zwingenderweise die kürzeste - Strecke, wenn nachvollziehbare Gründe für deren Benutzung vorliegen.
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 19.07.2010 aufgehoben. Der Bescheid vom 21.01.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.03.2010 wird abgeändert und der Beklagte verurteilt, der Klägerin weitere 3,26 € zu zahlen.
II. Der Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Reisekosten zu einem Termin der Klägerin beim Beklagten am 21.01.2010.
Die Klägerin bezog vom Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II -Alg II-) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Mit Schreiben vom 13.01.2010 lud der Beklagte die Klägerin zu einer persönlichen Vorsprache für den 21.01.2010 ein. Sie solle aktuelle Unterlagen/Bescheide zum Rentenantrag ihres Ehemannes mitbringen. Es handele sich um eine Einladung nach § 59 SGB II iVm § 309 Abs 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Unter bestimmten Voraussetzungen könnten Reisekosten erstattet werden. Entsprechend sprach die Klägerin vor und beantragte die Erstattung der im Zusammenhang mit der Benutzung ihres privaten Pkws angefallenen Fahrtkosten. Der Beklagte bewilligte darauf mit Bescheid vom 21.01.2010 einen Betrag von 5,34 € "aus dem Vermittlungsbudget (Reisekosten zum Vorstellungsgespräch)".
Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein. Bei früheren persönlichen Vorsprachen seien unter Zugrundelegung der einfachen Entfernung von 22 km in Anlehnung an § 5 Abs 1 Bundesreisekostengesetz (BRKG) eine Wegstreckenentschädigung in Höhe von 0,20 € je km, mithin 8,80 € je wahrgenommenem Termin gewährt worden. Die nunmehr vorgenommene Berechnung nach einer angeblichen internen Dienstanweisung nur noch anhand der reinen Treibstoffkosten und der angeblich kürzesten Entfernung sei nicht hinnehmbar. Betriebskosten eines PKW bestünden nicht nur aus Treibstoffkosten. Zudem betrage die kürzeste Entfernung zwischen der Wohnung der Klägerin und dem Beklagten nicht 19,46 km, sondern 21,2 km. Es handele sich um eine bei winterlichen Verhältnissen nicht zumutbare und auch zeitlich deutlich längere Strecke. Die Strecke über J. betrage 22,9 km.
Mit Widerspruchsbescheid vom 31.03.2010 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Gemäß § 16 Abs 1 Satz 2 SGB II in Verbindung mit § 45 SGB III könnten Arbeitslose aus dem Vermittlungsbudget der Agentur für Arbeit bei der Anbahnung oder Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung gefördert werden, wenn diese für die berufliche Eingliederung notwendig sei. Die Gewährung erfolge im pflichtgemäßen Ermessen. Es sei festgelegt worden, mittels Routenplaners und entsprechender Angaben zum Verbrauch des Fahrzeugs die tatsächlichen Benzinkosten zu erstatten. Damit erfolge jeweils eine individuelle Entscheidung. Der Verbrauch des Fahrzeugs und der Tageskurs des Benzinpreises seien im persönlichen Gespräch einvernehmlich festgelegt worden. Zu ermitteln sei jeweils die kürzeste Strecke, unabhängig davon, ob tatsächlich eine weitere Strecke gewählt worden sei. Mit dem Betrag von 5,34 € sei der Reisezweck erreichbar gewesen.
Mit ihrer dagegen erhobenen Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) hat die Klägerin ergänzend vorgetragen, sie sei aus Zeit- und Witterungsgründen berechtigt gewesen, die Strecke über die Autobahn mit einer Entfernung von 21,2 km zu nehmen. Eine Ermessensfehlerhaftigkeit ergebe sich auch aus dem Vergleich des im Regelsatz enthaltenen Tagessatzes von ca. 11 € zum vorenthaltenen Betrag von 3,46 €. Die Klägerin sei einer Meldepflicht nach § 59 SGB II iVm § 309 SGB III nachgekommen. Die Einladung habe nicht Vermittlungszwecken gedient, da die Klägerin auch nach Einschätzung des Beklagten aufgrund ihrer Teilzeitbeschäftigung und ihrer Pflegetätigkeit nicht zur Vermittlung verfügbar gewesen sei.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 19.07.2010 abgewiesen. Der Beklagte habe über die Übernahme der Reiskosten nach § 16 Abs 1 Satz 1 SGB II iVm § 45 SGB III ermessensfehlerfrei entschieden. Die Förderung unter Zugrundelegung der Entfe...