Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosigkeit. Beschäftigungslosigkeit. unentgeltliches Praktikum als Reisebusfahrer zur Erlangung von Fahrpraxis. Überschreitung der Kurzzeitigkeitsgrenze. gelegentliche Abweichungen. geringe Dauer. Zusammenrechnung mehrerer Beschäftigungen. grobe Fahrlässigkeit
Orientierungssatz
1. Auch ein unentgeltliches Praktikum als Reisebusfahrer zur Erlangung von Fahrpraxis kann ein die Arbeits- bzw Beschäftigungslosigkeit ausschließendes Beschäftigungsverhältnis iS von § 118 Abs 1 Nr 1 SGB 3 darstellen.
2. Bei der Prüfung der Überschreitung der Kurzzeitigkeitsgrenze des § 118 Abs 2 S 1 SGB 3 ist nicht auf die Kalenderwoche, sondern auf die Beschäftigungswoche, beginnend ab dem Tag der Aufnahme der Beschäftigung abzustellen.
3. Gelegentlich iS von § 118 Abs 2 S 1 Halbs 2 SGB 3 ist eine Abweichung, wenn sie nicht vorhersehbar war und sich innerhalb des Beschäftigungsverhältnisses nicht wiederholt. Die Fahrzeiten für eine Busreise (hier nach Wien) sind in einem Reisebusunternehmen jedoch bekannt und planbar.
4. Liegt insofern keine gelegentliche Abweichung vor, so kann offen gelassen werden, ob eine Abweichung von lediglich geringer Dauer vorgelegen hat.
5. Nach § 118 Abs 2 S 2 SGB 3 sind mehrere Beschäftigungen zur Ermittlung der durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit nur zusammenzurechnen, wenn sie gleichzeitig ausgeübt werden. Dies ist bei einzelnen hintereinander durchgeführten Busfahrten nicht gegeben.
6. Zum Vorliegen grober Fahrlässigkeit iS von § 45 Abs 2 S 3 Nr 3 SGB 10, wenn der Arbeitslose das Merkblatt "Ihre Rechte - Ihre Pflichten" (Stand Januar 1998) erhalten hat.
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 19.03.2002 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Rücknahme der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) sowie die Rückerstattung überzahlter Leistungen einschließlich überzahlter Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 3.312,06 DM.
Der ... 1971 geborene Kläger bezog nach Absolvierung eines Teiles einer Umschulungsmaßnahme zum Berufskraftfahrer und nach einer Tätigkeit als Lagerist aufgrund seines Antrages vom 10.02.1999 seit 01.02.1999 Alg (Bewilligungsbescheid vom 18.02.1999).
Anlässlich einer Außenprüfung in der Firma Reiseagentur M GmbH (iF: Fa.M) am 15.07.1999 erklärte der Geschäftsführer der Fa.M gegenüber der Beklagten, mehrere Fahrer - darunter auch der Kläger zwischen 12.02.1999 und 20.03.1999 - hätten Fahrten unentgeltlich u.a. zum Sammeln von Fahrpraxis durchgeführt. Laut der eingesehenen Fahrtenschreiberaufzeichnungen habe der Kläger in den auf den 12.02.1999 folgenden 7 Tagen mehr als 15 Stunden gearbeitet.
Angehört zur Aufnahme einer mehr als kurzzeitigen Beschäftigung bei der Fa.M und damit zum Wegfall der Arbeitslosigkeit gab der Kläger an, er habe bei der Fa.M unentgeltlich Fahrpraxis gesammelt.
Mit Bescheid vom 18.10.1999 nahm die Beklagte die Bewilligung von Alg für die Zeit vom 12.02.1999 bis 13.04.1999 ganz zurück. Der Kläger sei aufgrund seiner Tätigkeit bei der Fa.M ab 12.02.1999 bis zur erneuten persönlichen Vorsprache am 14.04.1999 nicht arbeitslos gewesen. Die überzahlten Leistungen einschließlich der geleisteten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge seien in Höhe von insgesamt 3.312,06 DM zu erstatten.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch begründete der Kläger damit, er habe die abgebrochene Umschulungsmaßnahme im Februar 1999 wieder aufnehmen können und im Rahmen dieser Maßnahme im Mai 1999 ein Praktikum bei der Fa.M ableisten sollen. Die Fa.M habe aber angeraten, bereits während der Arbeitslosigkeit Berufserfahrung zu sammeln und im Rahmen eines unentgeltlichen Praktikums Busfahrten durchzuführen. Dies stelle keine Nebenbeschäftigung dar. Er habe der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestanden, zumal er lediglich am Wochenende bzw über Fasching abwesend, aber über Handy erreichbar gewesen sei. In der Zeit vom 12.02.1999 bis 17.02.1999 sei er nach Wien und in der Zeit vom 01.04.1999 bis 05.04.1999 nach Rimini gefahren.
Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25.04.2000 zurück. Allein der zeitliche Umfang der Beschäftigung sei ausschlaggebend. Der Kläger sei mehr als 15 Stunden wöchentlich beschäftigt gewesen. Die diesbezügliche Mitteilungspflicht habe er aus dem ausgehändigten Merkblatt sowie aus dem Antragsformular gekannt und grob fahrlässig verletzt. Bis zur erneuten persönlichen Arbeitslosmeldung sei daher der Anspruch auf Alg wegen Aufnahme einer mehr als kurzzeitigen Beschäftigung entfallen.
Dagegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben und über sein bisheriges Vorbringen hinaus vorgetragen: Es sei nirgends gesetzlich geregelt, dass eine mehr als 15-stündige Tätigkeit die Arbeitslosigkeit ausschließe. Pro Kalenderwoche habe er auch nicht mehr a...