Entscheidungsstichwort (Thema)
Soldatenversorgung. Wehrdienstbeschädigung. myelo-monozytäre Leukämie. Kann-Versorgung. Zweijahreszeitraum. Infektionskrankheit. Reaktivierung. Reinfektion. Nachweis. Beweiserleichterung
Orientierungssatz
1. Zur Anerkennung einer "myelo-monozytären Leukämie" als Folge einer Wehrdienstbeschädigung im Wege der Kannversorgung gemäß § 81 Abs 6 S 2 SVG bei einem Oberstabsarzt der Bundeswehr, der im der Leukämie vorausgegangen Zweijahreszeitraum an Infektionskrankheiten erkrankte, die insbesondere auf das lymphatische System eingewirkt haben.
2. Zum Nachweis einer Infektionskrankheit, die insbesondere auf das lymphatische System eingewirkt hat (AHP 1983 Nr 121 Abs 6), im Rahmen der Kann-Versorgung nach § 81 Abs 6 S 2 SVG.
Normenkette
SVG § 81 Abs. 6 S. 2 Abs. 1, § 80 S. 1, §§ 85, 88 Abs. 1 S. 1; BVG § 9
Nachgehend
Tenor
I. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts München vom 05.03.1998 und des Bescheids vom 20.07.1993 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 02.04.1996 verurteilt, beim Kläger als WDB-Folge eine "akute myelo-monozytäre Leukämie" (ausgeheilt) anzuerkennen und ihm ab August 1991 Ausgleich bis Mai 1992 nach einer MdE von 100 v.H. und danach bis 31. Juli 1993 nach einer MdE von 60 v.H. zu gewähren.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Anerkennung einer "myelo-monozytären Leukämie" (akute Leukämie, ausgeheilt) als Folge einer Wehrdienstschädigung (WDBF) und die Gewährung eines Ausgleichs nach dem Soldatenversorgungsgesetz (SVG)/Bundesversorgungsgesetz (BVG).
Der 1954 geborene Kläger war vom 01.08.1982 bis 31.07.1993 Berufssoldat der Bundeswehr, zuletzt Oberstabsarzt. In dieser Funktion fertigte er auch Ausstriche für Differenzialblutbilder per Hand; als Ergebnisse dieser Laboruntersuchungen ergaben sich zum einen Mononukleose-Virusträger und solche, die eine andere nicht näher zu identifizierende Viruserkrankung hatten.
In der Zeit vom 17.07. bis 10.08.1987 und vom 18.08. bis zum 14.09.1987 war er arbeitsunfähig krank. Im August 1987 waren die CMV- und EBV-IgM positiv, dies wurde als Hinweis auf eine akute CMV- und EBV-Infektion angesehen. Im August 1991 wurde bei ihm eine akute myelo-monozytäre Leukämie (AML) vom FAB-Typ M4/5 diagnostiziert. Vom August 1991 bis Mai 1992 unterzog er sich einer chemotherapeutischen Behandlung im Krankenhaus M.. Seither besteht eine Vollremission der Leukämie. Der Kläger steht bis heute in keiner ärztlichen Behandlung, es erfolgt ausschließlich eine ärztliche Selbstüberwachung.
Am 09.08.1991 wurde ein WDB-Blatt wegen des Auftretens einer Herpes-Infektion (CMV/EBV) im Juli/August 1987 angelegt, die der Kläger sich im HNO-Operationssaal zugezogen habe. Der Kläger schilderte einen protrahierenden Verlauf mit langwierigem Persistieren von IgM-AK (CMV) über ein Jahr und den Ausbruch der AML im August 1991. Als zusätzliche Verursachung gab er die Stressbelastung der letzten drei Jahre als Staffelchef, Standortarzt, Truppenarzt, Vertrauensarzt, Kommandoarztvertreter und Pflegearzt an.
Mit Bescheid vom 20.07.1993 lehnte der Beklagte die Gewährung eines Ausgleichs nach § 85 Abs.1 SVG ab, weil es nicht wahrscheinlich sei, dass die "Erkrankung des hämatopoetischen Systems (AML)" wahrscheinlich auf Einflüssen des Wehrdienstes beruhe, weil in der medizinischen Wissenschaft über die Ursache dieser Gesundheitsstörung Ungewissheit bestehe. Die Voraussetzungen für eine Kann-Versorgung nach § 85 Abs.3 SVG lägen ebenfalls nicht vor, weil die CMV- und EBV-Infektion keinen zeitlichen Bezug zu der 1991 aufgetretenen AML hätten und keine schädigungsbedingten Erkrankungen darstellten.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 02.04.1996 nach Einholung eines internistisch-hämatologischen Gutachtens von Prof. Dr. E. vom 14.09.1995 zurück. Es sei nicht wahrscheinlich, dass die Belastungen des Wehrdienstes Ursache im Sinne einer wesentlichen Bedingung für diese Gesundheitsstörung sei. Eine Kann-Versorgung scheide ebenfalls aus, weil der zeitliche Abstand zwischen Virusinfektion und Ausbruch der Leukämie vier Jahre betragen habe und nicht, wie für die Kann-Versorgung erforderlich, zwei Jahre.
Im Verlauf des sich anschließenden Klageverfahrens, in dem der Kläger die Anerkennung der AML als WDB und die Gewährung von Ausgleich begehrte, wurde mit Beschluss vom 20.09.1996 der Beigeladene beigeladen.
Der von Amts wegen gehörte Sachverständige Dr. B. stellte in seinem internistischen Gutachten nach persönlicher Untersuchung des Klägers vom 18.03.1997 fest, die EBV-/CMV-Infektion/Erkrankung sei als ausgeheilt anzusehen. Nach derzeitig geltender medizinisch-wissenschaftlicher Lehrmeinung sei ein Zusammenhang mit der Leukämie nicht wahrscheinlich. Aus der Aufstellung der Laborberichte ergebe sich, dass es sich um einen atypischen ...