Entscheidungsstichwort (Thema)

gesetzliche Unfallversicherung. Arbeitsunfall. haftungsausfüllende Kausalität. unfallbedingte Versteifung im oberen Sprunggelenk. Überlastungsschaden am gegenüberliegenden Hüftgelenk. aktueller Stand der medizinischen Wissenschaft

 

Orientierungssatz

Nach dem derzeitigen Stand der medizinisch-wissenschaftlichen Forschung über die Folgen (unfallbedingter) Versteifungen im oberen Sprunggelenk gibt es keinen Beleg für das Auftreten von Überlastungsschäden am gegenüberliegenden Hüftgelenk.

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 06.07.2004 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid vom 15.03.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25.10.2000 abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 15.06.1987 Verletztenrente nach einer höheren Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) als 30 v. H..

Der 1950 geborene Kläger erlitt am 15.06.1987 bei einem Unfall einen offenen Verrenkungsbruch des linken oberen Sprunggelenks, das primär operativ versteift wurde. Da es nicht zur knöchernen Durchbauung im oberen Sprunggelenk kam, wurde am 01.09.1988 eine Re-Arthrodese erforderlich. Bei der Versteifung war es zur Außendrehung des linken Beines gekommen (Unfallklinik M. vom 21.02.1989). Die Beklagte holte ein Gutachten des Dr. M. vom 17.10.1991 ein. Er schätzte die MdE auf 30 v. H. und führte aus, die Hüftköpfe seien gering entrundet, rechts stärker als links, sie würden nicht vollständig von den subchondral vermehrt sklerosierten Pfannen bedeckt. Die Beklagte gewährte mit Bescheid vom 22.01.1992 Rente nach einer MdE von 30 v. H. wegen der Versteifung des linken oberen Sprunggelenks und weitgehender Einsteifung des linken unteren, vorderen und hinteren Sprunggelenks mit Wackelsteife und dadurch bedingter Gangstörung.

1999 wurde beim Kläger eine Hüfttotalendoprothese implantiert. Daraufhin beantragte der Kläger unter Vorlage des Berichts der Fachklinik I. 28.10.1999 - ein verstärkter Verschleiß des rechten Hüftgelenks sei zu einem Großteil Folge der alten Sprunggelenksverletzung links - eine höhere Verletztenrente als nach 30 v. H. Wegen der Beschwerden beim Gehen sei es zu einer Coxarthrose an der rechten Hüfte gekommen. Die Beklagte holte ein Gutachten des Orthopäden Dr. G. vom 02.03.2001 ein. Er führte aus, die Entstehung der Verschleißerscheinung am rechten Hüftgelenk aufgrund einer sog. Überlastung sei nicht mit Wahrscheinlichkeit zu beweisen. Mit Bescheid vom 15.03.2000 lehnte die Beklagte eine Neufeststellung ab. Im anschließenden Widerspruchsverfahren holte die Beklagte ein Gutachten des Prof. Dr. B. vom 14.06.2000 ein. Dieser hielt eine anlagebedingte Hüftdysplasie beidseits für gegeben. Ein Überlastungsschaden des rechten Hüftgelenks liege nicht vor. Daraufhin wies die Beklagte den Widerspruch mit Bescheid vom 25.10.2000 zurück.

Gegen diese Bescheide hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Augsburg (SG) erhoben und beantragt, die Beklagte zu verurteilen, Rente nach einer MdE von mehr als 30 v. H zu gewähren. Das SG hat nach Einholung von Befundberichten des Dr. U. vom 18.01.2001, des Dr. R. vom 16.06.2000 und 21.06.2001, Gutachten des Orthopäden Dr. L. vom 20.11.2001 und gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) des Dr. B. vom 14.10.2002 eingeholt. Dr. L. hat die Erkrankung des rechten Hüftgelenks für eine Erkrankung aus innerer Ursache im Sinne einer Verschleißkrankheit gehalten, die sich auf den Boden einer sich langsam entwickelnden Hüftkopferkrankung bei Durchblutungsstörung des Knochens im Sinne einer segmentalen Hüftkopfnekrose entwickelt habe. Aus den Röntgenaufnahmen 1999 seien weder eine Hüftgelenksdysplasie noch eindeutige Zeichen eines im Wachstumsalter abgelaufenen Hüftkappenabrutsches zu erkennen. Die Erkrankung des rechten Hüftgelenks sei nicht auf den Arbeitsunfall zurückzuführen. Dr. B. hat nach Einholung einer Ganganalyse durch die Orthopädie-Schuhtechnik M. S. vom 10.09.2002 ausgeführt, aus der Ganganalyse ergebe sich ein deutlicher Hinweis für eine Mehrbelastung des rechten Beines beim Gehen mit normalen Konfektionsschuhen. Dies könne am ehesten erklärt werden durch die etwas ungünstige Versteifung in Spitzfußstellung im oberen Sprunggelenk und die inkomplette und schmerzhafte Teilversteifung des unteren Sprunggelenks. Nachdem zwischen dem Unfallereignis und der Notwendigkeit, eine Hüftprothese einzusetzen, zwölf Jahre vergangen seien, andererseits in den zwölf Jahren im Vergleich zur Gegenseite eine 1,62 fache Mehrbelastung auf das rechte Bein einwirkte, ergebe sich rechnerisch, dass die Hüftendoprothese ohne diese Mehrbelastung erst nach 19,4 Jahren, also rund sieben Jahre später, erforderlich gewesen sei. Gegen diese Hypothese der Mehrbelastung spreche, dass die Kniegelenke radiologisch keinen Unterschied im Verschleiß zeigten. Da im Jahr 1991 ein leichter Mehrverschleiß der rechten Hüfte festzustelle...

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