Entscheidungsstichwort (Thema)

Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit aus der gesetzlichen Rentenversicherung bei einer psychischen Erkrankung. Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zu den Voraussetzungen einer Erwerbsminderungsrente.

2. Psychische Erkrankungen können erst dann rentenrechtlich relevant werden, wenn trotz adäquater Behandlung (medikamentös, therapeutisch, ambulant oder stationär) davon auszugehen ist, dass der Versicherte die psychischen Einschränkungen weder aus eigener Kraft noch mit ärztlicher oder therapeutischer Hilfe dauerhaft überwinden kann.

 

Orientierungssatz

1. Zum Leitsatz 2 vgl BSG vom 12.9.1990 - 5 RJ 88/89 und vom 29.3.2006 - B 13 RJ 31/05 R = BSGE 96, 147 = SozR 4-2600 § 102 Nr 2 sowie LSG München vom 12.10.2011 - L 19 R 738/08, vom 30.11.2011 - L 20 R 229/08, vom 18.1.2012 - L 20 R 979/09, vom 15.2.2012 - L 19 R 774/06, vom 21.3.2012 - L 19 R 35/08, vom 26.3.2015 - L 19 R 1043/11 sowie vom 18.3.2015 - L 19 R 956/11.

2. Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 SGB 6 besteht nicht, wenn der zuletzt ausgeübte Beruf noch mindestens 6 Stunden täglich ausgeübt werden kann. Hierbei ist unerheblich, ob die beim Versicherten zu berücksichtigenden qualitativen Einschränkungen auch in seinem konkreten Arbeitsverhältnis umsetzbar wären. Es ist vielmehr auf vergleichbare Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt abzustellen.

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten hin wird das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 09.04.2014 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid vom 01.02.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.04.2013 abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob der Kläger gegen die Beklagte aufgrund seines Antrags vom 27.11.2012 einen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit hat.

Der 1956 geborene Kläger hat den Beruf eines Bauschlossers erlernt und war in diesem Beruf auch versicherungspflichtig beschäftigt. Zuletzt war er als Qualitätskontrolleur bei der Firma F. GmbH & Co. KG tätig. Das Arbeitsverhältnis besteht wohl noch fort. Seit Januar 2008 ist dem Kläger ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 zuerkannt, der mit Änderungsbescheid vom 20.02.2013 des Zentrum Bayern Familie und Soziales - Versorgungsamt Würzburg - auf 70 erhöht wurde (Einzel-GdB für psychische Leiden von 50).

In der Zeit vom 31.07.2012 bis 04.09.2012 befand sich der Kläger in einer stationären medizinischen Reha-Maßnahme im Klinikum Bad B., Abteilung Psychosomatik, aus der er als arbeitsfähig sowie mit einem Leistungsbild von mehr als sechs Stunden täglich sowohl für die letzte Tätigkeit als Qualitätskontrolleur als auch für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen entlassen wurde. Empfohlen wurde die Fortführung der ambulanten Psychotherapie, bei Bedarf Physiotherapie sowie das selbständige Fortführen des Entspannungstrainings und der erlernten krankengymnastischen Übungen, dosierte sportliche Betätigung und Bewegung, weitere Gewichtsreduktion.

Am 27.11.2012 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente wegen Depressionen, Asthma, Prostataerkrankung, Rücken-, Hüft- und Knieschmerzen. Er habe sehr viel Stress und stehe immer unter Druck (Angst, Versagen, Selbstmordgedanken - könne seine Schulden und laufende Zahlungen nicht mehr schaffen). Er sei immer müde und niedergeschlagen. Nach Beiziehung ärztlicher Unterlagen holte die Beklagte ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten von Dr. M. ein, der am 08.01.2013 zu dem Ergebnis gelangte, dass der Kläger sowohl seine letzte Tätigkeit als auch Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes noch mindestens sechs Stunden täglich unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen verrichten könne. Die Beklagte lehnte daraufhin mit streitgegenständlichem Bescheid vom 01.02.2013 eine Rentengewährung ab.

Der hiergegen am 28.02.2013 eingelegte Widerspruch wurde nach Beiziehung weiterer ärztlicher Unterlagen mit Widerspruchsbescheid vom 03.04.2013 als unbegründet zurückgewiesen.

Zur Begründung der hiergegen am 18.04.2013 zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhobenen Klage hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers darauf hingewiesen, dass die zahlreichen gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers sehr wohl zu einer quantitativen Leistungsminderung führen würden. Ebenso seien die Kriterien der Berufsunfähigkeit nach § 240 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VI - erfüllt. Aus dem Änderungsbescheid des ZBFS Unterfranken vom 20.02.2013 ergebe sich eindrucksvoll, dass beim Kläger Erkrankungen auf den unterschiedlichsten Fachgebieten vorlägen. Es erscheine nicht möglich, dass der Kläger seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Qualitätskontrolleur noch dauerhaft über sechs Stunden je Arbeitstag ausüben könne. Diese Tätigkeit setze gute bis sehr gute k...

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