rechtskräftig
Verfahrensgang
SG Würzburg (Entscheidung vom 03.04.1996; Aktenzeichen S 7 Vs 530/92) |
Tenor
I. Das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 03.04.1996 und der Bescheid vom 06.02.1992 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21.08.1992 werden aufgehoben.
II. Der Beklagte wird verurteilt, für die Behinderungen der Klägerin ab 07.02.1991 einen Gesamt-GdB von 100 festzustellen und die Merkzeichen B und aG zuzuerkennen.
III. Der Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob bei der Klägerin ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 statt 60 und die Merkzeichen B und aG vorliegen.
Bei der am ...1945 geborenen Klägerin stellte der Beklagte erstmals mit Bescheid vom 12.02.1981 eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 vH wegen der Behinderungen "Wirbelsäulenschmerzsyndrom, Depression" fest.
Mit Abhilfebescheid vom 15.12.1982 hob der Beklagte die MdE auf 40 vH an und stellte die Behinderungen wie folgt fest: "Rheumatische Disposition bei pos.HLA B 27 mit rezidivierenden Ansatztendinosen, Fehlstellung der Brust- und Lendenwirbelsäule, sogenanntes Schulterblattkrachen beiderseits".
Auf einen Verschlimmerungsantrag der Klägerin vom 24.11.1986 hin traf der Beklagte mit Änderungsbescheid vom 07.05.1987 mit einem GdB von 50 folgende neue Feststellungen: 1. Rheumatische Disposition bei pos. HLA B 27 mit rezidivierender Ansatztendinose. Fehlhaltung der Brust- und Lendenwirbelsäule mit Spondylarthrose, Veränderungen beider Ileosacralgelenke, Immunvaskulitis. 2. Chronische Otitis media mesotympanalis links nach traumatischer Trommelfellperforation links, Tympanoplastik und Revision. 3. Ulcus duodeni und ventriculi. 4. Funktionseinschränkung der Schultergelenke bei Periarthritis humeroscapularis, sogen. Schulterkrachen.
Am 12.05.1989 begehrte die Klägerin die Neufeststellung ihrer Behinderungen wegen ständiger starker Schmerzzustände mit zum Teil anhaltenden Lähmungserscheinungen an den Beinen. Der Beklagte ließ die Klägerin von dem Nervenarzt Dr ... und von Dr ... untersuchen (Gutachten vom 18.05.1990 und 10.07. 1990). Die Gutachter waren sich darin einig, dass das vorliegende Schmerzsyndrom im bisherigen Bescheid Punkt 1 (ohne GdB-Erhöhung) zu bewerten sei. Der Beklagte lehnte mit Bescheid vom 02.08.1990 eine Neufeststellung ab und bezeichnete die Behinderungen "im Wege der Klarstellung" wie folgt: 1. Rheumatische Disposition bei positivem HLA B 27 mit rezidivierender Ansatztendinose, Fehlhaltung der Brust- und Lendenwirbelsäule mit Spondylarthrose, Veränderungen beider Iliosacralgelenke, Immunvasculitis, Schmerzsyndrom. 2. Chronische Otitis media mesotympanalis links nach traumatischer Trommelfellperforation links, Tympanoplastik 1983 und Revision 1984. 3. Ulcus duodeni und ventriculi. 4. Funktionseinschränkung der Schultergelenke bei Periarthritis humero scapularis.
Einen weiteren Antrag der Klägerin auf Erhöhung des GdB wegen Verschlimmerung vom 07.02.1991 sowie auf Zuerkennung des Merkzeichens aG lehnte der Beklagte nach ärztlicher Stellungnahme nach Aktenlage mit Bescheid vom 18.04.1991 ab. Im Widerspruchsverfahren hob der Beklagte nach einer nervenärztlichen Untersuchung durch Dr ... (Gutachten vom 26.08.1991) und Einholung einer versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr ... vom 11.10.1991 sowie Anhörung der Klägerin mit Bescheid vom 06.02.1992 den Bescheid vom 18.04.1991 im Wege der Abhilfe auf und stellte nach § 48 Abs.3 Sozialgesetzbuch (SGB) Zehntes Buch (X) fest, dass die Bescheide vom 15.12.1982, 07.05.1987, 02.08.1990 und 18.04.1991 rechtswidrig gewesen seien. Als Behinderungen stellte er nunmehr fest: 1. Funktionelle Störungen bei abnormer Persönlichkeitsentwicklung mit depressiven Zügen. 2. Chronische Otitis media mesotympanalis links nach traumatischer Trommelfellperforation links, Tympanoplastik 1983 und Revision 1984. 3. Ulcus duodeni und ventriculi. 4. Funktionseinschränkung der Schultergelenke bei Periarthritis humero-scapularis. 5. Wirbelsäulen-Syndrom.
Die bisherige Behinderung zu Nr 1 im Bescheid vom 02.08.1990 behielt der Beklagte aus Rechtsgründen bei. Zur Begründung gab er an, in den Bescheiden vom 15.12.1982, 07.05.1987, 02.08.1990 und 18.04.1991 sei eine rheumatische Erkrankung zu Unrecht festgestellt worden. Dies gehe auf die diagnostisch unrichtige Einordnung der Befunde durch einen Anästhesiologen zurück, der sich ausschließlich auf die serologisch-immunologische Diagnostik gestützt habe. Die klinische Diagnosestellung durch den zuständigen Nervenarzt ergebe stattdessen "funktionelle Störungen bei abnormer Persönlichkeitsentwicklung mit depressiven Zügen". Der GdB sei richtig bewertet und betrage weiterhin 50. Eine Rücknahme der Bescheide vom 15.12.1982, 07.05.1987, 02.08.1990 und 18.04.1991 sei nicht zulässig, da bereits zwei Jahre seit Bekanntgabe der Verwaltungsakte vergangen seien. Deshalb werde die rechtswidrig festgestellte Behinderung auch weiterhin in den Bescheid auf...