Entscheidungsstichwort (Thema)
Soziale Pflegeversicherung. Pflegeheim. gesonderte Berechnung der betriebsnotwendigen Investitionsaufwendungen gegenüber Heimbewohnern. öffentliche Förderung. private Zuwendungen. § 74 Abs 1 S 1 der bayerischen Verordnung zur Ausführung der Sozialgesetze
Leitsatz (amtlich)
Eine landesrechtliche Regelung, durch welche dem Träger einer stationären Pflegeeinrichtung die gesonderte Berechnung und Umlage betriebsnotwendiger Investitionsaufwendungen auf die Heimbewohner nach § 82 Abs 3 S 3 SGB XI nur insoweit gestattet wird, als sie sowohl durch Zuwendungen und Zuschüsse der öffentlichen Hand wie auch durch Zuwendungen Dritter nicht vollständig gedeckt sind, verstößt nicht gegen höherrangiges Recht.
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen den das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 09. Juli 2014 wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Zustimmung des Beklagten zur gesonderten Berechnung von Abschreibungen auf Gebäude und Anlagegüter, welche mit Zuwendungen und Spenden Dritter finanziert wurden, zulasten der Bewohner einer stationären Pflegeeinrichtung des Klägers streitig.
Der Kläger, ein zum Diakonischen Werk Bayern gehörender regionaler Verbund, betreibt unter anderem die vollstationäre Pflegeeinrichtung "E. W. " in A-Stadt. Es besteht ein Versorgungsvertrag nach § 72 SGB XI mit dem Landesverband der Pflegekassen in Bayern. Das W. wurde vom Beklagten öffentlich gefördert im Sinne von § 9 SGB XI. Die Abschreibungen für die hiervon getätigten Investitionen liefen im streitgegenständlichen Zeitraum fort. In der Zeit von 1980 bis 2005 investierte der Kläger neben den öffentlichen Fördermitteln weitere Zuwendungen Dritter (Zuwendungen des Deutschen Hilfswerks, einer gemeinnützigen Stiftung bürgerlichen Rechts sowie private Spenden) im Umfang von insgesamt 937.947,72 € in den Erhalt respektive Ausbau von betriebsnotwendigen Gebäuden des Pflegestifts sowie in die Anschaffung sonstiger Anlagegüter. Hiervon war im streitgegenständlichen Zeitraum unter Anrechnung verbrauchter Investitionen ein Betrag von 843.409,86 € abschreibungsfähig.
Der Antrag des Klägers auf Zustimmung zur gesonderten Berechnung betriebsnotwendiger Investitionskosten nach § 82 Abs. 3 S. 3 SGB XI für den Zeitraum von 01.09.2010 bis 31.08.2014 ging am 04.11.2009 beim Beklagten ein. Der zunächst mit 9,52 € bzw. 9,74 € pro Tag und Pflegeplatz bezifferte Investitionsaufwand wurde unter dem Datum vom 04.03.2010 nun i.H.v. 8,09 € geltend gemacht.
Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 25.08.2010 stimmte der Beklagte einer Berechnung lediglich in Höhe von 7,57 € zu. Im Wesentlichen maßgeblich hierfür war der Umstand, dass unter Berufung auf die Vorschrift des § 74 Abs. 1 S. 1 der bayerischen Verordnung zur Ausführung der Sozialgesetze - AVSG - der geltend gemachten Investitionsaufwand nicht nur unter Berücksichtigung der staatlichen Förderungen sondern auch unter Abzug der abschreibungsfähigen Zuwendungen Dritter berechnet wurde. Mit dem hiergegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger die Unvereinbarkeit dieser Vorschrift mit Bundesrecht, mit dem Grundgesetz wie auch der bayerischen Verfassung geltend. Sämtliche Zuwendungen Dritter seien als umlagefähige Aufwendungen in die Berechnung einzustellen. Der zu genehmigende Betrag wurde nunmehr mit 9,18 € angegeben.
Mit Bescheid vom 07.06.2011 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Der Bundesgesetzgeber habe den Landesregierungen Kontroll- und Beanstandungsfunktion übertragen. Um das Kostenrisiko für den Pflegebedürftigen zu verringern müsse eine Doppelfinanzierung des Heimträgers ausgeschlossen werden. Aus diesem Grund sei die Refinanzierung über Zuwendungen Dritter analog einer staatlichen Förderung zu behandeln. Ein Verstoß des § 74 Abs. 1 S. 1 AVSG gegen Bundes- oder gar Verfassungsrecht liege nicht vor.
Gegen diese Entscheidung erhob der Kläger durch seinen Bevollmächtigten am 14.07.2011 Klage zum Sozialgericht Bayreuth (SG). § 74 Abs. 1 S. 1 AVSG könne nur so verstanden werden, dass Zuwendungen aus dem öffentlich-rechtlichen Rechtskreis wie öffentliche Förderungen zu behandeln seien, private Zuwendungen jedoch nicht in Abzug gebracht werden könnten. Anderenfalls wäre die entsprechende Vorschrift nichtig, da sie weder mit Bundesrecht noch mit den Grundrechten auf Eigentum, Berufsfreiheit und Gleichbehandlung vereinbar wäre.
Nachdem das Bundessozialgericht mit Urteil vom 08.09.2011 Erbbauzinsen als umlagefähige, betriebsnotwendige Investitionsaufwendungen angesehen hatte, stellte der Beklagte mit Änderungsbescheid vom 05.03.2012 die umlagefähigen Investitionsaufwendungen nunmehr mit 7,68 € pro Tag und Platz fest.
Mit Antrag vom 10.03.2012 leitete der Kläger ein Verfahren nach Art. 98 S. 4 BV (sog. Popularklage) beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof (BayVerfGH) auf Feststellung der Ve...