Leitsatz (amtlich)
1. Bei Bescheiden der Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII handelt es sich meist um ein Regelungsbündel. Es sind zu unterscheiden eine Grundlagenentscheidung für Grund- und Bereitschaftspflege, über das (meist gekürzte) Pflegegeld und eine Zusage auf konkrete Leistungen bei der Inanspruchnahme der gewählten Versorgungsform.
2. Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII wird meist als Grundlagenbescheid bewilligt; die Form der Leistung erfolgt als Zusage eventuell nach § 32 Abs. 2 SGB X befristet.
3. Bescheide über Folgezeiträume führen zur Erledigung vorangegangener Bescheide. Diese sind in ihrem Regelungsgehalt zeitlich begrenzt und lehnen nicht Leistungen für Folgezeiträume ab.
4. Eine Gestaltung des Inhalts, dass die Nebenbestimmung aufgehoben wird, führt bei einer echten Befristung auch nicht zur Herstellung eines zeitlich unbegrenzten Anspruchs.
5. Zur Anwendung der Verfahrensvorschriften der gesetzlichen Pflegeversicherung in Verfahren der Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII.
Orientierungssatz
Zur Hilfe zur Pflege in ambulant betreuten Wohnen
Zur Auslegung von Bewilligungsbescheiden der Hilfe zur Pflege
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 20. Mai 2016 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid vom 23. März 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. Juni 2015 abgewiesen.
II. Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
III. Die Beklagte hat dem Kläger keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Bewilligung von Leistungen der Hilfe zur Pflege nach dem Siebten Kapitel des Sozialgesetzbuches Zwölftes Buch (SGB XII) auf Dauer und nicht auf jeweils ein Jahr befristet (hier zunächst vom 01.04.2015 bis zum 31.03.2016).
Der 1964 geborene Kläger ist seit einer Fraktur der Halswirbelkörper im November 1989 inkomplett querschnittsgelähmt (sog. Tetraplegie) und leidet daher an einer den ganzen Körper betreffenden Muskelatrophie (Muskelschwund).
Die Beklagte leistete seit ca. dem Jahr 2009 Sozialhilfe, unter anderem Hilfe zur Pflege, auch unter Einbezug von Pflegebereitschaftszeiten. Denn der Kläger ist nicht stationär untergebracht und wohnt seit 2012 mit seiner Lebensgefährtin zusammen. Der Bescheid über Hilfe zur Pflege regelt jeweils den Zeitraum von April bis einschließlich März des Folgejahres.
Die letzten Feststellungen zum Pflegebedarf traf das Referat für Gesundheit und Umwelt der Beklagten im Februar 2012 nach Aktenlage, unter anderem in Kenntnis des letzten Pflegegutachtens des MDK vom 12.09.2005. Ein noch älteres Pflegegutachten datiert vom 28.08.1995. Schon damals hielt der MDK eine Nachuntersuchung des Klägers nicht für erforderlich.
Mit hier streitbefangenem Bescheid vom 23.03.2015 bewilligte die Beklagte dem Kläger auf seinen Antrag vom März 2015 hin vorläufig für die Zeit vom 01.04.2015 bis 31.03.2016 Grundpflege von täglich fünf Stunden und hauswirtschaftliche Versorgung von täglich bis zu einer Stunde so wie Pflegebereitschaft von täglich bis zu 14 Stunden und 30 Minuten, an Tagen, in denen die Werkstatt für Menschen (WfbM) mit Behinderung nicht besucht werde und Pflegebereitschaft von täglich bis zu 8 Stunden und 30 Minuten an Tagen, an denen die WfbM tatsächlich besucht werde. Weiter wurde ein gekürztes Pflegegeld i.H.v. monatlich 128 € bewilligt. Der Bescheid enthielt eine Zustimmung zur gewählten Versorgungsform und Hinweise über die Zahlung der zu erbringenden Dienste. Die vorläufige Bewilligung erfolgte, da die Beklagte der Rechtsauffassung war, für die Erbringung der Leistungen unzuständig zu sein, da Leistungen vorrangig von anderen Leistungsträgern zu erbringen seien. Die Regierung von Oberbayern wies den wegen der Befristung erhobenen Widerspruch mit Bescheid vom 30.06.2016 zurück. Diese führte dazu an, dass es sich bei der Sozialhilfe nicht um eine rentengleiche wirtschaftliche Dauerleistung handele, sondern um Hilfe für eine bestimmte Person in einer bestimmten Notsituation.
Der Kläger hatte schon am 08.09.2014 Klage wegen des Bescheides für die vorangegangene Bewilligungsperiode (Bescheid vom 19.03.2014) erhoben. In der mündlichen Verhandlung vor dem SG hat der Kläger dort beantragt: "die Befristung im Bescheid vom 19.03.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.08.2014 in der Fassung der Bescheide vom 05.03.2015 und 23.03.2015 aufzuheben". Mit Urteil vom 2. Juli 2015 hatte das SG "die Befristung auf 31.03.2015 im Bescheid vom 19.03.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.08.2014 in der Fassung des Bescheids vom 05.03.2015 aufgehoben" und im Übrigen die Klage abgewiesen.
Am 03.08.2015 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht München (SG) gegen die im Bescheid vom 23.03.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.06.2015 enthaltene Befristung erhoben. Der Kläger wendet sich auch im vorliegenden Verfahren ausschließlich gegen die Befristung (zum 31. M...