Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückerstattung von Arbeitslosengeld. Vertrauensschutz. Entreicherung
Leitsatz (redaktionell)
1. Dem Wegfall der Leistung i.S.v. § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB X steht es gleich, wenn sie lediglich zum Ruhen gekommen ist.
2. Die Rücknahmemöglichkeit, die auf die Einkommenserzielung gründet, ist auf den Zahlbetrag der ruhensbegründenden Leistung beschränkt, da es mit dem in § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB X zu Grunde liegenden Vertrauensschutzgedanken nicht zu vereinbaren wäre, eine Erstattungspflicht zu begründen, die über den Wert der Leistung hinausgeht, die die Rücknahmemöglichkeit eröffnet.
3. Die Frage der Entreichung des Klägers durch die Überzahlung spielt keine Rolle.
Normenkette
SGB X § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 3; SGB III § 142 Abs. 1 Nr. 3
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 12. November 2002 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig sind die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld vom 1. Dezember 1998 bis 31. März 1999 und die Rückerstattung der Leistung.
Der 1940 geborene Kläger bezog von der Beklagten vom 20. Oktober 1997 bis 8. März 1998 Arbeitslosengeld und vom 9. März 1998 bis 13. August 1998 von der AOK Bayern Krankengeld.
Auf seinen Antrag auf Fortzahlung des Arbeitslosengeldes und der Arbeitslosmeldung vom 27. Juli 1998 gewährte die Beklagte mit Bescheid vom 18. August 1998 Arbeitslosengeld ab 14. August 1998 (217,14 DM wöchentlich, ab 1. Januar 1999 215,32 DM wöchentlich). Mit Bescheid der (damaligen) LVA Unterfranken vom 28. Oktober 1998 erhielt der Kläger Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 1. Februar 1998 in Höhe von monatlich 977,15 DM; die laufenden Zahlungen begannen ab 1. Dezember 1998. Die LVA Unterfranken unterrichtete die Beklagte hiervon mit Schreiben vom 28. Oktober 1998, das dort am 6. November 1998 einging.
Die Beklagte machte mit Schreiben vom 11. November 1998 gegen die LVA Unterfranken einen Erstattungsanspruch für die Zeit vom 1. Februar 1998 bis 8. März 1998 in Höhe von 1.428,11 DM geltend. Mit dem weiteren Schreiben vom gleichen Tag setzte sie den Kläger von der Aufhebung der Bewilligungsentscheidung und die beim Rentenversicherungsträger geltend gemachte Erstattung in Kenntnis. Die Zahlung von Arbeitslosengeld wurde zum 1. April 1999 eingestellt.
Die Beklagte hörte den Kläger mit Schreiben vom 20. Juli 1999 zu der beabsichtigten Rückforderung der Überzahlung des Arbeitslosengeldes an. Er antwortete, dass er wegen der Überzahlung nach Erhalt des Rentenbescheides fünfmal beim Arbeitsamt S. auf die Überzahlung hingewiesen habe; ihm sei klar, dass er das Geld zurückzahlen müsse.
Mit Bescheid vom 28. September 1999 hob die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab 14. August 1998 auf und forderte die Erstattung des vom 14. August 1998 bis 31. März 1999 gezahlten Arbeitslosengeldes in Höhe von 7.111,20 DM.
Der Kläger erklärte sich am 4. Oktober 1999 schriftlich mit der Rückzahlung einverstanden, bat jedoch um Ratenzahlung. Sein Prozessbevollmächtigter legte am 8. Oktober 1999 gegen den Bescheid Widerspruch ein. Die Beklagte treffe ein Mitverschulden an der Überzahlung, der Kläger habe das Arbeitslosengeld gutgläubig verbraucht und sei insoweit entreichert. Die Rückforderung sei für ihn eine unbillige Härte, es liege ein sog. atypischer Fall vor, der eine Aufhebung nur für die Zukunft erlaube.
Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 28. März 2000 den Widerspruch zurück. Auch wenn sie versäumt habe, den laufenden Leistungsbezug zu beenden, müsse die Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit ab 14. August 1998 aufgehoben werden. Das nachträglich erzielte Einkommen führe zum Ruhen des Leistungsanspruchs und dem Kläger sei auch bewusst gewesen, dass ihm das Arbeitslosengeld aufgrund der Rentenbewilligung nicht mehr zugestanden habe. Eine Ermessensausübung sei nicht durchzuführen. Der Kläger könne jedoch Stundung beantragen.
Sein Prozessbevollmächtigter hat mit der Klage vom 14. April 2000 beim Sozialgericht München (SG) u.a. geltend gemacht, der Leistungsanspruch auf Arbeitslosengeld habe erst ab 1. Dezember 1999 geruht. Für den davor liegenden Zeitraum sei eine Rückforderung ausgeschlossen. Die gesetzliche Regelung, die eine rückwirkende Rücknahme der Bewilligung von Arbeitslosengeld wegen wesentlicher Änderung ohne Ermessensausübung zulasse, sei verfassungswidrig; sie verstoße gegen das Willkürverbot und das Rechtstaatsprinzip.
Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 17. August 2000 entgegnet, wegen der laufenden Rentengewährung erst ab 1. Dezember 1998 ruhe der Anspruch auf Arbeitslosengeld ab diesem Zeitpunkt. Der Erstattungszeitraum sei daher auf die Zeit vom 1. Dezember 1998 bis 31. März 1999 - bis zu diesem Tag sei Arbeitslosengeld gezahlt worden - begrenzt. Entgegen dem Klägerbevollmächtigten sei die gesetzliche Regelung nicht verfassungswidrig. Ein Erlass der Rückforderung komme nicht in...