Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsärztliche Versorgung. Zulassungsentziehung wegen Falschabrechnungen. Annahme gröblicher Pflichtverletzungen. Tatsachenfeststellungen in anderen bestandskräftigen Entscheidungen und deren Inhalt

 

Leitsatz (amtlich)

1. Falschabrechnungen eines Vertragsarztes können einen Grund für eine Zulassungsentziehung darstellen.

2. Die Annahme gröblicher Pflichtverletzungen kann sich auch auf Tatsachenfeststellungen in anderen bestandskräftigen Entscheidungen und deren Inhalt stützen. Dies gilt bezüglich Strafurteilen auch dann, wenn diese auf einer Verständigung gemäß § 257c StPO beruhen.

 

Orientierungssatz

1. Zu Leitsatz 1 vgl BSG vom 21.3.2012 - B 6 KA 22/11 R = BSGE 110, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr 24 RdNr 35.

2. Zu Leitsatz 2 vgl zB BSG vom 5.5.2010 - B 6 KA 32/09 B.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 17.01.2018; Aktenzeichen B 6 KA 61/17 B)

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 17. November 2016 wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen, einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1) und 2).

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Entziehung seiner Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung.

Er ist 1954 geboren und seit dem 01.05.2001 als Internist mit Schwerpunktbezeichnung Pneumologie am Vertragsarztsitz A-Straße 11 in A-Stadt zur vertragsärztlichen Tätigkeit zugelassen.

Die Beigeladene zu 1) hat mit Bescheid vom 28.08.2013 die Honorarbescheide des Klägers für die Quartale 1/2009 bis 4/2012 bezüglich des Honoraranspruchs für Regional- und Ersatzkassen zurückgenommen und hat nach Neufestsetzung des Honorars vom Kläger eine Rückforderung in Höhe von 216.492,33 EUR wegen Falschabrechnung der GOP 01622 EBM (Kurplan/Gutachten/Stellungnahme) sowie systematischen Falschansatzes der GOP 30901 EBM (kardiorespiratorische Polysomnographie/sog. Großes Schlaflabor) geltend gemacht.

Den hiergegen eingelegten Widerspruch des Klägers hat der Widerspruchsausschuss der Beigeladenen zu 1) mit bestandskräftigem Bescheid vom 10.06.2015 zurückgewiesen. Die geltend gemachte Rückforderung ist zwischenzeitlich voll umfänglich beglichen.

Die Beigeladene zu 1) hat mit Schriftsatz vom 10.12.2013 wegen dieses Sachverhaltes Antrag auf Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen den Kläger eingestellt, das am 26.02.2014 ausgesetzt und bisher nicht wieder fortgesetzt wurde.

Mit weiterem Schreiben vom 28.06.2013 hat die Beigeladene zu 1) die Staatsanwaltschaft A-Stadt gemäß § 81a Abs. 4 SGB V über den möglichen Anfangsverdacht eines Abrechnungsbetruges unterrichtet.

In der Folge kam es zu einer Anklage beim Amtsgericht A-Stadt (vgl. Anklageschrift der Staatsanwaltschaft A-Stadt vom 30.07.2014, Aktenzeichen xxx).

Das Amtsgericht A-Stadt hat mit Urteil vom 28.04.2015, rechtskräftig seit 06.05.2015, den Kläger wegen Betruges in 16 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und hat die Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt (Aktenzeichen xxx).

Dem Urteil ging eine Verständigung zwischen Gericht und Verfahrensbeteiligten gemäß § 257c STPO voraus. Zur Begründung des Urteils wird ausgeführt, dass der Kläger im Zeitraum vom 01.01.2009 bis 31.12.2012 gegenüber der Beigeladenen zu 1) für erbrachte sog. "Große Schlaflaborleistungen" (GOP 30901 EBM) quartalsbezogen mit 16 Sammelerklärungen Leistungen in Höhe von insgesamt 175.351,08 EUR abgerechnet habe. Durch die Unterzeichnung der jeweiligen Sammelerklärung habe der Kläger bewusst wahrheitswidrig versichert, dass die Abrechnungen sachlich richtig seien und dass nur Leistungen abgerechnet worden seien, die von ihm persönlich oder, soweit delegierbar, von seinem nichtärztlichen Hilfspersonal unter seiner Überwachung erbracht worden seien. Wie der Kläger gewusst habe, sei er zur Abrechnung dieser Leistungen nicht berechtigt gewesen, da diese jeweils nicht von ihm erbracht worden seien. Zwar verfüge der Kläger über genehmigte Praxisräume für Schlaflaborleistungen in der B-Straße 7 in B-Stadt, doch sei er im dortigen Krankenhaus bzw. in dem angegliederten G. Gesundheitszentrum in der B-Straße 9 in B-Stadt nicht im Schlaflabor tätig und nicht berechtigt, die entsprechenden Räume für sich bzw. seine Patienten zu nutzen. Andere Räume seien für die entsprechende Leistungserbringung weder genehmigt worden, noch würden solche dem Kläger zur Verfügung stehen. Der Kläger habe damit nicht über entsprechende Räumlichkeiten verfügt, um die von ihm abgerechneten "Großen Schlaflaborleistungen" erbringen zu können. Auch die von ihm benutzten Geräte seien, wie der Kläger gewusst habe, nicht von der Beigeladenen zu 1) genehmigt gewesen und hätten ihn nicht berechtigt, Leistungen abzurechnen. Tatsächlich habe der Kläger gegenüber seinen Patienten zwar Leistungen erbracht, welche Kleinen Schlaflaborleistungen entsprochen hätten. Auch insoweit wäre der Kläger nicht zur Abrechnung berechtigt gewesen, weil auc...

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