Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirksamkeit einer Klagerücknahme

 

Leitsatz (amtlich)

Zu den Voraussetzungen der Anfechtung einer Klagerücknahme.

 

Orientierungssatz

1. Durch die Rücknahme der Klage wird der Rechtstreit in der Hauptsache nach § 102 Abs. 1 SGG erledigt. Zu ihrer Wirksamkeit setzt dies voraus, dass die Erklärung ausweislich der Niederschrift dem Kläger vorgelesen und von diesem genehmigt wird. Eine Anfechtung der Rücknahmeerklärung ist ausgeschlossen.

2. Ein Widerruf der Erklärung kommt nur in Betracht, wenn die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 179 SGG i. V. m. §§ 578 ff. ZPO bzw. 180 SGG gegeben sind. Eine Restitutionsklage gemäß § 581 Abs. 1 ZPO findet nur statt, wenn ein Richter bei dem Verfahren mitgewirkt hat, der sich in Beziehung auf den Rechtstreit einer strafbaren Handlung schuldig gemacht hat.

3. Die Androhung von Verschuldenskosten durch den Richter nach § 192 Abs. 1 SGG erfüllt nicht den Straftatbestand einer Nötigung, wenn das Gericht zu Recht von einer offensichtlich aussichtslosen Rechtsverfolgung durch den Kläger ausgegangen ist.

4. Die Abhängigkeit der Höhe des Beitragszuschusses nach § 106 SGB 6 zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung vom Rentenzahlbetrag ist verfassungsgemäß. Sie verstößt insbesondere nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz und die Eigentumsgarantie.

 

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 8. Oktober 2013 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten, ob der Rechtsstreit mit dem Az. S 1 R 436/12 vor dem Sozialgericht Augsburg (SG) durch Klagerücknahme erledigt oder ob dieses Verfahren fortzuführen ist.

Die 1945 geborene Klägerin war seit dem 20. Dezember 2005 über ihren Ehemann als Stammversicherten bei der H. Krankenkasse, H., krankenversichert. Sie beantragte am 3. Juli 2006 Altersrente für Frauen bei der Beklagten und gab dabei an, seit Mai 2006 laufend geringfügig beschäftigt zu sein. Die Meldung zur Krankenversicherung der Rentner sei an die H. Krankenkasse, H., weitergeleitet worden. Es werde ein Zuschuss zu den Aufwendungen zur Krankenversicherung beantragt, weil die Klägerin freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung oder bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen versichert sei.

Mit Bescheid vom 24. August 2006 bewilligte die Beklagte der Klägerin Altersrente für Frauen ab 1. Juli 2006 mit einem anfänglichen monatlichen Zahlbetrag von 391,15 Euro. Dabei ging die Beklagte davon aus, dass die Rente zum Zeitpunkt der laufenden Zahlung nicht der Kranken- und Pflegeversicherungspflicht unterliegt. Ein Beitragszuschuss wurde nicht bezahlt.

Die H. Krankenkasse hatte mit Beginn des Rentenbezugs zum 1. Juli 2006 die Voraussetzungen für eine Pflichtversicherung in der Krankenversicherung der Rentner geprüft. Diese lagen jedoch wegen fehlender Vorversicherungszeiten nicht vor. Die Klägerin blieb daher zunächst familienversichert. Im Mai 2007 gab sie gegenüber der H. Krankenkasse an, dass sie neben ihrer Rente monatliche Einkünfte aus einer geringfügigen Beschäftigung in Höhe von 180.- Euro habe. Die H. Krankenkasse entschied daraufhin mit Bescheid vom 18. Juni 2007, dass das monatliche Einkommen die Grenze für eine beitragsfreie Familienversicherung überschreite und diese daher beendet werden müsse.

Die H. Krankenkasse erklärte weiterhin gegenüber der Klägerin, sie müsse ab 1. Mai 2007 bei ihr eine freiwillige Mitgliedschaft begründen. Mit Bescheid vom 3. Juli 2007 wurde ein monatlicher Krankenversicherungsbeitrag in Höhe von 131,34 Euro festgesetzt. Hiergegen erhob die Klägerin ebenfalls Widerspruch. Dieser Beitrag auf eine Rente in Höhe von 391,15 Euro sei nicht nachvollziehbar. Das Einkommen aus der geringfügigen Beschäftigung in Höhe von 176,40 Euro sei nicht anzurechnen, da eine zweifache Belastung nicht zulässig sei. Bis zum Abschluss eines eventuellen Rechtsstreits schließe sie eine freiwillige Krankenversicherung ohne Anerkennung einer Rechtspflicht ab.

Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 18. Juli 2007 die Altersrente der Klägerin neu fest und bewilligte ihr ab 1. Mai 2007 einen Beitragszuschuss zur Krankenversicherung in Höhe von monatlich 27,19 Euro. Hiergegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 22. Juli 2007 Widerspruch mit der Begründung, sie sei bei ihrem Ehemann familienversichert. Sie teilte der Beklagten mit, dass sie gegen die Entscheidungen der H. Krankenkasse Rechtsmittel eingelegt habe. Der Widerspruch der Klägerin ruhte daraufhin.

Der Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid der H. Krankenkasse vom 18. Juni 2007, mit dem die Beendigung der Familienversicherung festgestellt worden war, die Klage zum SG unter dem Az. S 10 KR 319/07 (klageabweisendes Urteil vom 3. Februar 2009) und die Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht (L 4 KR 98/09; die Berufung zurückweisendes Urteil vom 14. April 2011) blieben ebenso erfolglos wie der Widerspruch, ...

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