Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitsunfall. Unfallmechanismus. Patellaluxation. Prädisposition

 

Leitsatz (amtlich)

Bei festgestellter innerer Ursache muss diese wertend den betriebsbedingten Ursachen gegenübergestellt werden.

 

Normenkette

SGB VII § 8; SGG § 55 Abs. 1 Nr. 3

 

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 05.04.2011 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Anerkennung des Ereignisses vom 20.03.2008 als Arbeitsunfall.

Der 1975 geborene Kläger war als biologisch-technischer Assistent bei der T.U. A-Stadt angestellt. Am 20.03.2008 stolperte er im Labor über einen Papierrollenhalter. Laut Unfallanzeige versuchte er den Sturz abzufangen, wobei das linke Bein nach außen verdreht wurde. Der Kläger zog sich eine Patellaluxation sowie den Verdacht auf eine osteochondrale Absprengung zu. Am gleichen Tag wurde eine Kernspintomographie durchgeführt, bei der ein massiver Gelenkerguss und eine kleine Baker-Zyste festgestellt wurden. Es bestehe ein Zustand nach Patellaluxation bei deutlicher Dysplasie der Kniescheibe und des Gleitlagers.

Die Beklagte zog Unterlagen eines Schulunfalls vom 19.09.1994 bei, in dem ebenfalls das linke Kniegelenk betroffen war. Am 15.07.2008 wurde eine weitere Kernspintomographie zur Kontrolle durchgeführt.

Im Auftrag der Beklagten erstattete der Chirurg Dr. H., V., am 12.09.2008 ein Gutachten zur Zusammenhangsfrage. Er kam zum Ergebnis, dass der angegebene Unfallmechanismus vom 20.03.2008 dem Tatbestand einer Gelegenheitsursache entspreche. Es sei anzunehmen, dass eine entsprechende Ausrenkung der Patella auch ohne jede äußere Einwirkung bzw. ohne das angeschuldigte Ereignis durch eine normale Verrichtung des täglichen Lebens ebenfalls eingetreten wäre. Unter Berücksichtigung des Unfallmechanismus sei zu erwarten, dass eine Patellaluxation bereits beim Hängenbleiben mit dem Fuß erfolgte. Hier sei ursächlich die vorbestehende Dysplasie der Patella und des Gleitlagers sowie das vorbestehende Gonus valgum anzunehmen. Beim Führen des Beines nach vorne sei eine spontane Reposition erfolgt.

Mit Bescheid vom 24.10.2008 lehnte die Beklagte daraufhin die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ab. Der angeschuldigte Vorgang vom 20.03.2008 stelle nicht die Ursache für die Beschwerden des linken Kniegelenks dar, sondern allenfalls eine rechtlich unwesentliche Teilursache (sog. Gelegenheitsursache) für das Erkennbarwerden einer Krankheitsanlage, die so leicht ansprechbar war, dass jedes alltäglich vorkommende, ähnlich gelagerte Ereignis in absehbarer Zeit die Beschwerden ausgelöst hätte.

Der hiergegen eingelegte Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 15.04.2009).

Hiergegen legte der Kläger am 05.05.2009 Klage beim Sozialgericht Landshut (SG) ein. Das Gericht holte Befundberichte der behandelnden Ärzte des Klägers sowie zahlreiche radiologische Befunde ein. Es ernannte den Unfallchirurgen Dr. C. zum ärztlichen Sachverständigen. Gegenüber dem Sachverständigen schilderte der Kläger den Unfallhergang wie folgt: Er habe sich mit dem linken Fuß im Gestänge des Handtuchhalters verheddert, sei gestolpert und drohte zu stürzen. Deshalb habe er versucht, mit dem linken Bein seinen Körper auszutarieren und habe einen Ausfallschritt mit dem linken Bein gemacht. Dabei habe er das linke Bein etwas verdreht, wobei er nicht sagen könne, in welche Richtung. Er sei nicht zu Boden gestürzt. Nach dem Ausfallschritt mit dem linken Bein habe er sofort einen stechenden Schmerz im linken Kniegelenk verspürt. Dr. M. führte aus, dass bezüglich der Zusammenhangsfrage zwischen dem Ereignis vom 20.03.2008 und der Patellasubluxation mit spontaner Reposition links mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen sei, dass es sich um eine sog. habituelle Patellaluxation gehandelt habe. Von der Beschreibung des Unfallmechanismus her müsse man mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass ein Ausfallschritt im Rahmen eines versehentlichen Stolperns keinen Unfallmechanismus darstelle, der mit genügender Wahrscheinlichkeit zu einer Kniescheibenluxation ohne vorbestehende prädisponierende anatomische Faktoren führen könnte. Zumindest drei Faktoren seien beim Kläger relativ ausgeprägt, nämlich die Abflachung der Gleitrinne der Kniescheibenoberschenkelknochen, die Fehlbildung der Kniescheibe und auch ein deutlicher Kniescheibenhochstand.

Auf Antrag des Klägers erstellte der Orthopäde Dr. L. am 12.02.2011 ein weiteres Gutachten. Ihm gegenüber schilderte der Kläger den Unfallhergang wie folgt: Er habe das linke Bein unter den Papierrollenhalter geschoben und sei in einer verdrehten Fußstellung am Fuß des Papierrollenhalters hängen geblieben, wobei das Knie verdreht wurde. Im Augenblick der Vorwärtsbeugung sei sowohl das Knie leicht gebeugt als auch verdreht gewesen. Er habe, um sich befreien zu können, dann das linke Bein aus dieser misslichen Lage herausgezogen und auch belastet. Er konnte nich...

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