Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Arbeitsunfall. Unfallbegriff. äußeres Ereignis. immanente Unfreiwilligkeit der schädigenden Einwirkung. besondere Kraftanstrengung. haftungsbegründende Kausalität. Achillessehnenruptur

 

Orientierungssatz

Die dem Begriff des Unfalls immanente Unfreiwilligkeit der Einwirkung ist auch dann erfüllt, wenn gewolltes Handeln zu einer ungewollten Einwirkung führt. Daher stellt zB bereits die Kraft, die zum

(An-)Schieben eines schweren Servicewagens (ca 1100 kg) erforderlich ist, ein äußeres Ereignis im Sinne des Unfallbegriffes der gesetzlichen Unfallversicherung dar.

2. Zur Anerkennung einer Achillessehnenruptur als Folge eines Arbeitsunfalls.

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 07.11.2005 sowie der Bescheid der Beklagten vom 25.11.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.05.2004 aufgehoben.

II. Es wird festgestellt, dass das Ereignis vom 15.11.2002 ein Arbeitsunfall und die Ruptur der Achillessehne links Unfallfolge ist.

III. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Instanzen zu erstatten.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Anerkennung des Ereignisses am 15.11.2002 als Arbeitsunfall.

Der 1957 geborene Kläger ist Lackierer. Am Unfalltag schob er einen schweren Servicewagen (ca. 1100 kg). Dabei spürte er einen plötzlichen Schlag in der linken Wade und ein knallendes Geräusch. Anschließend hatte er starke Schmerzen im Bereich der Wade und der Achillessehne. Der Durchgangsarzt Dr. W. diagnostizierte im Durchgangsarztbericht vom 18.11.2002 eine ursprungsnahe Achillessehnenteilruptur links. Die Ruptur wurde am 18.11.2002 operativ genäht.

Zur Aufklärung des Sachverhalts zog die Beklagte einen Bericht des Durchgangsarztes Dr. W. vom 19.02.2003 bei, in dem dargelegt wird, dass beim Kläger ein histologisch frisches Trauma nachvollzogen werden konnte und keinerlei Hinweise auf vorbestehende degenerative Veränderungen bestanden. Der Wagen sei ca. 1,1 Tonnen schwer gewesen. Dem D-Arztbericht war beigelegt ein histopathologischer Befundbericht des pathologischen Instituts der Universitätsklinik U. vom 20.11.2002. Danach war das histopathologische Bild gut vereinbar mit einem frischen Trauma. Aus der patho-anatomischen Präparation ergab sich kein Hinweis auf vorbestehende degenerative Veränderungen.

Nach einer vom Arbeitgeber eingeholten Auskunft war das Servicegerät, das der Kläger schob, 1130 kg schwer. In einer weiteren Mitteilung vom 22.04.2003 teilte der Arbeitgeber mit, dass das vom Kläger geschobene Gerät an der Torschwelle verkantete und stoppte. Bei der Kraftaufwendung zum Wiederanschieben habe der Kläger plötzlich einen Schlag oder Riss in der linken Wade gespürt. Die ursprünglichen Angaben in der Unfallanzeige hätten nicht auf den Angaben des Klägers basiert, da dieser wegen des Krankenhausaufenthalts nicht persönlich Stellung genommen habe. Das von der Beklagten eingeholte Zusammenhangsgutachten des Orthopäden Dr. G. vom 24.06.2003 bejahte den Zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit und dem Riss der Achillessehne, da die zusätzliche Kraftanwendung beim Wiederanschieben unphysiologisch gewesen sei und durch äußere Umstände aufgezwungen. Der histologische Befund bestätige, dass der Riss unfallbedingt sei. Vorbestehende degenerative Veränderungen seien nicht beschrieben worden. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) betrage ab 03.03.2003 10 v.H. Der von der Beklagten mit der Erstellung eines weiteren chirurgischen Gutachtens betraute Dr. G. kam in seinem Gutachten vom 20.09.2003, das nach Aktenlage erstellt wurde, zu dem Ergebnis, dass weder ein geeignetes Unfallereignis für eine traumatische Achillessehnenruptur vorliege noch der histologische Befund relevant sei. Auch die Lokalisation des Risses spreche gegen eine traumatische Verursachung. Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 25.11.2003 eine Entschädigung ab, da rechtlich wesentliche Ursache des Achillessehnenrisses die bereits vorbestehende Minderbelastbarkeit der Sehne gewesen sei. Den Widerspruch des Klägers, dem eine ärztliche Stellungnahme des MDK-Arztes Dr. G. vom 14.11.2003 beigelegt war, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 05.05.2004 zurück.

Hiergegen erhob der Kläger zum Sozialgericht Augsburg (SG) mit dem Antrag, den Bescheid vom 25.11.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.05.2004 aufzuheben und das Ereignis vom 15.11.2002 als Arbeitsunfall und den Achillessehnenriss links als Unfallfolge anzuerkennen. Zur Aufklärung des Sachverhalts holte das SG ein Sachverständigengutachten des Chirurgen Dr. P. vom 17.03.2005 ein. Dieser kam unter Zugrundelegung der Schilderung des Klägers, er sei beim Wiederanschieben des Servicegeräts weggerutscht, zu dem Ergebnis, dass ein geeigneter Unfallhergang vorliege und nahm Bezug auf die Ausführungen in Schoenberger, Mehrtens, Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage, S. 495, nach denen ein plöt...

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