Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Verletztenrente. Höhe des Jahresarbeitsverdienstes. Berücksichtigung von Spesen/Auslösungen eines Lastkraftwagenfahrers. tatsächliche Mehraufwendungen. Vermögensvorteil durch mögliche Einsparungen. Schätzung

 

Leitsatz (amtlich)

Sogenannte Spesen/Auslösungen eines Lastkraftwagenfahrers sind bei der Berechnung des Verletztengeldes dem Jahresarbeitsverdienst (JAV) zuzurechnen, wenn es sich nicht um echte Aufwandsentschädigungen handelt. Unabhängig davon, ob Spesen/Auslösungen steuerfrei oder steuerpflichtig gezahlt werden, sind sie soweit als Arbeitsentgelt zu werten, als ihnen keine tatsächlichen Mehraufwendungen zugrunde liegen. Sind die Zahlungen nicht reiner Aufwendungsersatz oder Auslagenersatz, sondern wird eine Pauschale geleistet, führen diese durch mögliche Einsparungen beim Versicherten zu einem Vermögensvorteil. Die Höhe des zuzurechnenden Entgelts ist unter Berücksichtigung der tatsächlichen Mehraufwendungen nach § 287 Zivilprozessordnung (ZPO) analog zu schätzen. Hat der Versicherte keine Mehraufwendungen, da er weder Reisekosten, Übernachtungskosten oder zusätzliche Kosten für die Verpflegung hatte, sind die Spesen vollumfänglich bei seinem JAV anzurechnen.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 23.07.2015; Aktenzeichen B 2 U 9/14 R)

 

Tenor

I. Auf die Anschlussberufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 30.11.2011 abgeändert und die Beklagte verurteilt, unter Abänderung des Bescheides vom 08.05.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.09.2007 dem Kläger Verletztenrente unter Berücksichtigung auch der steuerfreien Spesen im Rahmen als Jahresarbeitsverdienstes zu gewähren.

II. Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 30.11.2011 wird zurückgewiesen.

III. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.

IV. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Gewährung von Verletztenrente auf der Grundlage eines höheren Jahresarbeitsverdienstes (JAV).

Der 1960 geborene Kläger erlitt am 07.05.2005 als LKW-Kraftfahrer einen Verkehrsunfall, der zu erheblichen Verletzungen geführt hat.

Mit Bescheid vom 08.05.2007 gewährte die Beklagte Rente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE von 100 v.H. Sie legte dabei einen JAV von 29.836,56 EUR zugrunde. Daraus errechnete sie eine Rente in Höhe von 1.657,59 EUR monatlich. Aufgrund eines weiteren Arbeitsunfalls des Klägers am 18.07.1999 nahm sie eine anteilsmäßige Kürzung der Rente vor. Diesem Arbeitsunfall lag ein JAV mit 30.669,92 EUR zugrunde.

Die Beklagte stützte sich hinsichtlich der Berechnung des JAV auf die Lohnabrechnungen des Arbeitgebers des Klägers, der Firma B., B-Stadt, für die Zeit vom 01.05.2004 bis 30.04.2005. Der Betrag von 29.836,56 EUR umfasst ein Bruttoentgelt von 27.579,98 EUR, Urlaubsgeld in Höhe von 430,08 EUR, steuerfreie Zuschläge für Nachtarbeit in Höhe von 1.281,62 EUR und für Sonntagsarbeit in Höhe von 544,68 EUR. Der Kläger erhielt zudem im zugrunde gelegten Zeitraum steuerfreie Spesen in Höhe von insgesamt 3.705,00 EUR und pauschal versteuerte Spesen in Höhe von 1.173,50 EUR. Diese wurden bei der Berechnung des JAV nicht berücksichtigt.

Dagegen legte der Kläger mit Schreiben vom 06.06.2007 Widerspruch ein. Er legte dazu Verdienstabrechnungen von Mai 2004 bis Dezember 2004 vor sowie eine Abrechnung der Brutto-Netto-Bezüge von Januar 2005 bis April 2005.

Die vom Arbeitgeber in einer Bestätigung vom 03.06.2005 aufgeführten steuerfreien Spesen wurden in den Verdienstabrechnungen aus dem Jahr 2004 als steuerfreie Auslöse bezeichnet, in der Abrechnung des Arbeitgebers aus dem Jahre 2005 als steuerfreier Verpflegungszuschuss.

Mit Widerspruchsbescheid vom 28.09.2007 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Spesen oder Auslösungen könnten im Rahmen des JAV nicht berücksichtigt werden, da es sich hierbei um erstattete Auslagen handele, die nicht zu einem Vermögensvorteil des Beschäftigten führten und daher kein Arbeitsentgelt darstellten.

Dagegen hat der Kläger am 05.11.2007 Klage beim Sozialgericht Landshut (SG) erhoben und sinngemäß beantragt, die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 08.05.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.09.2007 zu verpflichten, die Verletztenrente unter Berücksichtigung eines höheren JAV zu gewähren. Er hat geltend gemacht, die Spesen und Auslösungen hätten zu einem Vermögensvorteil geführt und stellten keineswegs lediglich erstattete Auslagen dar. Der Kläger habe sich bei seinen Fahrten mit dem LKW ausschließlich mittels selbst zubereiteter Brote und mitgenommener Getränke versorgt, die er in seinem installierten Kühlschrank untergebracht habe. Auch Übernachtungskosten seien nicht angefallen, da er die Schlafmöglichkeit im LKW genutzt habe. Bei den von der Beklagten berücksichtigten Zuschlägen für Nachtarbeit und Wochenendarbeit habe es sich ebenfalls um lohnsteuerfreies Arbeitsentgelt gehandelt.

Mit Schr...

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