Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. unangemessene Unterkunftskosten. Anforderung an die Aufforderung zur Kostensenkung. Beginn und Ablauf des Übergangszeitraumes. verfassungskonforme Auslegung
Orientierungssatz
1. Auch wenn die bisherigen Bemühungen des Arbeitsuchenden nicht den Anforderungen an eine ernsthafte und intensive Wohnungssuche genügen, kann ihm eine Obliegenheitsverletzung bzw ein Ablauf der 6-Monats-Frist nach § 22 Abs 1 S 2 SGB 2 nicht vorgehalten werden, wenn er bisher nicht hinreichend darüber aufgeklärt wurde, in welcher Weise und mit welcher Intensität er nach einer angemesseneren Unterkunft suchen muss und welche Nachweise er dafür zu erbringen hat.
2. Die Ausgestaltung der Obliegenheiten des Sozialrechts zeigen, dass dem Leistungsberechtigten eine Obliegenheitsverletzung mit nachteiligen Auswirkungen auf seinen Leistungsanspruch nur vorgeworfen werden kann, wenn er in Kenntnis der konkreten Verhaltensanforderungen gegen diese verstößt (vgl BSG vom 25.5.2005 - B 11a/11 AL 81/04 R = BSGE 95, 8 = SozR 4-4300 § 140 Nr 1). Ein anderes Ergebnis wäre im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wegen der gravierenden Rechtsfolgen verfassungsrechtlich bedenklich.
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 6. Juni 2006 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin nach dem 30.06.2005 Leistungen für die Kosten der Unterkunft in tatsächlicher Höhe zustehen.
Die Klägerin bewohnt mit ihrem Ehemann eine ca. 80 qm große Wohnung in O. mit einem monatlichen Mietzins von insgesamt 667,00 EUR (480,00 EUR Grundmiete, 30,00 EUR Garagen-/Stellplatzmiete, 157,00 EUR Betriebskostenvorauszahlung). Mit Bescheid vom 17.12.2004 gewährte die Beklagte der Klägerin für die Zeit vom 01.01. bis 31.05.2005 unter Zugrundelegung der tatsächlichen Unterkunftskosten abzüglich der Garagenmiete und der Kosten für die Warmwasserzubereitung monatliche Leistungen in Höhe von 844,35 EUR. Der Bescheid enthält folgenden Hinweis: "Ihre monatliche Gesamtmiete ist mit 624,98 Euro unangemessen hoch. Angemessen ist eine Gesamtmiete von 390,00 Euro. Ich fordere Sie deshalb auf, Ihre monatlichen Mietkosten bis 30.06. 2005 zu reduzieren. Andernfalls werden ab 01.07.05 die Kosten für Unterkunft auf den angemessenen Wert reduziert". Mit Änderungsbescheiden vom 01.03. und 09.05.2005 wurden in Folge des Wegfalls des Einkommens des Ehemannes die Leistungen für diesen Zeitraum zunächst auf 1.464,85 EUR und wegen einer Änderung hinsichtlich der Krankenversicherung auf 1.324,98 EUR festgesetzt.
Auf den Fortzahlungsantrag der Klägerin vom 03.05.2005 hin, dem eine Auflistung ihrer "Anmeldungen für Wohnungen" beilag, bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 09.05.2005 für den Monat Juni 2005 1.324,98 EUR, für die Zeit vom 01.07. bis 30.11.2005 monatliche Leistungen von 1.090,00 EUR. Ab Juli sind Unterkunftskosten in Höhe von 390,00 EUR berücksichtigt.
Mit ihrem Widerspruch vom 12.05.2005 machte die Klägerin geltend, sie bemühe sich seit Januar 2005 darum, eine passende Wohnung zu finden. Sie habe sich zum Jahresende bei verschiedenen Wohnbaugesellschaften angemeldet. Im Übrigen habe sie die derzeitige Wohnung mit einem Berechtigungsschein des Landratsamtes R. bekommen. Mit Widerspruchsbescheid vom 20.06. 2005 wurde der Widerspruch mit der Begründung zurückgewiesen, einem Zweipersonenhaushalt sei eine Wohnfläche bis zu 60 qm zuzubilligen. Bei einem anzuerkennenden Quadratmeterpreis von 4,60 EUR zuzüglich 66,00 EUR Nebenkosten und 48,00 EUR Heizkosten errechne sich ein Höchstbetrag angemessener Unterkunftskosten von 390,00 EUR. Die Klägerin habe nicht ausreichend belegt, sich seit Januar 2005 intensiv um eine günstigere Wohnung bemüht zu haben. Die Anmeldung bei verschiedenen Wohnbaugesellschaften sei erst am 17.03.2005 erfolgt. Die Klägerin habe keine Belege vorgelegt, dass sie sich darüber hinaus bei privaten Vermietern um eine günstigere Wohnung bemüht habe.
Mit ihrer am 12.07.2005 zum Sozialgericht Regensburg (SG) erhobenen Klage machte die Klägerin geltend, die tatsächlichen Unterkunftskosten müssten fortgezahlt werden, weil sie alle Bemühungen unternommen habe, eine angemessene Wohnung zu finden, sie sei auch weiterhin auf Wohnungssuche.
Das SG hat mit Gerichtsbescheid vom 06.06.2006 den Bescheid vom 09.05.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.06. 2005 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin und ihrem Ehemann für die Zeit vom 01.07.2005 bis 31.05.2006 Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung der tatsächlichen Unterkunftskosten für die Unterkunft in O. zu gewähren. Zur Begründung hat es unter Hinweis auf einen Beschluss des Senats vom 27.02.06 (L 7 B 451/05 AS ER) im Wesentlichen ausgefüh...