Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. britische Kriegsopferrente. Teilanrechnung. Verfassungsmäßigkeit

 

Orientierungssatz

1. Die britische Kriegsopferrente ist einer deutschen Rente nach § 31 BVG gleichzustellen.

2. Bei der britischen Kriegsopferrente handelt es sich nicht um eine privilegierte Einnahme iS des § 11 Abs 3 Nr 1 Buchst a SGB 2.

3. Die nach § 31 Abs 1 S 1 BVG zu ermittelnde monatliche Grundrente ist gem § 11 Abs 1 S 1 SGB 2 nicht als Einkommen zu berücksichtigen; der von der britischen Kriegsopferrente verbleibende Betrag stellt jedoch anrechenbares Einkommen dar. Dadurch wird sichergestellt, dass Personen unterschiedlicher Nationalitäten gleichbehandelt werden.

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 7. Februar 2006 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Arbeitslosengeldes II (Alg II) für den Zeitraum vom 01.01. bis 30.06.2005 streitig.

Der 1961 geborene Kläger ist britischer Staatsangehöriger und hat seinen Wohnsitz in Deutschland. Er bezieht wegen einer Verletzung in Nordirland aus Großbritannien von der Veterans Agency eine Kriegsopferrente in Höhe von umgerechnet monatlich 216,47 EUR. Mit Bescheid vom 03.07.2001 wurde ein Grad der Behinderung (GdB) von 30% festgestellt. Auf seinen Antrag vom 11.10.2004 bewilligte ihm die Beklagten mit Bescheid vom 09.11. 2004 (in der Fassung der Änderungsbescheide vom 04.03.2005 und 07.03.2005) für die Zeit vom 01.01. bis 30.06.2005 Alg II. Dabei rechnete sie die englische Kriegsopferrente in Höhe von 68,47 EUR als Einkommen an.

Mit seinem Widerspruch vom 10.03.2005 machte der Kläger geltend, bei seiner Kriegsopferrente handele es sich um eine zweckbestimmte Leistung im Sinne von § 11 Abs. 3 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), sodass diese nicht als Einkommen anzurechnen sei. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27.06.2005 mit der Begründung zurück, die Kriegsopferrente sei wie eine nach deutschem Recht für Schaden an Leben, Körper oder Gesundheit gewährte Rente zu behandeln. Nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) würde der Kläger bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 30 % eine monatliche Grundrente in Höhe von 118,00 EUR erhalten. In dieser Höhe sei die Rente auch nicht als Einkommen nach § 11 Abs. 1 SGB II zu berücksichtigen. Der verbleibende Betrag stelle jedoch anrechenbares Einkommen dar, um eine Gleichbehandlung von Personen unterschiedlicher Nationalitäten zu gewährleisten.

Mit seiner am 21.07.2005 zum Sozialgericht Augsburg (SG) erhobenen Klage machte der Kläger geltend, die englische Rente könne nicht mit einer deutschen Kriegsopferrente gleichgesetzt werden. Bei einer Kriegsopferrente nach § 31 BVG handele es sich um eine Entschädigung für Dienste für den Staat der Bundesrepublik Deutschland. Dagegen sei der Zweck der englischen Rente des Klägers allein auf die nationalen Interessen Englands bezogen. Der Kläger habe die Rente von seinem Heimatland erhalten, weil er für dieses Land gesundheitliche Opfer erbracht habe. Entgegen der Auffassung der Beklagten lägen die Voraussetzungen des § 11 Abs. 3 Nr. 1 a SGB II vor. Die Rente sei eine zweckgebundene Einnahme. Die englische Kriegsopferrente verfolge einen anderen Zweck als Leistungen nach dem SGB II, weil diese nicht seiner Grundsicherung diene, diese werde vielmehr wegen des erbrachten Sonderopfers gewährt.

Das SG hat die Beklagte mit Urteil vom 07.02.2006 unter Abänderung der angefochtenen Bescheide verurteilt, dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Zeit vom 01.01. bis 30.06.2005 unter Nichtberücksichtigung seiner britischen Kriegsopferrente als Einkommen in Höhe von 173,00 EUR zu gewähren. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, es handele sich bei der britischen Kriegsopferrente um eine zweckbestimmte Einnahme. Es liege eine Zweckbestimmung i.S.d. § 11 Abs. 3 Nr. 1 a SGB II vor. Da die Rente unter den gleichen bzw. vergleichbaren Voraussetzungen gewährt werde wie eine Rente nach § 31 BVG, verfolge auch die britische Kriegsopferrente den Zweck, dass diese zum Ausgleich von Schäden erbracht werde, für die die Allgemeinheit eine besondere Verantwortung trage. Die britische Kriegsopferrente diene daher zum einen der Deckung eines schädigungsbedingten Mehrbedarfs, der durch Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nicht abgedeckt sei, und zum anderen der Abgeltung immateriellen Schadens. Bei einer Anrechnung der britischen Kriegsopferrente auf das Alg II würde diese Zweckbestimmung verfehlt werden. Zweckbestimmte Einnahmen blieben aber nur insoweit von der Einkommensanrechnung ausgenommen, soweit diese die Lage des Empfängers nicht so günstig beeinflussten, dass daneben Leistungen nach dem SGB II ungerechtfertigt wären. Wann eine entsprechende Besserstellung err...

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