Entscheidungsstichwort (Thema)
Bußgeldverfahren. Geldbuße. Fahrverbot. Urteil. Rechtsmittel. Rechtsmittelfrist. Rechtsbeschwerde. Rechtsbeschwerdebegründung. Rechtsbeschwerdebegründungsfrist. Fristeinhaltung. Fristversäumung. Fristversäumnis. Säumnis. Wiedereinsetzung. Wiedereinsetzungsantrag. Wiedereinsetzungsgesuch. Verwerfung. Wiedereinsetzungsgrund. Verhinderung. verschuldet. unverschuldet. Begründung. Tatsachen. Sachverhalt. konkret. vollständig. Darlegung. Glaubhaftmachung. Verteidigung. Information. Informationsstand. Benachrichtigung. Rückfrage. Vergewisserung. Zustellung. Zustellungsnachweis. gleichzeitig. zugleich. Auftrag. Beauftragung. Fristenkontrolle. Geschäftsstelle. Hindernis. Fürsorgepflicht. Unterrichtung. Ordnungsvorschrift. Verwaltungsvorschrift. Vollmacht. Strafprozessvollmacht
Leitsatz (amtlich)
§ 145a Abs. 3 Satz 2 StPO verlangt, dass der Verteidiger von der Zustellung an den Betroffenen zu unterrichten ist. Eine darüberhinausgehende Verpflichtung des Gerichts, insbesondere die Unterrichtung des Verteidigers über den Zeitpunkt der Zustellung an den Betroffenen, beinhaltet die Vorschrift nicht und rechtfertigt im Fall der Fristversäumnis nicht die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Die Pflicht zur Kontrolle der einzuhaltenden Fristen verbleibt bei dem Verteidiger.
Normenkette
StVO § 23 Abs. 1a; StPO § 36 Abs. 1, § 44 S. 1, § 45 Abs. 2 S. 1, § 145a Abs. 1, 3 S. 2, §§ 297, 345 Abs. 1, 1 S. 3, § 473 Abs. 1; OWiG § 46 Abs. 1, § 71 Abs. 1, § 79 Abs. 3 S. 1, § 80a Abs. 1; RiStBV Nr. 154 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Kaufbeuren (Entscheidung vom 20.10.2022) |
Tenor
I.
Der Antrag der Betroffenen auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Kaufbeuren vom 20.10.2022 wird als unzulässig verworfen.
II.
Die Rechtsbeschwerde der Betroffenen gegen das vorgenannte Urteil wird als unzulässig verworfen.
III.
Die Betroffene hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
I.
Die Zentrale Bußgeldstelle im Bayer. Polizeiverwaltungsamt hat mit Bußgeldbescheid vom 14.04.2022 gegen die Betroffene wegen verbotswidriger Benutzung eines elektronischen Geräts als Führerin eines Kraftfahrzeugs eine Geldbuße in Höhe von 200 Euro sowie ein Fahrverbot für die Dauer eines Monats verhängt. Gegen diesen der Betroffenen am 20.04.2022 zugestellten Bußgeldbescheid legte der Verteidiger form- und fristgerecht Einspruch ein und legte eine von der Betroffenen erteilte schriftliche Strafprozessvollmacht vom 02.05.2022 vor. Das Amtsgericht Kaufbeuren verurteilte die Betroffene aufgrund der Hauptverhandlung vom 20.10.2022, an der sowohl die Betroffene als auch ihr Verteidiger teilnahmen, im Schuldspruch entsprechend dem Bußgeldbescheid und verhängte eine Geldbuße in Höhe von 200 Euro und ein Fahrverbot für die Dauer eines Monats. Gegen dieses Urteil legte der Verteidiger mit Schriftsatz vom 27.10.2022, beim Amtsgericht eingegangen über das besondere Anwaltspostfach (beA) am selben Tag, Rechtsbeschwerde ein. Die Tatrichterin ordnete unter dem 11.11.2022 die Zustellung des Urteils an die Betroffene und die formlose Übersendung der Entscheidungsabschrift an den Verteidiger mit Zusatz "Die Zustellung erfolgt an Ihren Mandanten" an. Die Zustellung an die Betroffene ist am 18.11.2022 erfolgt. Die Begründung der Rechtsbeschwerde, mit welcher der Verteidiger die Verletzung materiellen Rechts rügt, ist am 21.12.2022 formgerecht beim Amtsgericht eingegangen. Die Generalstaatsanwaltschaft hat unter dem 12.01.2023 beantragt, die Rechtsbeschwerde der Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Kaufbeuren vom 20.10.2022 als unzulässig zu verwerfen und angeführt, dass die Rechtsbeschwerdebegründung nicht fristgerecht erfolgt sei. Nach Zustellung der Antragsschrift an den Verteidiger am 26.01.2023 hat dieser unter dem 31.01.2023 zur Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft Stellung genommen, dabei hilfsweise Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und zur Begründung ausgeführt, dass ihm das Urteil des Amtsgerichts erst am 21.12.2022 zugestellt worden sei und ihm - unter Verstoß gegen § 145a Abs. 3 Satz 2 StPO - auch nicht vorab mitgeteilt worden sei, wann das Urteil des Amtsgerichts an die Betroffene zugestellt wurde.
II.
Sowohl der (hilfsweise gestellte) Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als auch die Rechtsbeschwerde erweisen sich als unzulässig.
1. Die Frist zur Begründung der form- und fristgerecht eingelegten Rechtsbeschwerde wurde versäumt. Die Frist begann mit der Zustellung des mit Gründen versehenen Urteils an die Betroffene am 18.11.2022 (§ 345 Abs. 1 Satz 3 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG) und endete mit Ablauf des 19.12.2022, nachdem der 18.12.2022 ein Sonntag war.
Die gemäß § 36 Abs. 1 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG richterlich angeordnete Zustellung an die Betroffene erweist sich als wirksam. Nach § 145a Abs. 3 Satz 2 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG ist im Fall der Zustellung an den Betroffenen auch der Verteidiger zu benachrichtigen, dessen Vollmacht nicht...