Entscheidungsstichwort (Thema)
Revision. Sachrüge. Schuldspruch. Darstellungsmangel. Lückenhaftigkeit. Aufhebung. Zurückverweisung. Urteilsgründe. Feststellungen. Widerstand. Amtsträger. Vollstreckungsbeamter. Polizeibeamter. Diensthandlung. Gewalt. Drohung. Angriff. tätlich. feindselig. Schlag. Armbewegung. Mobiltelefon. Körper. Einwirkung. Erfolgseintritt. Personenkontrolle. Durchsuchung. Sicherstellung. Identitätsfeststellung. Schleierfahndung. Grenzgebiet. Befugnisnorm. Verdacht. Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. Tätlicher Angriff. Körperlicher Angriff. Rechtmäßigkeit. Schläge. Armrudern
Leitsatz (amtlich)
1. Die Annahme von Gewalt i.S.d. § 113 Abs. 1 StGB setzt ebenso wie ein tätlicher Angriff i.S.d § 114 Abs. 1 StGB voraus, dass sich die Tathandlung gegen den Körper des Amtsträgers richtet. (Rn. 7)
2. Im Falle der Verurteilung wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte leidet das tatrichterliche Urteil unter einem Darstellungsmangel, wenn sich aus der Schilderung des Geschehens die Rechtmäßigkeit der Diensthandlung i.S.d. § 113 Abs. 3 StGB nicht ergibt. (Rn. 10)
Normenkette
StGB § 113 Abs. 1, 3, § 114 Abs. 1; StPO § 267 Abs. 1, §§ 333, 341 Abs. 1, §§ 344-345, 349 Abs. 4; BayPAG Art. 13 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 S. 2, Art. 25 Abs. 1
Tenor
I.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts vom 05.02.2021 mit den Feststellungen aufgehoben.
II.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht hat den Angeklagten am 02.07.2020 wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in zwei tateinheitlichen Fällen zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete Berufung des Angeklagten hat das Landgericht mit Urteil vom 05.02.2021 als unbegründet verworfen. Mit seiner gegen das Berufungsurteil gerichteten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Revision des Angeklagten als unbegründet zu verwerfen.
II.
Die statthafte (§ 333 StPO) und auch im Übrigen zulässige (§§ 341 Abs. 1, 344, 345 StPO) Revision des Angeklagten ist begründet und führt auf die Sachrüge hin zur Aufhebung des angefochtenen Berufungsurteils (§ 349 Abs. 4 StPO) und Zurückverweisung der Sache. Die Schuldsprüche wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte gemäß § 113 Abs. 1 StGB halten sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
1. Das Berufungsgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
Am 27.12.2019 war der Angeklagte gegen 15:40 Uhr in seinem Wohnort Sch. aus Richtung des Grenzübergangs zur tschechischen Republik joggend unterwegs. Hierbei trug er eine "Sturmhaube", sodass sein Gesicht nicht zu erkennen war. Die Polizeibeamten A. und G. wollten den Angeklagten einer Personenkontrolle unterziehen. Sie wiesen sich gegenüber dem Angeklagten aus und baten diesen, sich ebenfalls auszuweisen, da er einer Personenkontrolle unterzogen werden sollte. Der Angeklagte erklärte daraufhin, nicht mit der Kontrolle einverstanden zu sein. Er zeigte auch keinen Ausweis vor, um sich über seine Personalien auszuweisen. Als die Beamten erklärten, sie würden ihn notfalls auch gegen seinen Willen durchsuchen, erwiderte er, dass er hiermit nicht einverstanden sei. Außerdem äußerte er zu den Polizeibeamten, dass sie einmal ohne Dienstmarken kommen sollen, dann würden sie schon sehen, was er machen werde. Daraufhin zog der Angeklagte, der türkischer Staatsangehöriger ist, sein Mobiltelefon aus der Tasche und erklärte, er werde jetzt das türkische Generalkonsulat anrufen. Die Beamten forderten den Angeklagten auf, das Telefonat bis nach Beendigung der Kontrolle zurückzustellen. Der Angeklagte kam dem jedoch nicht nach, sondern "hantierte weiter an seinem Handy". Der Beamte A. wollte dem Angeklagten nun das Mobiltelefon aus der Hand nehmen, um "so die Kontrolle ordnungsgemäß zu Ende zu bringen". Als der Beamte gerade dabei war, nach dem Telefon des Angeklagten zu greifen, begann dieser "mit den Armen stark rudernd, um sich zu schlagen, um zu verhindern, dass sein Mobiltelefon sichergestellt wird". Dabei "streifte" er mit seiner Hand auch den Brustbereich von PHK G. Aufgrund dieses Verhaltens wurde der Angeklagte durch die Beamten unter Einsatz körperlicher Gewalt zu Boden gebracht und fixiert. Dort ließ er sich Handschellen anlegen und leistete dabei keinen Widerstand, sodass er zur Dienststelle verbracht, dort durchsucht und seine Personalien festgestellt werden konnten.
2. Diese Feststellungen leiden in mehrfacher Hinsicht an durchgreifenden Darstellungsmängeln, die dem Senat nicht die Prüfung ermöglichen, ob die Verurteilung wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte gemäß § 113 Abs. 1 StGB zu Recht erfolgt ist.
a) Schon die Tatbestandsvoraussetzungen des § 113 Abs. 1 StGB ergeben sich aus den insoweit unzulänglichen Feststellungen des Berufungsurteils nicht hinreichend. Die bloße Feststellung, der Angeklagte habe "begonnen, mit den ...