Leitsatz (amtlich)

Zur Auslegung eines Berliner Testaments, in dem die Ehegatten ihren Kindern den gesamten Nachlaß ohne Bestimmung von Erbquoten zugewendet haben, wobei eines von ihnen das elterliche Geschäft spätestens im Zeitpunkt des Todes des zuletzt Versterbenden erhalten und „Erbteile” an die anderen auszahlen soll.

 

Normenkette

BGB §§ 133, 2048, 2087, 2091, 2150, 2269

 

Verfahrensgang

LG Memmingen (Beschluss vom 10.12.1997; Aktenzeichen 4 T 1566/96)

AG Memmingen (Aktenzeichen VI 1509/94)

 

Tenor

I. Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 3 gegen Nr. I bis III des Beschlusses des Landgerichts Memmingen vom 10. Dezember 1997 wird zurückgewiesen.

II. Der Beteiligte zu 3 hat der Beteiligten zu 4 die im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.

III. Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 3 gegen die Festsetzung des Geschäftswerts des Beschwerdeverfahrens wird Nr. IV des Beschlusses des Landgerichts Memmingen vom 10. Dezember 1997 aufgehoben und das Verfahren insoweit zurückverwiesen.

 

Tatbestand

I.

Die Erblasserin verstarb im Alter von 92 Jahren. Sie war verheiratet mit X. Aus ihrer Ehe entstammen vier Kinder, die Beteiligten zu 1 bis 4. X war Eigentümer eines Grundstücks, auf dem er 1947/1948 das im Krieg zerstörte Haus wieder errichtete. In diesem betrieb er als Einzelkaufmann eine Lebensmittelgroßhandlung. Das Haus wurde zum Teil zu Wohnzwecken privat genutzt.

Die Eheleute schlossen am 8.9.1948 einen Erbvertrag, in dem sie sich gegenseitig zu Alleinerben einsetzten. Am 28.12.1951 verfaßte die Erblasserin ein eigenhändig geschriebenes und unterschriebenes Testament, das ihr Ehemann mit der Überschrift „Gemeinschaftliches Testament” versah und am 8.1.1952 mit dem Zusatz „Mit oben stehendem einverstanden” eigenhändig unterschrieb. Das Testament hat folgenden Wortlaut:

Gemeinschaftliches Testament

28.12.51

Wir treffen heute unter Aufhebung des in früheren Jahren geschlossenen Erbvertrages folgende Bestimmung für den Fall des Todes

Der überlebende Ehegatte ist Alleinerbe des zuerst versterbenden. Erst mit dem Tode des zuletzt versterbenden Ehegatten fällt der gesamte Nachlaß an unsere Kinder … (= Beteiligte zu 1 bis 4).

Unsere Kinder erben wie folgt:

  1. An … (= Beteiligter zu 3) fällt das elterliche Geschäft und zwar spätestens im Zeitpunkt des Todes des zuletzt Versterbenden.
  2. Die Erbteile von … (= Beteiligte zu 1, 2 und 4) sind gleich und bestehen zu je 2/10 der Steuerbilanz, die im letzten Jahr vor dem Todesfalle erstellt wurde. Sollte die Übergabe des Geschäfts schon früher erfolgt sein, so ist die Steuerbilanz des Übergabejahres zugrunde zu legen. Den Betrag von obigen 6/10 sechs-zehntel hat … (= Beteiligter zu 3) zur Auszahlung zu bringen.

Die von uns gewährte Aussteuer ist mit je 4.000,00 viertausend DM. auf den auszuzahlenden Betrag anzurechnen. Desgleichen ist das von uns an W. gewährte Darlehen in Höhe von 2.500,00 von dem 2/10 Auszahlungsguthaben abzusetzen.

Mit oben stehendem einverstanden

Am 16.2.1952 verstarb X. Er wurde von der Erblasserin gemäß dem Testament vom 28.12.1951/8.1.1952 beerbt.

1953 gründeten die Erblasserin sowie die Beteiligten zu 1, 2 und 3 die X Lebensmittelgroßhandel KG zum Zwecke der Fortführung und Erweiterung des „elterlichen Geschäfts”. Ihr trat später auch die Beteiligte zu 4 bei.

Das Grundstück blieb im Alleineigentum der Erblasserin. In den Bilanzen der Gesellschaft wurde es als notwendiges Betriebsvermögen geführt, 1981 wurde es dem Betriebsvermögen entnommen, der Entnahmegewinn unter den Gesellschaftern verteilt und versteuert. Die Gesellschaft, an der die Erblasserin zuletzt mit 45 % beteiligt war, hat umfangreiches Grundvermögen erworben. Auch die Erblasserin selbst hat ab etwa 1960 mehrere Grundstücke erworben, die zum Teil vorübergehend als Betriebsvermögen der Gesellschaft geführt wurden und über deren Verkehrswert unter den Beteiligten unterschiedliche Auffassungen bestehen.

Der Beteiligte zu 3 hat die Erteilung eines Erbscheins als Alleinerbe beantragt. Er ist der Meinung, aufgrund der testamentarischen Zuweisung des „elterlichen Geschäfts” Alleinerbe geworden zu sein. Dies ergebe sich daraus, daß das Grundstück im Zeitpunkt der Testamentserrichtung als Betriebsvermögen des väterlichen Lebensmittelgroßhandels geführt und entsprechend steuerlich behandelt worden sei. Neben dem Betriebsvermögen seien nur unwesentliche Vermögenswerte vorhanden gewesen.

Die Beteiligten zu 1, 2 und 4 widersetzten sich dem Antrag und beantragten ihrerseits die Erteilung eines Erbscheins, der alle vier Kinder der Erblasserin als Miterben zu je 1/4 ausweisen soll. Die Auslegung des Testaments ergebe, daß die Eltern alle vier Kinder gleichmäßig als Erben hätten einsetzen wollen; die Zuweisung des elterlichen Geschäfts an den Beteiligten zu 3 enthalte lediglich ein Vorausvermächtnis. Die steuerliche Behandlung des Anwesens als Betriebsvermögen besage nicht, daß die testierenden Ehegatten in dem Lebensmittelgroßhandel ihr im wesentlichen ganzes Vermögen gesehen hätten.

Mit Vorbescheid vo...

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