Leitsatz (amtlich)
1. Ob die mit einem Gesamterbbaurecht zu belastenden Grundstücke i.S.d. § 6a Abs. 1 S. 2 Halbs. 1 GBO nahe beieinander liegen, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab. Maßgeblich ist neben der tatsächlichen Entfernung auch der Zweck, dem das einheitliche Bauwerk oder das Bauwerk mit den dazugehörigen Nebenanlagen dient.
2. Ob Gegenstand des Erbbaurechts ein einheitliches Bauwerk oder ein Bauwerk mit dazugehörigen Nebenanlagen ist, beurteilt sich aufgrund einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise. Das erfordert, dass die tatsächlichen Gegebenheiten in einer Weise dargelegt werden, die eine entspr. Beurteilung ermöglicht.
Normenkette
GBO § 6a
Verfahrensgang
LG Augsburg (Beschluss vom 04.04.2003; Aktenzeichen 4 T 913/03) |
AG Aichach |
Tenor
I. Auf die weitere Beschwerde der Beteiligten werden der Beschluss des LG Augsburg vom 4.4.2003 und der Beschluss des AG – Grundbuchamt – Aichach vom 31.1.2003 aufgehoben.
II. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das AG – Grundbuchamt – Aichach zurückverwiesen.
Gründe
I. Die Beteiligte zu 1), eine Gemeinde, ist Eigentümerin von sechs in verschiedenen Gemeindeteilen liegenden Grundstücken, auf denen sich fünf Kläranlagen und andere Abwasserbeseitigungseinrichtungen befinden. Durch öffentlich-rechtlichen Vertrag ist die Abwasserbeseitigung auf die Beteiligte zu 2), einen Zweckverband, übertragen.
Die Beteiligte zu 1) bestellte am 12.12.2000 der Beteiligten zu 2) an den Grundstücken ein Gesamterbbaurecht.
Das Grundbuchamt hat den Antrag auf Eintragung des Gesamterbbaurechts am 31.1.2002 abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde hat das LG Augsburg mit Beschluss vom 4.4.2003 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten.
II. Das zulässige Rechtsmittel ist begründet.
1. Das LG hat ausgeführt:
Die Eintragung eines Gesamterbbaurechts sei nur zulässig, wenn die betroffenen Grundstücke im selben Grundbuchamtsbezirk und im gleichen Katasterbezirk liegen und unmittelbar aneinander grenzen. Von diesen Voraussetzungen könne nur abgewichen werden, wenn die Grundstücke nahe beieinander liegen und der Gegenstand des Erbbaurechts ein einheitliches Bauwerk oder ein Bauwerk mit dazugehörigen Nebenanlagen auf den belasteten Grundstücken sei oder das Erbbaurecht in Wohnungs- oder Teilerbbaurechte aufgeteilt werden solle. Die Anforderungen an die räumliche Lage der Grundstücke seien nicht erfüllt. Die Zulassung einer Ausnahme im Hinblick auf den bestehenden funktionellen Zusammenhang sei nach der Gesetzessystematik nicht gerechtfertigt. Insbesondere sei die für die Vereinigung von Grundstücken geltende Regelung des § 5 Abs. 2 S. 2 GBO auf die Eintragung eines Gesamterbbaurechts nicht entspr. anwendbar.
2. Die Entscheidung des LG hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
a) Nach § 6a Abs. 1 S. 1 GBO darf einem Antrag auf Eintragung eines Erbbaurechts an mehreren Grundstücken nur entsprochen werden, wenn hinsichtlich der zu belastenden Grundstücke die Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 S. 1 GBO vorliegen. Diese Vorschrift verlangt u.a., dass die Grundstücke unmittelbar aneinander grenzen. Das ist hier nicht der Fall.
b) Die Vorinstanzen haben das Vorliegen der Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 S. 2 GBO verneint, ohne den Beteiligten Gelegenheit gegeben zu haben, ausreichende Eintragungsunterlagen beizubringen und damit das angenommene Eintragungshindernis zu beheben (§ 18 GBO). Ob die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 S. 2 Hs. 1 GBO vorliegen, kann weder aufgrund der tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanzen noch aufgrund der Aktenlage abschließend beurteilt werden.
(1) Die Vorinstanzen haben zur Entfernung der zu belastenden Grundstücke voneinander keine tatsächlichen Feststellungen getroffen.
Soweit die Vorinstanzen darauf abgestellt haben, dass eine räumliche Nähe nur anzunehmen wäre, wenn die Grundstücke lediglich durch Erschließungswege getrennt wären, ist diese Sichtweise zu eng. Durch die Ausnahmeregelung des § 6a Abs. 1 S. 2 GBO soll verhindert werden, dass wirtschaftlich sinnvolle Gestaltungen unmöglich gemacht werden (Demharter, GBO, 24. Aufl., § 6a Rz. 4). Ein wirtschaftliches Bedürfnis kann aber nicht schon dann verneint werden, wenn die Grundstücke durch größere Flächen als nur Erschließungswege getrennt sind. Damit würde der Gesetzeszweck zu sehr eingeschränkt. Wann eine örtliche Nähe vorliegt, kann nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden, insb. nach den tatsächlichen örtlichen Gegebenheiten und dem Zweck, der mit der Bestellung des Gesamterbbaurechts in wirtschaftlicher Hinsicht verfolgt wird. Umstände, die dabei eine Rolle spielen können, sind einerseits die Entfernung der Grundstücke in Luftlinie, andererseits aber auch die Verbindungen zwischen den einzelnen Grundstücken, sei es durch öffentliche Verkehrswege oder Leitungen. Abzustellen ist darauf, ob die Grundstücke nach der Verkehrsanschauung trotz einer gewissen räumlichen Entfernung im Hinblick auf ihre wirtschaftliche Nutzung als zusamme...