Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsbeschwerde. Staatsanwaltschaft. Sachrüge. Fahrverbot. Geschwindigkeitsüberschreitung. Pflichtenverstoß. Beharrlichkeit. Ermessen. Vorahndungen. Warnappell. personenbezogen. tatortbezogen. Geständnis. Einspruchsbeschränkung. Privilegierung. Wiederholungstäter. berufsbedingt. autobahnähnlich. Nässe. Baustelle. Augenblicksversagen. Verbotsirrtum. Rechtsfehlerhafte Wertung von für Beharrlichkeitsprüfung grundsätzlich unbeachtlichen personen- und tatortbezogenen Kriterien
Leitsatz (amtlich)
1. Dass ein Betroffener berufsbedingt stärker dem Risiko wiederholter straßenverkehrsrechtlicher Auffälligkeit ausgesetzt ist, rechtfertigt ein Abweichen von einem nach § 4 Abs. 2 Satz 2 BKatV verwirkten Regelfahrverbot auch bei einer geständigen Einlassung oder einem sonst günstigen, ggf. in einer Einspruchsbeschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch zum Ausdruck gebrachten Eindruck oder einer aus sonstigen Gründen positiven Prognose hinsichtlich des zukünftigen Verkehrsverhaltens grundsätzlich nicht (st.Rspr.; u.a. Anschluss an OLG Bamberg, Beschl. v. 01.12.2015 - 3 Ss OWi 834/15 = StraFo 2016, 116 = OLGSt O-WiG § 11 Nr 5 und 22.07.2016 - 3 Ss OWi 804/16 bei juris); dies liefe auf eine ungerechtfertigte Privilegierung von sich über wiederholte Warnappelle beharrlich hinwegsetzenden ,Wiederholungstätern' hinaus, was mit der vom Verordnungsgeber mit der Umschreibung des Regelfalls eines beharrlichen Pflichtenverstoßes zu entnehmenden Wertung unvereinbar wäre.
2. Die Wertung eines Pflichtenverstoßes als "beharrlich" wird nicht mit den tatortbezogenen Argumenten in Frage gestellt, dass sich der Geschwindigkeitsverstoß auf einer "autobahnähnlich ausgebauten Strecke" ereignete, auf der üblicherweise eine Geschwindigkeit von 120 km/h statt wie zur Tatzeit wegen Nässe nur 80 km/h erlaubt seien, oder die Strecke wegen einer eingerichteten Baustelle regulär mit einer ohne das angebrachte Zusatzzeichen "bei Nässe" deutlich höheren Geschwindigkeit hätte befahren werden dürfen.
Normenkette
OWiG § 46 Abs. 1, § 67 Abs. 2, § 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, Abs. 3 S. 1, Abs. 5-6, § 80a Abs. 1; StVG § 25 Abs. 1 S. 1 Alt. 2, § 26a; StVO § 41 Abs. 2 S. 3; BKatV § 1 Abs. 2; StVO Anl. 2 Nr. 49.1; BKatV § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 2 S. 2
Tenor
I.
Auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Amtsgerichts vom 26. April 2019 mit den zugehörigen Feststellungen sowie in der Kostenentscheidung aufgehoben.
II.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückverwiesen.
Gründe
I.
Mit Ersturteil vom 12.10.2018 setzte das Amtsgericht gegen den Betroffenen wegen einer am 12.06.2018 auf einer Bundesstraße mit einem Pkw begangenen fahrlässigen Überschreitung der außerhalb geschlossener Ortschaften zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 29 km/h eine Geldbuße von 320 Euro fest. Von der Verhängung eines wegen dieser Tat im Bußgeldbescheid vom 31.07.2018 neben einer dort festgesetzten Geldbuße in Höhe von 160 Euro angeordneten einmonatigen Fahrverbots sah es ab. Auf die hiergegen gerichtete, schon wegen der in der Hauptverhandlung vom 12.10.2018 gemäß § 67 Abs. 2 OWiG wirksam erklärten Einspruchsbeschränkung des Betroffenen auf den Rechtsfolgenausspruch nur noch diesen betreffenden Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft hat das Oberlandesgericht das Urteil vom 12.10.2018 mit Beschluss vom 12.02.2019 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen. Auf die Gründe des Beschlusses vom 12.02.2019 wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen. Mit dem verfahrensgegenständlichen Urteil vom 26.04.2019 hat das Amtsgericht an seiner schon im Ersturteil vorgesehenen Rechtsfolge festgehalten, insbesondere erneut von einem Fahrverbot abgesehen. Hiergegen wendet sich wiederum die Staatsanwaltschaft mit ihrer zu Ungunsten des Betroffenen eingelegten, mit der Sachrüge begründeten Rechtsbeschwerde, mit der sie weiterhin das Ziel einer Fahrverbotsverhängung verfolgt. Die Stellungnahme des Verteidigers des Betroffenen vom 19.09.209 zu der die Rechtsbeschwerde vertretenden Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft vom 28.08.2019 lag dem Senat vor.
II.
Die nach § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 OWiG statthafte und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet, weil die Erwägungen, aufgrund derer das Amtsgericht von der Verhängung eines Fahrverbots gegen den Betroffenen abgesehen hat, einer rechtlichen Nachprüfung (unverändert) nicht standhalten.
1. Allerdings hat das Amtsgericht zutreffend das Vorliegen der Voraussetzungen für den von dem Betroffenen aufgrund der Vorahndungslage an sich verwirkten Regelfall eines beharrlichen Pflichtenverstoßes im Sinne von § 25 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. StVG i.V.m. § 4 Abs. 2 Satz 2 BKatV erkannt. Denn gegen den Betroffenen wurde nach den Feststellungen des Amtsgerichts zuletzt wegen einer am 07.04.2018 begangenen und erst seit dem 02.06.2018, mithin nur 10 Tage vor de...