Leitsatz (amtlich)
I. Die Wirksamkeit einer Rechtsmittelbeschränkung ist von Amts wegen zu prüfen; der Erhebung einer Verfahrensrüge bedarf es nicht.
II. Nach § 303 StPO kann die Zurücknahme des Rechtsmittels nach Beginn der Hauptverhandlung nur mit Zustimmung des Rechtsmittelgegners erfolgen; gleiches gilt für eine Rechtsmittelbeschränkung. Diese Zustimmungserklärung kann auch konkludent abgegeben werden.
III. Eine zulässige Berufungsbeschränkung - hier auf den Rechtsfolgenausspruch - setzt zunächst voraus, dass der nach dem Willen des Rechtsmittelführers neu zu verhandelnde Entscheidungsteil losgelöst vom übrigen Urteilsinhalt selbständig geprüft und beurteilt werden kann, und erfordert sodann, dass der nicht angegriffene Teil der Vorentscheidung so festgestellt und bewertet ist, dass er - unabänderlich und damit bindend geworden - eine hinreichend tragfähige Grundlage für eine eigenständige Entscheidung des Berufungsgerichts zu bieten vermag.
IV. Hat das Amtsgericht einen Sachverhalt festgestellt, der eine Verurteilung nach § 241 Abs. 1 StGB trägt und den Schuldumfang ausreichend erkennen lässt, ist es dem Berufungsgericht deshalb verwehrt, zum Nachteil des Angeklagten ergänzende Feststellungen zu § 241 Abs. 2 StGB zu treffen.
V. Bei dem Tatvorwurf eines vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG ist - ebenso wie bei dem Tatvorwurf einer fahrlässigen Trunkenheit im Verkehr nach § 316 Abs.1 und 2 StGB - die Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch wirksam, wenn das angegriffene Urteil Feststellungen zu Tatzeit und Tatort, zu dem verwendeten Kraftfahrzeug sowie zum Fehlen der erforderlichen Fahrerlaubnis und zu einem wissentlichen Handeln des Angeklagten enthält; zu Dauer, (beabsichtigter) Länge und sonstigen Gegebenheiten der Fahrt, zu den Motiven der Tat und zu den Umständen der Alkoholaufnahme können dagegen ergänzende Feststellungen getroffen werden, sofern sie zu den bereits getroffenen Feststellungen nicht in Widerspruch stehen.
VI. Hat das Gericht zur Schuldfähigkeitsbeurteilung und zur Entscheidung über eine Maßregel der Besserung und Sicherung ein Sachverständigengutachten erholt, muss es die wesentlichen Anknüpfungspunkte und Darlegungen des Sachverständigen im Urteil so wiedergegeben, wie dies zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner Schlüssigkeit erforderlich ist.
VII. Zur Prüfungsreihenfolge bezüglich der Voraussetzungen der §§ 20, 21 StGB.
Normenkette
StPO §§ 303, 318, 327, 352; StGB §§ 20-21, 49 Abs. 1, §§ 64, 241 Abs. 1-2, § 316 Abs. 1-2; StVG § 21 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
LG Amberg (Entscheidung vom 16.08.2023; Aktenzeichen 3 NBs 145 Js 5681722) |
Tenor
I. Auf die Revision des Angeklagten S. wird das Urteil des Landgerichts Amberg vom 16.08.2023 im Rechtsfolgenausspruch mit den dazugehörigen Feststellungen aufgehoben.
II. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.
III. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Amberg zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Schwandorf hat den Angeklagten wegen Bedrohung und fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt, ihm die Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen ent- und seinen Führerschein eingezogen. Darüber hinaus hat es die Fahrerlaubnisbehörde angewiesen, dem Angeklagten vor Ablauf von noch 7 Monaten keine Fahrerlaubnis zu erteilen, und ein Messer als Tatmittel eingezogen.
Auf die auf die Rechtsfolgen beschränkte Berufung des Angeklagten hat das Landgericht Amberg dieses Urteil im Rechtsfolgenausspruch dahingehend abgeändert, dass die Sperrfrist für die Erteilung einer Fahrerlaubnis auf drei Monate reduziert wird und die Einziehungsentscheidung in Wegfall gerät. Die weitergehende Berufung des Angeklagten wurde verworfen. Ebenso hat es die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Berufung der Staatsanwaltschaft verworfen.
Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte Revision eingelegt und rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Die Generalstaatsanwaltschaft München beantragt mit Stellungnahme vom 20.10.2023, das Urteil des Landgerichts Amberg vom 16.08.2023 im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückzuverweisen.
II.
Die zulässige Revision hat bereits mit der erhobenen Sachrüge den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
A.
Das Landgericht ist zu Recht von einer wirksamen Berufungsbeschränkung ausgegangen.
1. Die Wirksamkeit einer Rechtsmittelbeschränkung ist nach einhelliger Ansicht in Rechtsprechung und Literatur von Amts wegen zu prüfen (vgl. nur: BGH, Beschluss vom 30.11.1976 - 1 StR 319/76 -, BGHSt 27, 70 - 73, juris; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Auflage 2023, § 352 Rn. 4). Dabei w...