Leitsatz (amtlich)

1. Auch im Bestimmungsverfahren nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO sind – wie im Bestimmungsverfahren nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO – verfahrensrechtliche Bindungswirkungen (§ 281 Abs. 2 S. 4 ZPO) oder Zuständigkeitsverfestigungen (§ 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO) zu beachten. Über eine bei Eintritt der Rechtshängigkeit gegebene Zuständigkeit des angegangenen Gerichts für einen von mehreren Streitgenossen darf sich das bestimmende in dem erst nach Eintritt der Rechtshängigkeit beantragten Bestimmungsverfahren nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht hinwegsetzen.

2. Im Bestimmungsverfahren nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO ist das bestimmende Gericht nicht an einen Parteiantrag, ein bestimmtes Gericht zu bestimmen, gebunden.

 

Normenkette

ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 3; Zpo § 261 Abs. 3 Nr. 2

 

Verfahrensgang

LG München I (Aktenzeichen 11 O 19178/02)

 

Tenor

Als für die Klage zuständiges gemeinsames Gericht wird das LG München I bestimmt.

 

Gründe

I. Der Kläger hat die Beklagte zu 2) beauftragt, einen Kühlhallenanbau zu erstellen. Zur Sicherung etwaiger Gewährleistungsansprüche hat die Beklagte zu 1) eine Gewährleistungsbürgschaft in Höhe 26.500 DM (13.549,23 Euro) übernommen. Der Kläger hat zunächst die Beklagte zu 1) allein im Mahnverfahren auf Zahlung dieses Betrages in Anspruch genommen. Als für ein streitiges Verfahren zuständiges Gericht hat er das LG München I angegeben, bei dem die Beklagte zu 1) ihren allgemeinen Gerichtsstand hat. Nach deren Widerspruch hat er mit der Anspruchsbegründung die Klage auf die Beklagte zu 2) erweitert; er fordert von dieser die Zahlung desselben Betrags als Mängelbeseitigungskosten. Gleichzeitig hat er die Verweisung des Rechtsstreits an das LG Zwickau beantragt, in dessen Bezirk das erstellte Bauwerk liegt und bei dem die Beklagte zu 2) ihren allgemeinen Gerichtsstand hat und auch schon ein selbstständiges Beweisverfahren wegen der Mängel des Bauwerks durchgeführt wurde. Die Beklagte zu 2) hat keinen Anwalt beauftragt; ihr Inhaber hat mit Schreiben vom 2.12.2002 erklärt, die Forderung anzuerkennen. Die Beklagte zu 1) hat sich gegen die von dem Kläger beantragte Verweisung des Rechtsstreits an das LG Zwickau, soweit die Klage gegen sie gerichtet ist, gewandt; nicht dieses, sondern allein das LG München I sei für die Bürgschaftsforderung zuständig. Der Kläger hat daraufhin beantragt, das Verfahren bezüglich der Beklagten zu 2) an das zuständige LG Zwickau zu verweisen. Gleichzeitig hat er „gemäß § 36 Nr. 3 ZPO beantragt … das zuständige Gericht für die Beklagte zu 1) zu bestimmen”, weil die Beklagten Streitgenossen seien und es auch sinnvoll sei, das Verfahren insgesamt vor dem LG Zwickau durchzuführen.

Das LG hat diesen Antrag dem OLG, dieses hat ihn dem BayObLG vorgelegt.

II. 1. Nach § 36 Abs. 2 ZPO, § 9 EGZPO ist das BayObLG für die Entscheidung über den Bestimmungsantrag zuständig.

2. Die Beklagten sind Streitgenossen (§ 60 ZPO; Thomas/Putzo, ZPO, 24. Aufl., § 60 Rz. 2).

Es ist kein gemeinsamer Gerichtsstand begründet, weil nach der auch vom Senat geteilten h.M. die Bürgschaft einen von der Hauptschuld unabhängigen Erfüllungsort hat (Palandt/Sprau, BGB, 62. Aufl., § 765 Rz. 26); als Erfüllungsort der Zahlungspflicht der Beklagten zu 1) kommt hier gem. der allgemeinen Regel des § 269 Abs. 1 BGB nur ihr Sitz – München – in Betracht, während die Beklagte zu 2) ihre Verpflichtungen am Ort des Bauwerks zu erfüllen hat, sodass auch bei ihr der besondere Gerichtsstand nach § 29 Abs. 1 ZPO mit dem allgemeinen Gerichtsstand – beim LG Zwickau – zusammenfällt.

3. Der Umstand, dass die Beklagten nicht, wie es § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO wörtlich voraussetzt, „verklagt werden sollen”, sondern bereits verklagt sind, steht einer Bestimmung des zuständigen Gerichts nach dieser Vorschrift grundsätzlich nicht entgegen (BayObLG v. 20.4.1993 – 1Z AR 5/93, BayObLGZ 1993, 170 [171]; Zöller/Vollkommer, ZPO, 23. Aufl., Rz. 16; Thomas/Putzo, ZPO, 24. Aufl., § 36 Rz. 15). Aus dem konkreten Prozessstand können sich aber Einschränkungen ergeben; denn auch im Bestimmungsverfahren nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO sind – wie im Bestimmungsverfahren nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO – verfahrensrechtliche Bindungswirkungen (§ 281 Abs. 2 S. 4 ZPO) oder Zuständigkeitsverfestigungen (§ 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO) zu beachten (Zöller/Vollkommer, ZPO, 23. Aufl., § 36 Rz. 28; Vollkommer, MDR 1987, 804 [805]).

Hier ist spätestens mit der Zustellung der Anspruchsbegründung an die Beklagte zu 1) (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 23. Aufl., § 696 Rz. 5) die Rechtshängigkeit mit der Wirkung eingetreten, dass die – nach §§ 12, 17 ZPO gegebene – Zuständigkeit des LG München I für die Klage gegen die Beklagte zu 1) bestehen bleibt und somit auch in einem Bestimmungsverfahren nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht mehr geändert werden darf. Anders verhält es sich mit der Klage gegen die Beklagte zu 2; da sie bei einem unzuständigen Gericht erhoben wurde, greift § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO nicht ein.

Demnach ist es zwar nicht mehr möglich, das LG Zwik-kau als das gemeinschaftliche Gericht für b...

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