Leitsatz (amtlich)
Soll eine Änderung der als Inhalt des Sondereigentums im Grundbuch eingetragenen Gemeinschaftsordnung eingetragen werden (hier: die Änderung der Kostenverteilung), kann in entsprechender Anwendung des Unschädlichkeitsgesetzes festgestellt werden, dass dies für die dinglich Berechtigten an den rechtlich nachteilig betroffenen Wohnungseigentumsrechten unschädlich ist.
Normenkette
BGB §§ 876-877; WEG § 10 Abs. 1 S. 2; BayUnschG Art. 1
Verfahrensgang
LG München I (Beschluss vom 28.04.2003; Aktenzeichen 13 T 5828/03) |
AG München (Beschluss vom 04.12.2002; Aktenzeichen 12 UR II 17/02) |
Tenor
I. Die Beschlüsse des LG München I vom 28.4.2003 und des AG München vom 4.12.2002 werden aufgehoben.
II. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das AG zurückverwiesen.
Gründe
I. Die Beteiligten sind die Wohnungseigentümer einer aus mehreren Häusern bestehenden Wohnanlage. In den Wohnungsgrundbüchern ist jeweils als Inhalt des Sondereigentums eine Gemeinschaftsordnung eingetragen. In § 12 dieser Gemeinschaftsordnung ist eine ins Einzelne gehende Regelung über die Kostenverteilung enthalten. Am 22.4.1999 änderten die Beteiligten diese dahin ab, dass die Kosten der Aufzugsanlage einschließlich ihrer Wartung ausschließlich die Eigentümer der Wohnungen zu tragen haben, in deren Haus sich ein Aufzug befindet.
Die Beteiligten haben beantragt, die Unschädlichkeit der Änderung der Gemeinschaftsordnung für die dinglich Berechtigten an den Wohnungseigentumsrechten nach dem Unschädlichkeitsgesetz festzustellen. Das AG hat dies am 4.12.2002 abgelehnt. Das LG hat mit Beschluss vom 28.4.2003 die Beschwerde der Beteiligten zurückgewiesen. Dagegen richtet sich deren weitere Beschwerde.
II. Das Rechtsmittel hat Erfolg. Es führt zur Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen und zur Zurückverweisung der Sache an das AG.
1. Das LG hat ausgeführt: Da es sich nicht um die Veräußerung der Teilfläche eines Grundstücks handle, komme nur eine entspr. Anwendung des Unschädlichkeitsgesetzes in Betracht. Dabei sei zu beachten, dass das Unschädlichkeitsgesetz eine Ausnahmeregelung enthalte, die schon aus verfassungsrechtlichen Erwägungen eng auszulegen sei. Die Verschiebung der Unterhaltungspflichten für die Aufzugsanlage auf einzelne Wohnungseigentümer stelle keine der Veräußerung einer Grundstücksteilfläche vergleichbare Maßnahme dar. Ein veräußerungsähnlicher Vorgang sei zwar im Fall der Begründung eines Sondernutzungsrechts angenommen worden. Dies lasse sich aber auf die Änderung der Kostenregelung nicht übertragen. Auch liege darin keine Schmälerung des Haftungsgegenstands.
2. Die Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
a) Das auf Art. 120 mit Art. 1 Abs. 2 EGBGB beruhende Gesetz, das Unschädlichkeitszeugnis betreffend – UnschG – vom 15.6.1898 (BayRS 403–2-J) bestimmt, dass eine mit Rechten Dritter belastete Teilfläche eines Grundstücks im Falle ihrer Veräußerung ohne Einwilligung der Berechtigten von den Belastungen frei wird, wenn das AG feststellt, dass die Veräußerung für die Berechtigten unschädlich ist. Der Wortlaut der Bestimmung schließt eine unmittelbare Anwendung auf die Änderung einer Gemeinschaftsordnung von Wohnungseigentümern aus. In Betracht kommt jedoch eine entspr. Anwendung.
b) Die Wohnungseigentümer können Vereinbarungen treffen, durch das sie ihr Verhältnis untereinander in Ergänzung oder Abweichung von den Vorschriften des Wohnungseigentumsgesetzes regeln (§ 10 Abs. 1 S. 2 WEG). Solche Vereinbarungen können als Inhalt des Sondereigentums in das Grundbuch eingetragen werden (§ 5 Abs. 4 WEG). Nur in diesem Fall wirken die Vereinbarungen auch gegen den Sondernachfolger eines Wohnungseigentümers (§ 10 Abs. 2 WEG).
Um eine solche Vereinbarung handelt es sich bei der im Grundbuch eingetragenen Gemeinschaftsordnung. Diese enthält eine Vielzahl von Einzelregelungen. In § 12 der Gemeinschaftsordnung ist im vorliegenden Fall die Verpflichtung der einzelnen Wohnungseigentümer ggü. den anderen Wohnungseigentümern, die Lasten des gemeinschaftlichen Eigentums sowie die Kosten der Instandhaltung, Instandsetzung, sonstigen Verwaltung und eines gemeinschaftlichen Gebrauchs des gemeinschaftlichen Eigentums zu tragen, abweichend von der gesetzlichen Bestimmung des § 16 Abs. 2 WEG geregelt. Durch die Änderung dieser Regelung dahin, dass bestimmte Kosten, nämlich die der Aufzugsanlage, nicht von allen, sondern nur von einem Teil der Wohnungseigentümer zu tragen sind, wird der Inhalt des Sondereigentums dieser Wohnungseigentümer nachteilig verändert. Diese Wohnungseigentümer sind bei der Eintragung der Änderung im Grundbuch betroffen. Ist ihr Recht mit dem Recht eines Dritten belastet, so wird auch dessen Position rechtlich nachteilig betroffen. gem. §§ 877, 876 BGB ist materiell-rechtlich auch dessen Zustimmung zu einer Änderung erforderlich; diese kann daher nicht ohne dessen Bewilligung gem. § 19 GBO in das Grundbuch eingetragen werden (BayObLG BayObLGZ 1984, 257 [261]; vgl. BGH v. 14.6.1984 – V ZB 32/82...