Entscheidungsstichwort (Thema)

Revision. Sachrüge. Berufung. Staatsanwaltschaft. Berufungsbeschränkung. Rechtsfolgenausspruch. Strafmaß. Versuch. Drohung. Gewalt. Gewaltdrohung. Geldforderung. Geldübergabe. Zahlungsfrist. Gefahr. Dauergefahr. Leib. Leben. Erpressung. Erpressungsversuch. Tatentschluss. Tatplan. unbeendet. beendet. Rücktritt. Rücktrittshorizont. Tätervorstellung. Taterfolg. Erfolgseintritt. Ausführungshandlung. Fehlschlag. fehlgeschlagen. scheitern. Misslingen. freiwillig. Maßnahme. Vollendungsverhinderung. Aufgabe. aufgeben. Erstgericht. Feststellungen. Tatsachenfeststellungen. Tatgeschehen. Plausibilität. Schuldumfang. Feststellungsmangel. lückenhaft. widersprüchlich. knapp. unzulänglich. dürftig. Verfahrenshindernis. Rechtskraft. Teilrechtskraft. Rechtskrafthemmung. horizontal

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das Revisionsgericht hat die Zulässigkeit der vom Angeklagten gegen ein amtsgerichtliches Urteil eingelegten Berufung nur dann von Amts wegen zu prüfen, wenn (Teil-)Rechtskraft des Ersturteils eingetreten ist. Dies ist nicht der Fall, wenn die Staatsanwaltschaft ihrerseits eine unbeschränkte oder als unbeschränkt zu behandelnde Berufung eingelegt hat.

2. Eine Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch ist unter anderem dann unwirksam, wenn der Angeklagte vom Amtsgericht wegen eines versuchten Delikts verurteilt wurde, nach den Urteilsfeststellungen aber ein strafbefreiender Rücktritt vom Versuch nach § 24 Abs. 1 StGB in Betracht kommt oder diese Frage aufgrund der unzulänglichen Feststellungen des Erstgerichts nicht beurteilt werden kann.

3. Liegt dem Angeklagten eine versuchte Erpressung zur Last, sind aber nach dem Urteilsfeststellungen noch keine Absprachen zu den Übergabemodalitäten getroffen worden, hat der Tatrichter diesen Umstand für die Frage, ob ein unbeendeter oder ein beendeter Versuch vorliegt, in seine Überlegungen einzubeziehen.

 

Normenkette

StGB §§ 22-23, 24 Abs. 1, §§ 253, 255; StPO § 32d S. 2, §§ 261, 301, 318, 349 Abs. 2, 4, §§ 353, 354 Abs. 2 S. 1, § 328 Abs. 2; GVG § 25

 

Verfahrensgang

LG Hof (Entscheidung vom 09.02.2023)

 

Tenor

  • I.

    Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hof vom 9. Februar 2023 mit den Feststellungen aufgehoben.

  • II.

    Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere (kleine) Strafkammer des Landgerichts Hof zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht - Strafrichter - Hof verurteilte den Angeklagten am 31.03.2022 wegen versuchter Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr. Gegen dieses Urteil legte der Angeklagte mit ausschließlich per Telefax am 01.04.2022 dem Amtsgericht Hof übermitteltem Schriftsatz seines Verteidigers vom selben Tag Berufung ein. Mit beim Amtsgericht am 06.04.2022 eingegangenem Schreiben vom 04.04.2022 wandte sich auch die Staatsanwaltschaft gegen das erstinstanzliche Urteil mit dem Rechtsmittel der Berufung, die sie ausdrücklich auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte und damit begründete, dass das Strafmaß dem Unrechtsgehalt der Tat und der Persönlichkeit des Angeklagten nicht gerecht werde. Mit Urteil vom 09.02.2023 hat das Landgericht Hof die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft jeweils als unbegründet verworfen. Mit seiner gegen das Berufungsurteil gerichteten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts. Mit Zuleitungsschrift vom 07.05.2023 hat die Generalstaatsanwaltschaft München beantragt, die Revision gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet zu verwerfen.

II.

Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Revision des Angeklagten ist begründet. Sie führt auf die erhobene Sachrüge hin zur Aufhebung des angefochtenen Berufungsurteils (§ 349 Abs. 4 StPO).

III.

Wie die Generalstaatsanwaltschaft München in ihrer Zuleitungsschrift zutreffend ausführt, hat der Senat die Zulässigkeit der vom Angeklagten eingelegten Berufung, über die das Landgericht in Verkennung der formalen Anforderungen des § 32d Satz 2 StPO in der Sache entschieden hat, aufgrund der Besonderheiten des Verfahrens nicht von Amts wegen zu berücksichtigen.

1. Eine amtswegige Prüfung von Verfahrensverstößen durch das Revisionsgericht hat nur insoweit zu erfolgen, als ein etwaiges Verfahrenshindernis in Erwägung zu ziehen ist.

a) Ein Verfahrenshindernis, das im Falle einer unwirksamen Berufungseinlegung wegen der Rechtskraft der amtsgerichtlichen Entscheidung in Betracht käme, ist aber schon deshalb nicht gegeben, weil auch die Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Amtsgerichts Berufung eingelegt hatte, die den Eintritt der Rechtskraft des Ersturteils vollständig hemmte (vgl. hierzu BayObLG, Beschl. v. 03.08.1993 - 5St RR 63/93 = BayObLGSt 1993, 140 = NStZ 1994, 48 = Rpfleger 1994, 125).

b) Etwas anderes folgt auch nicht etwa daraus, dass die Staatsanwaltschaft ihre Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt hatte. Infolge der Beschränkung des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft trat keine horizontale Teilrechtskraft des Ersturteils ein, was das R...

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