Leitsatz (amtlich)
Eine nach englischem Recht gegründete Limited hat nur dann einen allgemeinen Gerichtsstand im Inland, wenn sie entweder ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung im Inland hat. Ob dies zutrifft, bedarf im Einzelfall näherer Prüfung. Es kann nicht unterstellt werden, dass eine Auslandsgesellschaft, die überwiegend oder vollständig im Inland Geschäfte betreibt, automatisch ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung im Inland hat.
Normenkette
EuGVVO Art. 2, 16, 60; ZPO § 689 Abs. 2, § 703d
Verfahrensgang
AG Hünfeld (Aktenzeichen 05-1601818-0-9-N) |
AG Coburg (Aktenzeichen 05-2952532-02-N) |
Tenor
Zuständig ist das AG Hünfeld.
Gründe
I. Am 26.4.2005 ging bei dem AG Coburg der Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids gegen eine als Limited bezeichnete Gesellschaft ein, die ein Geschäftslokal im Bezirk des OLG München besitzt. Die Antragstellerin hat ihren Wohnsitz in Hessen. Gegenstand des Verfahrens ist die Rückzahlung eines Kaufpreisteils aus einem Versandgeschäft. Mit Beschl. v. 9.6.2005 erklärte sich das AG Coburg für örtlich unzuständig und gab das Verfahren an das AG Hünfeld ab. Mit Verfügung vom 6.7.2005 erklärte sich dieses Gericht für örtlich unzuständig. Als Begründung hierfür gab es an, dass nach § 703d ZPO wegen des fehlenden Gerichtsstands der Antragsgegnerin im Inland das AG Coburg für die Bearbeitung des Mahnverfahrens zuständig sei. Das AG Hünfeld legte das Verfahren dem OLG Bamberg zur Zuständigkeitsbestimmung vor. Dieses leitete es an das BayObLG weiter.
II.1. Das BayObLG ist zur Entscheidung des negativen Zuständigkeitsstreits zwischen dem zuerst befassten bayerischen AG Coburg und dem AG Hünfeld berufen (§ 36 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 ZPO, § 9 EGZPO).
2. Das Verfahren nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO findet auch in Mahnsachen Anwendung (BGH v. 14.7.1993 - X ARZ 461/93, MDR 1994, 95 = NJW 1993, 2752; BayObLG v. 23.4.2002 - 1Z AR 38/02, BayObLGReport 2002, 425 = Rpfleger 2002, 528; Zöller/Vollkommer ZPO 25. Aufl., § 36 Rz. 2 und 23). Eine Zuständigkeitsbestimmung kann in solchen Fällen auch dann erfolgen, wenn keine rechtskräftigen Unzuständigkeitserklärungen vorliegen. Denn Zweck von § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO ist es, einen Zuständigkeitsstreit möglichst schnell zu beenden (BayObLG v. 23.4.2002 - 1Z AR 38/02, BayObLGReport 2002, 425 = Rpfleger 2002, 528 [529]).
3. Angesichts der fehlenden Bindungswirkung des Beschlusses des AG Coburg ist das Mahngericht zu bestimmen, das tatsächlich zuständig ist (BayObLG v. 23.4.2002 - 1Z AR 38/02, BayObLGReport 2002, 425 = Rpfleger 2002, 528 [529]). Zuständig ist das AG Hünfeld.
a) Die deutschen Gerichte sind international zuständig. Die internationale Zuständigkeit ergibt sich aus § 16 Abs. 1 EuGVVO. Die Antragsgegnerin hat als englische Limited ihren Sitz in einem Mitgliedstaat (Vereinigtes Königreich). Für sie gilt die EuGVVO. Art. 16 Abs. 1 EuGVVO regelt in seiner ersten Alternative die internationale und in seiner zweiten Alternative die internationale und die örtliche Zuständigkeit. Nachdem die Antragstellerin einen Anspruch aus einem Verbrauchergeschäft geltend macht, hat sie ein Wahlrecht zwischen der Erhebung der Klage im Mitgliedstaat des Sitzes des Unternehmens oder am Wohnort des Verbrauchers. Die Antragstellerin hat ihr Wahlrecht mit der Stellung des Antrags auf Erlass eines Mahnbescheids im Inland ausgeübt. Nachdem die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für ein streitiges Verfahren eröffnet ist, gilt dies auch für das Mahnverfahren (Zöller/Vollkommer, ZPO, § 703d Rz. 1).
b) § 689 Abs. 2 S. 1 ZPO bestimmt, dass für das Mahnverfahren das Gericht ausschließlich zuständig ist, bei dem der Antragsteller seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. Unstreitig wäre dies das AG Hünfeld. Hat jedoch der Antragsgegner keinen Allgemeinen Gerichtsstand im Inland, so gelten besondere Vorschriften (§ 703d Abs. 1 ZPO). Das ist hier der Fall. Eine nach englischem Recht gegründete Limited hat hier nur in eng umrissenen Ausnahmefällen einen allgemeinen Gerichtsstand. Nach Art. 2 Abs. 1 EuGVVO bestimmt der Wohnsitz den allgemeinen Gerichtsstand. Gesellschaften und juristische Personen haben ihren Wohnsitz an dem Ort, an dem sich entweder ihr satzungsmäßiger Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung befindet (§ 60 Abs. 1 Buchst. a-c EuGVVO). Nach den vorliegenden Erkenntnissen trifft auf die in Anspruch genommene Limited keine der in § 60 Abs. 1 EuGVVO beschriebenen Alternativen zu. Die Eintragung einer Haupt- oder Zweigniederlassung im Handelsregister ist nicht feststellbar. Es kann jedenfalls im Bestimmungsverfahren dafür, ob ein inländischer Gerichtsstand gegeben ist, nicht ohne nähere Prüfung unterstellt werden, dass eine Auslandsgesellschaft, die im Inland Geschäfte betreibt, automatisch ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung im Inland hat (a.A. offenbar Altmeppen/Wilhelm, DB 2004, 1083 [1087]; Reck, Stuß 2004, 989 [990]). Im Übrigen dürfte es nicht selten schwierig sein festzustellen, wo im Inland ...