Entscheidungsstichwort (Thema)
Maßnahmen gemäß § 1837 Abs. 2 BGB, Entlassung des Vormunds und Regelung des Besuchsrechts
Leitsatz (amtlich)
1. Richtet sich der Antrag auf Erlaß einer vorläufigen Anordnung gegen eine Entscheidung des Vormunds, das Kind in Ausübung des Aufenthaltsbestimmungsrechts aus der bisherigen Pflegestelle herauszunehmen und in eine neue Pflegestelle zu verbringen, so erledigt sich die Hauptsache nicht durch die tatsächliche Ausführung dieser Entscheidung.
Eine vorläufige Anordnung erledigt sich in der Hauptsache durch den Erlaß der endgültigen Entscheidung, nicht aber durch den Erlaß einer die vorläufige Anordnung nur vorläufig bestätigenden weiteren Entscheidung.
2. Aufsichtliches Einschreiten des Vormundschaftsgerichts gegen Maßnahmen des Vormunds setzt deren Pflichtwidrigkeit voraus.
3. Die Entlassung eines Vormunds ist nicht nach § 1837 Abs. 4 i.V.m. § 1666 BGB möglich, sondern nur nach den §§ 1886 bis 1889 BGB.
4. Zur Frage der Bestellung eines Verfahrenspflegers, wenn der Vormund das Kind aus einer Pflegefamilie herausnimmt.
Normenkette
BGB §§ 1666, 1684-1685, 1837, 1886-1887; FGG §§ 19, 50, 57 Abs. 1 Nr. 9
Verfahrensgang
LG München I (Beschluss vom 29.07.1998; Aktenzeichen 13 T 11915/98) |
AG München (Entscheidung vom 05.06.1998; Aktenzeichen 715 VII 3006/93) |
Tenor
Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2 gegen den Beschluß des Landgerichts München I vom 29. Juli 1998 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß seine Beschwerde gegen die Entscheidung des Amtsgerichts München vom 5. Juni 1998 insgesamt zurückgewiesen wird.
Tatbestand
I.
Die Mutter der beiden Kinder A., geb. 1993, und B., geb. 1991, ist 1994 verstorben. Sie war die Tochter der Beteiligten zu 2 und 3, die nicht miteinander verheiratet waren und sind. Vater ist ein kenianischer Staatsangehöriger, der Beteiligte zu 1, der mit der Mutter nicht verheiratet war.
Nach dem Tode der Mutter wurden die Kinder, die bei ihrer Mutter gelebt hatten, von den Großeltern betreut. Am 18.12.1994 brachte sie die Großmutter, die sich überfordert fühlte, in ein Kinderheim.
Im Januar 1995 beantragte der Großvater, ihm die Vormundschaft über die Kinder zu übertragen und bis dahin sein Umgangsrecht mit den Kindern zu regeln. Auch die Großmutter stellte den Antrag, ihr die Vormundschaft über die Kinder zu übertragen. Das Vormundschaftsgericht ordnete zur Klärung der Fragen, welches Umgangsrecht mit den Großeltern dem Kindeswohl entspreche, und ob die Unterbringung im Haushalt der Großmutter oder im Haushalt des Großvaters mit dem Kindeswohl vereinbar oder ob es erforderlich sei, die Kinder in eine Pflegefamilie zu geben, ein psychologisches Sachverständigengutachten an. Nachdem die Großmutter den Verdacht geäußert hatte, der Großvater habe die Kinder sexuell mißbraucht, und der Großvater auf Drogenprobleme der Großmutter hingewiesen hatte, wurden in den Gutachtensauftrag auch diese Fragen einbezogen. Die Sachverständige fand keine Anhaltspunkte, die den Verdacht des sexuellen Mißbrauchs bestätigt hätten. Sie stellte auch bei der Großmutter keine auffälligen Befunde fest. Trotz der in früheren Jahren bestehenden Drogenabhängigkeit sei sie nunmehr „glaubhaft abstinent”. Eine Unterbringung der Kinder bei einem Großelternteil hätte aber zur Folge, daß sie in den chronischen Konflikt der Großeltern hineingezogen und dadurch in ihrer Entwicklung gehemmt würden. Daher entspreche dem Wohl der Kinder am ehesten die Unterbringung in einer neutralen Umgebung, z.B. einer Pflegestelle; dort könne auch der wichtige Kontakt zu beiden Großeltern aufrechterhalten werden.
Die Großeltern erklärten sich daraufhin bei der Anhörung am 17.4.1996 einverstanden, daß die Vormundschaft vorerst beim Jugendamt verbleibe; die Großmutter allerdings unter der Voraussetzung, daß die Kinder zu ihr kämen, der Großvater unter der Voraussetzung, daß ihm ein großzügiges Umgangsrecht eingeräumt würde. Das Jugendamt entschied, die Kinder ab 1.9.1996 in eine von der Familie S. geleitete Heimaußenstelle der „Gesellschaft zur Förderung der Humanisierung des Erziehungswesens (GFE)” zu geben.
In der Folge kam es zu sich verschärfenden Konflikten zwischen der Familie S., dem Stadtjugendamt und dem Großvater wegen dessen Besuchsrechts. Das Jugendamt berichtete am 18.7.1997, daß „die Erziehungsstelle der GFE derzeit nicht bereit oder in der Lage” sei, „dem Großvater ein angemessenes Umgangsrecht einzuräumen”. Es stellte eine freiberufliche Sozialpädagogin eigens dazu ein, „den Konflikt ab 1.7.1997 bis Ende Dezember 1997 zu bearbeiten und das Umgangsrecht des Großvaters durch Beratung zu begleiten und zu koordinieren”. Dadurch gelang es aber nicht, den Konflikt zwischen dem Großvater und der Familie S. beizulegen. Das Jugendamt entschloß sich daher im zweiten Quartal 1998 dazu, die Kinder aus der Erziehungsstelle S. wieder herauszunehmen und im Jugendhaus X. unterzubringen. Als dies den Großeltern bekannt wurde, beantragten beide beim Vormundschaftsgericht, dies dem Jugendamt zu verbieten. Der Großvate...