Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensrecht
Leitsatz (redaktionell)
Die Vorschriften des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, die für das Betreuungsverfahren gelten, gebieten kein mündliches Verfahren.
Normenkette
FGG § 8 ff.
Verfahrensgang
LG Memmingen (Beschluss vom 01.03.2002; Aktenzeichen 4 T 192/02) |
AG Memmingen (Aktenzeichen XVII 190/01) |
Tenor
I. Der Beschluß des Landgerichts Memmingen vom 1. März 2002 wird dahin abgeändert, daß der weiteren Betreuerin der Aufgabenkreis Vermögenssorge übertragen wird.
II. Im übrigen wird die weitere Beschwerde zurückgewiesen.
Tatbestand
I.
Das Amtsgericht bestellte am 22.10.2001 für die geistig verwirrte Betroffene hinsichtlich der Aufgabenkreise Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitsfürsorge, Vermögenssorge und Unterbringung den Sohn der Betroffenen zum Betreuer. Hinsichtlich des Aufgabenkreises Abschluß, Änderung und Kontrolle der Einhaltung des Pflegevertrags bestellte es eine weitere, berufsmäßige Betreuerin.
Hiergegen erhob die weitere Beteiligte (Tochter der Betroffenen) insoweit Beschwerde, als sie anstelle ihres Bruders insgesamt einen Berufsbetreuer eingesetzt haben möchte.
Das Landgericht hat hierauf den Aufgabenkreis der weiteren Betreuerin auf die Kontrolle der Einhaltung des Übergabevertrags vom 14.6.1982 erweitert und im übrigen die Beschwerde zurückgewiesen.
Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde der weiteren Beteiligten.
Entscheidungsgründe
II.
Die weitere Beschwerde ist zulässig und zum Teil begründet.
1. Zum Betreuer bestellt das Vormundschaftsgericht eine natürliche Person, die geeignet ist, in dem gerichtlich bestimmten Aufgabenkreis die Angelegenheiten des Betreuten rechtlich zu besorgen und ihn in dem hierfür erforderlichen Umfang persönlich zu betreuen (§ 1897 Abs. 1 BGB). Schlägt der volljährige Betreute niemanden vor, der zum Betreuer bestellt werden kann, so ist bei der Auswahl des Betreuers auf die verwandtschaftlichen und sonstigen persönlichen Bindungen des Betreuten, insbesondere auf die Bindungen zu seinen Kindern sowie auf die Gefahr von Interessenkonflikten Rücksicht zu nehmen (§ 1897 Abs. 5 BGB). Einen weiteren Betreuer kann das Landgericht dann bestellen, wenn die Angelegenheiten des Betreuten durch mehrere Betreuer besser besorgt werden können (§ 1899 Abs. 1 BGB) oder der andere Betreuer aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen verhindert ist (§ 1899 Abs. 4 BGB; BayObLGZ 1997, 288/290).
2. Das Landgericht hat ausgeführt, es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, daß der Sohn der Betroffenen als Betreuer nicht tauglich sei, zumal der Übergabevertrag zeige, daß die Betroffene zu ihrem Sohn ein besonderes Vertrauensverhältnis habe. Auch die in der Vergangenheit getätigten Überweisungen zu seinen, des Sohnes und dessen Ehefrau Gunsten begründeten nicht die Gefahr, daß sich der Sohn zulasten seiner Mutter zu bereichern beabsichtige. Der Übergabevertrag stehe nämlich einer Vergütung der von dem Sohn bzw. dessen Ehefrau erbrachten Pflegeleistungen gegenüber der Betroffenen nicht entgegen, weil dieser Vertrag die Unentgeltlichkeit von Wart und Pflege lediglich in dem (von der Betroffenen jetzt nicht mehr bewohnten) Anwesen St. Straße 4 vorsehe.
3. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO n.F.) nicht stand.
a) Das Rechtsbeschwerdegericht kann die Auswahlentscheidung des Tatrichters, die dessen pflichtgemäßem Ermessen obliegt (vgl. BayObLG FamRZ 1994, 530 f.; MünchKomm/Schwab BGB 3. Aufl. § 1897 Rn. 25), nur auf Rechtsfehler überprüfen (vgl. BayObLG FamRZ 1996, 507; OLG Celle Nds.Rpfl. 1997, 45/46), nämlich dahin, ob der Tatrichter von seinem Ermessen keinen oder einen rechtlich fehlerhaften, Sinn und Zweck des Gesetzes zuwiderlaufenden Gebrauch gemacht hat, von ungenügenden oder verfahrenswidrig zustande gekommenen Feststellungen ausgegangen ist oder wesentliche Umstände unberücksichtigt gelassen hat (BayObLGZ 1980, 421/425; Keidel/Kahl FGG 14. Aufl. § 27 Rn. 27 m.w.N.).
Das Landgericht hat bei der Abwägung, ob und in welchem Umfang die Gefahr eines Interessenkonfliktes erheblichen Ausmaßes (vgl. BayObLG FamRZ 1999, 49; BtPrax 2000, 260) einer Bestellung des Sohnes der Betroffenen zum Betreuer entgegensteht, wesentliche Umstände unberücksichtigt gelassen.
Nicht berücksichtigt wurde, daß der Haushalt der Betroffenen im Anwesen St. Straße 4 Mitte 1998 aufgelöst (Vermögensverzeichnis vom 19.11.2001) und die Betroffene, schon damals zeitlich und örtlich nicht mehr orientiert (Angabe des Betreuers am 23.4.2001 gegenüber dem Amtsgericht und ärztliches Zeugnis vom 12.4.2001), in die Wohnung ihres Sohnes aufgenommen wurde, obwohl sie aufgrund des dinglichen Wohnungsrechts (Ziff. VI A 1 des Übergabevertrags) im Anwesen St. Straße 4 hätte bleiben dürfen und jederzeit in das Vertragsanwesen zurückkehren dürfte. Nicht berücksichtigt wurde zudem, daß bei einer Abwesenheit auf Dauer für die Befreiung von der Pflicht zur Gewährung der Wohnung eine Geldrente zu zahlen sein dürfte (Art. 18 AGBGB)....