Leitsatz (amtlich)

Zur Auslegung einer Gemeinschaftsordnung für eine aus einem Vorder- und einem Rückgebäude bestehenden Wohnanlage, nach der hinsichtlich der Beschlusszuständigkeit und der Verpflichtung, die „Betriebs- und Renovierungskosten” zu tragen, streng nach den beiden Gebäudeteilen zu unterscheiden ist.

 

Verfahrensgang

LG München I (Beschluss vom 22.09.2003; Aktenzeichen 1 T 4644/03)

AG München (Aktenzeichen 481 UR II 822/02)

 

Tenor

I. Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner gegen den Beschluss des LG München I vom 22.9.2003 wird zurückgewiesen.

II. Die Antragsgegner haben als Gesamtschuldner die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.

III. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 25.000 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Antragsteller und die Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage, die von der weiteren Beteiligten verwaltet wird. Die Wohnanlage besteht aus einem Vorder- und einem Rückgebäude. Die Wohnungen der Antragsteller liegen im Vordergebäude.

Die Gemeinschaftsordnung bestimmt in Abschnitt II Nr. 3 des Nachtrags vom 24.6.1987 hinsichtlich der „Betriebs- und Renovierungskosten”:

Die Wohnungseigentümergemeinschaft unterscheidet deshalb streng zwischen Vorderhaus (15 Wohnungen) und Rückgebäude (5 Wohnungen). Alle Kosten, die aus einem dieser Gebäudeteile entstehen und gegen den anderen Gebäudeteil genau abgrenzbar sind, werden ausschließlich den Miteigentümern dieses Gebäudeteils im Verhältnis ihrer Miteigentumsanteile untereinander in Rechnung gestellt.

Entsprechend dieser Regelung bedarf es zur Beschlussfassung von Arbeiten am Gemeinschaftseigentum und sonstigen Angelegenheiten nur jeweils der Zustimmung der Miteigentümer des Vorder- oder des Rückgebäudes, soweit gesetzlich zulässig.

Am 1.7.2002 beschlossen die Wohnungseigentümer unter Tagesordnungspunkt (TOP) 1 (Antrag 3), für die Sanierung der Kelleraußenmauern am Rückgebäude die Instandhaltungsrücklage bis zur Höhe von 25.000 Euro einzusetzen und den darüber hinausgehenden Betrag durch eine von allen Wohnungseigentümern entspr. der Größe ihrer Miteigentumsanteile zu erhebende Sonderumlage aufzubringen.

An der Abstimmung beteiligten sich Eigentümer sowohl des Vorder- als auch des Rückgebäudes.

Die Antragsteller haben beantragt, diesen Eigentümerbeschluss für ungültig zu erklären. Das AG hat den Antrag am 19.2.2003 abgewiesen. Das LG hat ihm durch Beschl. v. 22.9.2003 stattgegeben. Dagegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner.

II. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1. Das LG hat ausgeführt: Unter Renovierungsarbeiten im Sinne der Gemeinschaftsordnung seien Baumaßnahmen aller Art gemeint. Die Gemeinschaftsordnung strebe eine wirtschaftliche Verselbständigung der beiden Bauteile ohne Rücksicht darauf an, dass Kellerräume in beiden Gebäudeteilen von allen Eigentümern genutzt würden. Die Sanierung der Kelleraußenmauern am Rückgebäude gegen Feuchtigkeit stelle eine Baumaßnahme dar, die allein das Rückgebäude betreffe und deren Kosten von vorneherein nur diesem Gebäudeteil zuzuordnen seien, so dass nur die Eigentümer des Rückgebäudes für sie aufzukommen hätten.

2. Die Entscheidung des LG hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Zur Auslegung der als Inhalt des Sondereigentums im Grundbuch eingetragenen Gemeinschaftsordnung ist das Rechtsbeschwerdegericht ohne Bindung an die Auslegung durch das LG befugt. Dabei ist auf Wortlaut und Sinn abzustellen, wie er sich für einen unbefangenen Leser als nächstliegende Bedeutung ergibt (allg. M. und st. Rspr. d. BayObLG; BGH v. 29.1.1993 – V ZB 24/92, BGHZ 121, 236 [239] = MDR 1993, 442; v. 10.9.1998 – V ZB 11/98, BGHZ 139, 288 [292] = MDR 1999, 28; BayObLG NJW-RR 1988, 140; WuM 1991, 305; Merle in Bärmann/Pick/Merle, WEG, 9. Aufl., § 45 Rz. 90; Palandt/Bassenge, BGB, WEG, 62. Aufl., § 10 Rz. 8).

b) Nach diesen Grundsätzen kommt der Senat bei der Auslegung zum selben Ergebnis wie das LG. Unter „Renovierungskosten” sind nach der nächstliegenden Bedeutung die Kosten der Instandsetzung und Instandhaltung zu verstehen, die jeder Wohnungseigentümer als Maßnahme einer ordnungsmäßigen Verwaltung verlangen kann (§ 21 Abs. 4, 5 Nr. 2 WEG). Um eine Instandsetzungsmaßnahme handelt es sich bei der unter TOP 1 vom 1.7.2002 beschlossenen Sanierung der Kelleraußenmauern des Rückgebäudes wegen der bestehenden Feuchtigkeit. Diese Maßnahme ist zweifelsfrei dem Rückgebäude zuzuordnen. Ob entspr. für die Instandsetzung der im Vordergebäude befindlichen, zur Versorgung beider Gebäude bestimmten Einrichtungen, z.B. die Heizungsanlage, gelten könnte, erscheint zweifelhaft, braucht hier aber nicht entschieden zu werden.

Da es sich bei der Sanierung der Außenmauern des Rückgebäudes um eine nicht über eine ordnungsmäßige Instandsetzung hinausgehende Maßnahme handelt, konnten die Wohnungseigentümer darüber mit Mehrheit beschließen (§ 22 Abs. 1, § 21 Abs. 3 WEG). Zur Beschlussfassung berufen sind nach dem Nachtrag zur Teilungserklär...

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