Entscheidungsstichwort (Thema)
Wohnungseigentumssache: Öffentliche Zustellung bei unbekanntem Aufenthalt des materiell verfahrensbeteiligten Verwalters
Verfahrensgang
AG München (Aktenzeichen UR II 1249/87) |
LG München I (Aktenzeichen 1 T 8781/89) |
Tenor
I. Auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner wird der Beschluß des Landgerichts München I vom 19. Januar 1990 aufgehoben.
II. Die Sache wird zur neuen Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.
III. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 7 000 DM festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller, die Antragsgegnerin zu 1 und die Antragsgegner zu 2 sind jeweils die Eigentümer einer aus drei Wohnungen bestehenden Wohnanlage. Das Sondereigentum an jeder Wohnung ist mit einem Miteigentumsanteil von 1/3 verbunden. Die Nutzflächen der einzelnen Wohnungen weichen geringfügig voneinander ab.
§ 8 Abs. 2 Satz 2 der als Inhalt des Sondereigentums im Grundbuch eingetragenen Gemeinschaftsordnung (GO) bestimmt:
Der Anteil des einzelnen Wohnungseigentümers an den Bewirtschaftungskosten einschließlich der Instandhaltungsrücklagen wird durch den Verwalter bestimmt.
Am 12.11.1987 faßten die Wohnungseigentümer folgende Beschlüsse:
TOP 3:
Der Anteil der Wohnungseigentümer an den Bewirtschaftungskosten einschließlich der Instandhaltungskosten wird wie bisher durch den Verwalter gemäß § 8 Abs. 2 der Teilungserklärung bestimmt und richtet sich wie bisher nach der Quadratmeterwohnfläche …
TOP 7:
a) Die Überdachung der Auffahrtsrampe erfolgt durch eine offene Balkenüberdachung, die im Winter mit einer Plane abgedeckt wird. Finanzierung aus der Instandhaltungsrücklage.
b) Neugestaltung des Gartenweges:
Belegen mit Betonlochsteinen und Grasbepflanzung und Anbringen von fünf Fahrradhaltern im vorderen Bereich. Finanzierung der Fahrradständer aus Instandhaltungsrücklage.
Der Antragsteller hat beantragt, diese Eigentümerbeschlüsse für ungültig zu erklären. Das Amtsgericht hat dem Antrag am 10.04.1989 stattgegeben. Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde am 19.01.1990 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner.
II.
Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht. Das Beschwerdegericht hat dadurch das Gesetz verletzt, daß es den Verwalter nicht am Verfahren beteiligt hat (§ 43 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 4 Nr. 2 WEG, § 27 Satz 2 FGG, §§ 550, 551 Nr. 5 ZPO).
1. Gegenstand des Verfahrens ist die Anfechtung von Eigentümerbeschlüssen durch den Antragsteller. Gemäß § 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG entscheidet das Wohnungseigentumsgericht auf Antrag eines Wohnungseigentümers oder des Verwalters über die Gültigkeit von Beschlüssen der Wohnungseigentümer. An diesem Verfahren sind gemäß § 43 Abs. 4 Nr. 2 WEG nicht nur alle Wohnungseigentümer, sondern auch der Verwalter beteiligt. Das Landgericht hätte deshalb den Verwalter formell am Verfahren beteiligen müssen. Die Beteiligung ist auch ein Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs und der Sachaufklärung (BayObLG WuM 1989, 451 und 531).
Der Verwalter wurde von den Wohnungseigentümern am 12.11.1987 mit Wirkung ab 01.01.1988 für weitere drei Jahre gewählt. Weder ist dieser Beschluß für ungültig erklärt worden noch ist der Verwalter in der Zwischenzeit abberufen worden. Allerdings ist er nach Angabe der übrigen Verfahrensbeteiligten seit längerer Zeit unbekannten Aufenthalts. Dem Verwalter wurden im Beschwerdeverfahren einzelne Schriftstücke, nicht jedoch u. a. auch der Beschluß des Landgerichts vom 19.01.1990 unter seiner bisherigen Anschrift bei der Antragsgegnerin zu 1 zugeleitet. Eine wirksame Beteiligung liegt damit nicht vor. Sie hat zur Voraussetzung, daß demjenigen, der am Verfahren beteiligt ist, alle Schriftstücke anderer Beteiligter und des Gerichts einschließlich gerichtlicher Verfügungen zur Kenntnis gebracht werden.
Ausdrücklich gesetzlich geregelt ist in § 16 Abs. 2, 3 FGG lediglich, wie gerichtliche Verfügungen bekanntzumachen sind. In Betracht kommt die Verkündung zu Protokoll oder die schriftliche Eröffnung durch Zustellung oder in sonstiger Weise. In gleicher Weise sind auch sonstige Schriftstücke, bei denen es sich nicht um gerichtliche Verfügungen handelt, bekanntzumachen. Die schriftliche Eröffnung, von der hier teilweise Gebrauch gemacht wurde, setzt aber voraus, daß die Anschrift desjenigen bekannt ist, der am Verfahren formell beteiligt werden soll. Nachdem der Verwalter seit längerer Zeit nicht mehr in seiner bisherigen Wohnung lebt, vielmehr unbekannten Aufenthalts ist, scheidet eine Bekanntmachung durch Übersendung von Schriftstücken an seine alte Anschrift aus. In Betracht kommt in entsprechender Anwendung des § 16 Abs. 2 Satz 1 FGG in Verb. mit §§ 203 ff. ZPO jedoch eine öffentliche Zustellung. Voraussetzung hierfür wäre aber gewesen, daß zunächst über ein Auskunftsersuchen bei dem zuständigen Einwohnermeldeamt versucht worden wäre, die jetzig...