Leitsatz (amtlich)
Auch nach Unanfechtbarkeit eines Kostenfestsetzungsbeschlusses der Vergabekammer kann die erstattungsberechtigte Partei die Nachfestsetzung höherer Gebühren verlangen, wenn sie im abgeschlossenen Kostenfestsetzungsverfahren irrtümlich von einem zu niedrigen Streitwert ausgegangen ist.
Verfahrensgang
Vergabekammer Südbayern (Beschluss vom 08.12.2003; Aktenzeichen 120.3-3194.1-16-04/03) |
Tenor
I. Auf die sofortige Beschwerde der Beigeladenen zu 1) werden der Beschluss der Vergabekammer Südbayern vom 8.12.2003 aufgehoben und der Beschluss der Vergabekammer Südbayern vom 7.8.2003 in Nr. 1 dahin abgeändert, dass die notwendigen Aufwendungen der Beigeladenen zu 1) auf insgesamt 2.079 Euro festgesetzt werden.
II. Die Antragstellerin und die Beigeladene zu 2) haben die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 960 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Mit Beschluss vom 25.6.2003 hat die Vergabekammer den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin sowie die Anträge der Beigeladenen zu 2) als unzulässig verworfen und ihnen zu jeweils gleichen Teilen die Kosten des Verfahrens auferlegt. Die Zuziehung von Bevollmächtigten durch die Antragstellerin und die Beigeladene zu 1) wurde für notwendig erklärt.
Mit Schriftsatz vom 14.7.2003 beantragte die Beigeladene zu 1), die ihr zu erstattenden Anwaltsgebühren und Auslagen auf 1.826 Euro festzusetzen. Der Betrag setzt sich zusammen aus einer 10/10 Geschäftsgebühr gem. § 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO - berechnet aus einem Streitwert von 43.565,20 Euro - i.H.v. 974 Euro, einer Auslagenpauschale sowie Beträgen für Reisekosten und Verdienstausfall des Geschäftsführers.
Mit Beschluss vom 7.8.2003 setzte die Vergabekammer die der Beigeladenen zu 1) zu erstattenden Aufwendungen auf 1.112 Euro fest. Die Differenz zur beantragten Festsetzung betrifft die Beträge für Reisekosten und Verdienstausfall und steht hier nicht in Streit; die Geschäftsgebühr i.H.v. 974 Euro wurde wie beantragt berücksichtigt. Der Beschluss der Vergabekammer wurde nicht mit Rechtsmitteln angefochten.
Mit Schriftsatz vom 10.10.2003 beantragte die Beigeladene zu 1), ihre 10/10 Geschäftsgebühr auf 1.934 Euro festzusetzen. In ihrem Festsetzungsantrag vom 14.7.2003 habe sie übersehen, dass der ausgeschriebene Auftrag eine Laufzeit von vier Jahren habe. Der Geschäftsgebühr sei nicht, wie ursprünglich angenommen, ein Streitwert von 43.565,20 Euro, sondern ein Streitwert von 229.553,32 Euro zugrunde zu legen; hieraus errechne sich die nunmehr geltend gemachte Gebührenhöhe.
Die Vergabekammer lehnte mit Beschluss vom 8.12.2003 den Antrag auf Änderung des Kostenfestsetzungsbeschlusses ab. Dieser sei rechtskräftig geworden. Darauf, ob der ursprünglich geltend gemachte Gegenstandswert richtig berechnet gewesen sei, komme es nicht an. Die Kostenschuldner müssten sich auf die einmal festgesetzte Gebührenhöhe verlassen können.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beigeladene zu 1) mit ihrer sofortigen Beschwerde, mit der sie ihren Antrag auf Erhöhung der Festsetzung um 960 Euro (Differenz zwischen 1.934 Euro und 974 Euro) weiterverfolgt. Ihrer Auffassung nach beinhaltet ihr Antrag eine zulässige Ergänzung im Wege der Nachfestsetzung.
In einem zweiten Beschluss vom 8.12.2003 (gleiches Datum und gleiches Aktenzeichen wie der angefochtene Beschluss) setzte die Vergabekammer die der Antragsgegnerin zu erstattenden Aufwendungen fest. Dieser Beschluss, in dem die Rechtsanwaltsgebühren aus einem Streitwert von 229.553,32 Euro (vier Jahre Laufzeit) berechnet sind, wurde nicht mit Rechtsmitteln angefochten und ist nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens.
II.1. Die sofortige Beschwerde ist statthaft und auch im Übrigen zulässig, insb. form- und fristgerecht eingelegt (§§ 116, 117 GWB). Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist gegen Kostenentscheidungen der Vergabekammer (Kostengrundentscheidungen ebenso wie Kostenfestsetzungsbeschlüsse) das Rechtsmittel der sofortige Beschwerde nach §§ 116 ff. GWB zum BayObLG gegeben (vgl. BayObLG NZBau 2000, 59; VergabeR 2003, 109; BayObLG, Beschl. v. 20.1.2004 - Verg 21/03).
2. Das Rechtsmittel ist auch begründet. Die Vergabekammer hat die beantragte Nachfestsetzung zu Unrecht abgelehnt.
a) Zutreffend geht die Vergabekammer davon aus, dass Kostenfestsetzungsbeschlüsse bestandskräftig werden und in Rechtskraft erwachsen können (vgl. OLG Hamburg JurBüro 1986, 462; OLG Frankfurt JurBüro 1986, 599; Zöller/Herget, ZPO, 24. Aufl., § 104 Rz. 21 - "Rechtskraft"; Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl., § 164 Rz. 3; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl., § 80 Rz. 96). Die Bestands- oder Rechtskraft reicht aber nur soweit, als über geltend gemachte Aufwendungen entschieden wurde, diese also entweder zugesprochen oder aberkannt wurden. Rechtskraftfähig sind nur die einzelnen Posten, nicht der Gesamtbetrag. Bisher nicht angemeldete Kosten werden von der Rechtskraftwirkung nicht erfasst; insoweit ist die prinzipielle Zulässigkeit der Nachfestsetzung allgemein anerkannt (vg...