Entscheidungsstichwort (Thema)
Wohnungseigentumssache: Berechtigung zur Beschlussanfechtung sowie Übertragbarkeit von Abrechnungserzwingung und Verwalterentlastung
Verfahrensgang
AG München (Aktenzeichen UR II 443/87) |
LG München I (Aktenzeichen 1 T 19074/87) |
Tenor
I. Auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin werden die Beschlüsse des Landgerichts München I vom 10. November 1987 und des Amtsgerichts München vom 7. September 1987, jeweils mit Ausnahme der Geschäftswertfestsetzung, aufgehoben.
II. Der Beschluß der Eigentümerversammlung vom 10. April 1987 zu Tagesordnungspunkt 2 (Entlastung des Verwalters bezüglich der Abrechnung durch den Beirat) wird für ungültig erklärt.
III. Antragstellerin und Antragsgegner, diese als Gesamtschuldner, haben jeweils die Hälfte der Gerichtskosten des ersten Rechtszugs zu tragen. Die Gerichtskosten des zweiten Rechtszugs und des Rechtsbeschwerdeverfahrens haben die Antragsgegner als Gesamtschuldner zu tragen. Außergerichtliche Kosten sind in keinem Rechtszug zu erstatten.
IV. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 14 100 DM festgesetzt.
Gründe
I.
Antragstellerin und Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage. In der Versammlung vom 10.4.1987 führte ein Mitglied des Verwaltungsbeirats zu Tagesordnungspunkt 2 („Abrechnung der Heizungs- und Nebenkosten vom Einzug bis 31.12.1986”) aus, daß der beauftragte Wirtschaftsprüfer die Jahresabrechnung so spät geprüft habe, daß die Prüfung durch den Verwaltungsbeirat nicht mehr vor der Versammlung möglich gewesen sei. Der Vorschlag, daß dies so schnell wie möglich nachgeholt werde und danach innerhalb von drei Wochen die Entlastung des Verwalters bezüglich der Abrechnung durch den Beirat erfolgen solle, wurde von den anwesenden und vertretenen Wohnungseigentümern (zusammen 752,129/1000 Miteigentumsanteile) einschließlich der Antragstellerin einstimmig gebilligt.
Die Antragstellerin hat am 11.5.1987 (einem Montag) beim Amtsgericht beantragt, den Beschluß der Eigentümerversammlung vom 10.4.1987 zu Tagesordnungspunkt 2 für ungültig zu erklären. Der Eigentümerbeschluß verstoße gegen das Gesetz und gegen die Grundsätze ordnungsmäßiger Verwaltung, da über die Entlastung des Verwalters und damit auch über die Jahresabrechnung die Wohnungseigentümer beschließen müßten. Beides könne nicht auf den Verwaltungsbeirat übertragen werden. Sie, die Antragstellerin, habe irrigerweise dem Vorschlag zugestimmt. Erst nach der Versammlung habe sie die Abrechnungsunterlagen überprüfen können und dabei Mängel festgestellt: Bei den Ausgaben für „Müllabfuhr” seien Kosten für den Transport von zwei Müllcontainern in Höhe von 550,62 DM aufgeführt; diese Kosten seien durch den Abtransport von Abfällen der Bauhandwerker entstanden und hätten nichts mit den Wohnungseigentümern zu tun. In der Jahresabrechnung seien keine Angaben über die Einnahmen enthalten; diese ließen sich allenfalls aus den Kontenblättern der einzelnen Wohnungseigentümer errechnen. Auch fehlten Angaben über den Stand der Gemeinschaftskonten, insbesondere über die Instandhaltungsrücklage.
Zwei weitere Anfechtungsanträge zu anderen Tagesordnungspunkten der Eigentümerversammlung vom 10.4.1987 hat die Antragstellerin wieder zurückgenommen.
Das Amtsgericht hat den Antrag mit Beschluß vom 7.9.1987 abgewiesen. Das Landgericht hat die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde mit Beschluß vom 10.11.1987 zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin.
II.
Das zulässige Rechtsmittel ist begründet.
1. Das Landgericht hat, teilweise durch Bezugnahme auf die Entscheidung des Amtsgerichts, ausgeführt:
Der Antragstellerin fehle das Rechtsschutzbedürfnis für die Anfechtung des Eigentümerbeschlusses vom 10.4.1987, Tagesordnungspunkt 2. Durch die Anfechtung setze sie sich in Widerspruch zu ihrem eigenen früheren Verhalten und handle somit dem Grundsatz von Treu und Glauben zuwider. Eine Anfechtung sei in solchen Fällen nur zulässig, wenn dargetan werde, daß der Anfechtende die Tragweite der Zustimmungserklärung verkannt habe. Die Antragstellerin habe in Kenntnis dessen, daß die Abrechnung bis zum 10.4.1987 durch den Verwaltungsbeirat nicht geprüft worden war und nach der Diskussion über einzelne Positionen der Abrechnung dem Beschluß, die Prüfung und Entlastung dem Verwaltungsbeirat zu überlassen, zugestimmt. Sie habe in Kenntnis sämtlicher zu der Beschlußfassung führenden Umstände ihre Stimme abgegeben. Alle Umstände, die zu diesem Eigentümerbeschluß geführt hätten, seien in der Versammlung diskutiert worden und der Antragstellerin vor ihrer Stimmabgabe bekannt gewesen. Daß sie keine Gelegenheit gehabt habe, vor der Versammlung die Abrechnungsunterlagen zu überprüfen, falle demgegenüber nicht entscheidend ins Gewicht, da ja gerade nicht über die Jahresabrechnung abgestimmt worden sei. Die Antragstellerin habe es mit ihrer Ja-Stimme für sinnvoll gehalten, die Überprüfung der Jahresabrechnung in die Hand des Beirats zu legen. Unter dies...