Leitsatz (amtlich)
Sollen Grenzberichtigungen zwischen mehreren auf eigenen Grundbuchblättern vorgetragenen Grundstücken eines Bauträgers vorgenommen werden, die ganz überwiegend bereits an Erwerber mit eingetragenen Eigentumsvormerkungen für diese verkauft und mit Finanzierungsgrundpfandrechten belastet sind, ist die Erteilung eines Unschädlichkeitszeugnisses nicht grundsätzlich ausgeschlossen.
Normenkette
BayUnschG Art. 1
Verfahrensgang
LG Würzburg (Beschluss vom 14.05.2003; Aktenzeichen 3 T 365/03) |
AG Kitzingen (Beschluss vom 13.02.2003; Aktenzeichen UR II 29/02) |
Tenor
I. Die Beschlüsse des LG Würzburg vom 14.5.2003 und des AG Kitzingen vom 13.2.2003 werden aufgehoben.
II. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das AG Kitzingen zurückverwiesen.
Gründe
I. Die Beteiligte, eine Bauträger-GmbH, ist als Eigentümerin mehrerer Grundstücke sowie Miteigentumsanteile an weiteren Grundstücken, z.B. Wegegrundstücken, im Grundbuch eingetragen. Die Stammgrundstücke samt Miteigentumsanteilen an den dienenden Grundstücken sind jeweils auf einem eigenen Grundbuchblatt vorgetragen. Sie sind ganz überwiegend an Erwerber verkauft, für die Eigentumsvormerkungen eingetragen sind. Die Grundstücke und Miteigentumsanteile sind außer mit Rechten in Abteilung II und Globalgrundschulden, soweit sie verkauft sind, auch mit Finanzierungsgrundpfandrechten der Erwerber belastet.
Nach Maßgabe eines Veränderungsnachweises sollen zwischen den einzelnen Grundstücken Grenzberichtigungen vorgenommen werden. Die Beteiligte hat beantragt, die Unschädlichkeit des Vollzugs des Veränderungsnachweises für bestimmt bezeichnete dingliche Rechte an den Grundstücken nach dem Unschädlichkeitsgesetz festzustellen. Das AG hat dies am 13.2.2003 abgelehnt. Das LG hat mit Beschluss vom 14.5.2003 die Beschwerde zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten.
II. Das Rechtsmittel hat Erfolg. Es führt zur Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen und zur Zurückverweisung der Sache an das AG.
1. Das LG hat ausgeführt: Nach dem Wortlaut des Gesetzes könne ein Unschädlichkeitszeugnis nur für den Teil eines Grundstücks erteilt werden, der an einen Dritten veräußert werde. Abschreibungen im eigenen Besitz würden von der gesetzlichen Regelung nicht erfasst, auch wenn dafür ein praktisches Bedürfnis bestehe. Eine entspr. Anwendung scheitere daran, dass es sich bei der gesetzlichen Regelung um eine Ausnahme zu Lasten der dinglich Berechtigten handle.
2. Die Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
a) Das auf Art. 120 mit Art. 1 Abs. 2 EGBGB beruhende Gesetz, das Unschädlichkeitszeugnis betreffend – UnschG – vom 15.6.1898 (BayRS 403–2-J) bestimmt, das eine mit Rechten Dritter belastete Teilfläche eines Grundstücks im Fall ihrer Veräußerung ohne Einwilligung der Berechtigten von Belastungen frei wird, wenn das AG feststellt, dass die Veräußerung für die Berechtigten unschädlich ist. Der Wortlaut des Gesetzes schließt eine Anwendung auf die Fälle aus, in denen Teilflächen von Grundstücken ohne Eigentumsänderung abgeschrieben werden sollen. In Betracht kommt aber unter bestimmten Voraussetzungen eine entspr. Anwendung.
b) Der Senat teilt die Bedenken gegen eine Anwendung des Unschädlichkeitsgesetzes auf bloße Änderungen im Bestand ohne Eigentumsübertragung. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn damit künftige Eigentumsübertragungen vorbereitet werden sollen (Röll, MittBayNot 1968, 353 [354]; Sprau, Justizgesetze in Bayern, UnschG, Rz. 23). Der Senat hat sich mit der aufgeworfenen Frage in seiner Entscheidung vom 7.6.1989 (BayObLG v. 7.6.1989 – BReg. 2 Z 10/89, BayObLGZ 1989, 200 = DNotZ 1990, 294) im Einzelnen auseinandergesetzt und darauf hingewiesen, dass die Erteilung eines Unschädlichkeitszeugnisses bei einer Teilflächenverschiebung zwischen Grundstücken desselben Eigentümers weder von dem Unschädlichkeitsgesetz noch von dem Vorbehalt des Art. 120 EGBGB für den Landesgesetzgeber gedeckt wäre.
c) Unter den besonderen Voraussetzungen des vorliegenden Falls hält der Senat jedoch eine entspr. Anwendung für zulässig und geboten. Dem Unschädlichkeitsgesetz liegt die Erwägung zugrunde, dass bei einer nur geringfügigen Wertminderung des Haftungsobjekts die sich aus § 875 ff. BGB i.V.m. §§ 19, 29 GBO ergebende Notwendigkeit, die Pfandfreigabeerklärung der dinglich Berechtigten beizugeben, Härten zur Folge hätte, an denen vielfach die Maßnahme, welche eine Schmälerung des Haftungsgegenstands auslöst, häufig schon wegen der Kosten scheitern würde. Zweck des Gesetzes ist es, solche Härten zu vermeiden (vgl. BayObLGZ 1962, 386 [398 f.]; BayObLGZ 2003 Nr. 27). Der Senat hat insbesondere im Bereich des Wohnungseigentums mit Zustimmung des Schrifttums eine über den Wortlaut des Gesetzes hinausgehende entspr. Anwendung bejaht (vgl. BayObLG v. 14.1.1988 – BReg. 2 Z 160/87, BayObLGZ 1988, 1 [3 f.]) und diesen Weg mit seiner jüngsten Entscheidung vom 3.7.2003 (BayObLGZ 2003 Nr. 27) fortgesetzt.
d) Vor diesem Hintergrund ist ei...