Entscheidungsstichwort (Thema)
Wohnungseigentumssache: Auslandsaufenthalt als Wiedereinsetzungsgrund für Versäumung der Rechtsmittelfrist
Verfahrensgang
LG München I (Aktenzeichen 1 T 18068/97) |
AG München (Aktenzeichen UR II 592/95) |
Tenor
I. Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin zu 1 gegen den Beschluß des Landgerichts München I vom 20. April 1999 wird verworfen.
II. Die Antragsgegnerin zu 1 hat die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen; außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 50.000 DM festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller sowie die Antragsgegnerinnen zu 1 und 2 streiten um die Durchführung von Sanierungsmaßnahmen an der Wohnanlage der Beteiligten. Nachdem ein Teil der Sache durch Senatsbeschluß vom 26.1.1999 (2Z BR 130/98) zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen worden war, hat die beauftragte Richterin des Landgerichts einen Sachverständigen mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. Mit Schreiben vom 1.3.1999 hat die Antragsgegnerin zu 1 die Richterin wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Am 24.3.1999 hat sie zu der dienstlichen Äußerung der abgelehnten Richterin Stellung genommen. Das Landgericht hat das Ablehnungsgesuch durch Beschluß vom 20.4.1999 für unbegründet erklärt.
Die Entscheidung ist am 30.4.1999 den Rechtsanwälten, die die Antragsgegnerin zu 1 im vorangegangenen Rechtsbeschwerdeverfahren vertreten haben, und am 4.5.1999 der Antragsgegnerin zu 1 persönlich zugestellt worden. Mit Schreiben vom 30.5.1999, beim Landgericht eingegangen am 2.6.1999, hat die Antragsgegnerin zu 1 Beschwerde eingelegt. Zur Begründung hat sie vorgetragen, sie habe den Beschluß erst jetzt erhalten, da sie sich im europäischen Ausland aufhalte. Wie aus der Beschwerde hervorgehe, habe sie selbst die Beschwerde eingereicht. Von einem Rechtsanwalt werde sie beim Landgericht nicht vertreten.
II.
Die sofortige Beschwerde ist verspätet und daher unzulässig. Ein Wiedereinsetzungsgrund liegt nicht vor.
1. Die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit findet auch im Wohnungseigentumsverfahren als einem Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit statt; die §§ 42 ff. ZPO sind entsprechend anwendbar. Gegen die Zurückweisung eines Ablehnungsgesuchs durch das Landgericht ist gemäß § 46 Abs. 2, § 567 Abs. 3 ZPO die sofortige Beschwerde statthaft. Hinsichtlich der Form und Frist des Rechtsmittels gelten die Vorschriften des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (BayObLGZ 1974, 446/447 m.w.N.;BayObLG WE 1998, 116 m.w.N.).
Die zweiwöchige Beschwerdefrist des § 22 Abs. 1 Satz 1 FGG ist erst durch die an die Antragsgegnerin zu 1 persönlich bewirkte Zustellung in Lauf gesetzt worden (§ 22 Abs. 1 Satz 2, § 16 Abs. 1 FGG), weil diese im Beschwerdeverfahren nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten war. Der Beschluß des Landgerichts ist der Antragsgegnerin zu 1 am 4.5.1999 durch Niederlegung bei der Post zugestellt worden (§ 16 Abs. 2 Satz 1 FGG, § 182 ZPO). Die Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde endete daher mit Ablauf des 18.5.1999 (§ 17 Abs. 1 FGG, § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 Satz 1 BGB). Das am 2.6.1999 beim Landgericht eingegangene Rechtsmittel ist verspätet.
2. In der sofortigen Beschwerde ist ein stillschweigender Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist im Sinn von § 22 Abs. 2 FGG zu sehen; ein ausdrücklicher Antrag ist nicht erforderlich (vgl. § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO; BayObLG WE 1997, 358/359 m.w.N.). Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann der Antragsgegnerin zu 1 aber nicht gewährt werden, weil sie die Beschwerdefrist nicht unverschuldet versäumt hat (§ 22 Abs. 2 Satz 1 FGG).
a) Die Antragsgegnerin zu 1 hat entgegen § 22 Abs. 2 Satz 1 FGG nicht glaubhaft gemacht, daß sie wegen eines Auslandsaufenthalts erst nach Ablauf der Rechtsmittelfrist von der Entscheidung über ihr Ablehnungsgesuch Kenntnis erhalten hat. Dies soll jedoch unterstellt werden, da es an ihrem Verschulden nichts ändert.
b) Die Anforderungen an die Sorgfalt eines Rechtsmittelführers richten sich einerseits nach seinen individuellen Kenntnissen und Fähigkeiten, andererseits nach der konkreten Verfahrenslage (BayObLG WE 1994, 311 m.w.N.). Nach diesen Maßstäben hat die Antragsgegnerin zu 1 die Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde nicht unverschuldet versäumt. Nachdem sie mit Schreiben vom 24.3.1999 zu der dienstlichen Äußerung der abgelehnten Richterin Stellung genommen hatte, mußte sie damit rechnen, daß alsbald eine Entscheidung über ihr Ablehnungsgesuch ergehen werde. Bevor sie sich ins Ausland begab, hätte die Antragsgegnerin zu 1 Vorsorge dafür treffen müssen, daß notfalls rechtzeitig ein Rechtsmittel eingelegt würde (vgl. BayObLG WE 1994, 311/312). Dies wäre ihr umso eher zumutbar gewesen, als sie mit Schreiben vom 7.4.1999, beim Landgericht eingegangen am 11.5.1999, eine Person ihres Vertrauens bevollmächtigt hat, „den Gerichts...