Leitsatz (amtlich)
Eine Beschwerde nach Art. 8 Abs. 1 BayHintG und ein Antrag nach Art. 8 Abs. 3 BayHintG, § 23 Abs. 1 EGGVG sind auch dann noch zulässig, wenn gemäß Art. 18 Abs. 1 BayHintG die Herausgabe des hinterlegten Gegenstands angeordnet und bereits vollzogen ist.
Verfahrensgang
AG Schwandorf (Aktenzeichen 62 HL 8/12) |
Tenor
1. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
3. Der Geschäftswert wird auf 650.631,39 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Antragsteller begehrt die Aufhebung eines Beschwerdebescheids, der eine zu seinen Gunsten ergangene Herausgabeanordnung in einem Hinterlegungsverfahren aufgehoben hat.
Die N. KG hinterlegte aufgrund entsprechender Annahmeanordnungen unter Verzicht auf das Rücknahmerecht beim Amtsgericht Schwandorf, Az. 62 HL 8/12, von April 2012 bis November 2016 Mieten in Höhe von insgesamt 650.631,39 EUR. Hierzu führte sie aus, ihr Vermieter, der hiesige Antragsteller habe die von ihr angemietete Immobilie an H. verkauft und mit diesem eine Abtretungsvereinbarung über sämtliche Mietzinsansprüche getroffen. H. habe seine Ansprüche auf den Mietzins an die V. abgetreten. Nach Ansicht des Antragstellers sei der Kaufvertrag samt der darin vereinbarten Abtretung aber unwirksam, da die Stadt C. ihr Einverständnis zu der erforderlichen Grundstücksteilung verweigere. Als mögliche Empfänger der Mieten wurden von der Hinterlegerin zunächst der Antragsteller und die V., später zusätzlich der Beteiligte H. benannt. Die V. verzichtete mit Schreiben vom 16. April 2021 auf ihre Beteiligtenstellung im Hinterlegungsverfahren.
Der Antragsteller beantragte mit Schreiben vom 27. Januar 2023 die Auszahlung des hinterlegten Gesamtbetrags auf ein Konto von B. (Beteiligte im Verfahren gemäß §§ 23 ff. EGGVG). Hierzu übersandte er eine mit einem Rechtskraftvermerk versehene Ausfertigung des Urteils des Oberlandesgerichts Dresden vom 19. Oktober 2021, Az. 9 U 1213/17, berichtigt mit Beschluss vom 8. Dezember 2021. Das zwischen dem Antragsteller als Kläger und dem im Hinterlegungsverfahren Beteiligten H. als Beklagten ergangene Urteil lautet in Tenor I Ziffer 2 wie folgt:
"2. Der Beklagte wird verurteilt,
a) die von der N. KG bei dem Amtsgericht Schwandorf - Hinterlegungsstelle - zum Az. 62 HL 8/12 hinterlegten Mieten in Höhe von 650.631,39 EUR zugunsten des Klägers freizugeben,
b) ...
c) ...
d) ...
all dies Zug um Zug gegen Zahlung von 1.367.685,00 EUR nebst Zinsen aus 956.220,00 EUR in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.03.2021."
Tenor I Ziffer 3 hat folgenden Wortlaut: "Es wird festgestellt, dass der Beklagte kein Besitzrecht an dem Flurstück 286/193, eingetragen im Grundbuch des Amtsgerichts C. ... hat".
Mit Bescheid vom 1. Februar 2023 ordnete die Hinterlegungsstelle des Amtsgerichts Schwandorf die Herausgabe der hinterlegten Geldsumme von 650.631,39 EUR auf "Antrag des Antragstellers" an. Als Begründung verweist der Bescheid auf die vorgelegte rechtskräftige gerichtliche Entscheidung des Oberlandesgerichts Dresden vom 19. Oktober 2021 und zitiert Art. 20 Abs. 1 Nr. 3 BayHintG. Der Bescheid wurde der Hinterlegerin, dem Antragsteller und dem Beteiligten H. sowie der Landesjustizkasse Bamberg samt Kassenanordnung formlos übermittelt. Die Landesjustizkasse Bamberg veranlasste am 6. Februar 2023 nach Verrechnung eines Betrags von 4.498,00 EUR die Auszahlung von 646.133,39 EUR auf das angegebene Konto der benannten Empfängerin B.
Mit Schreiben vom 2. Februar 2023 legte der Verfahrensbevollmächtigte des Beteiligten H. Beschwerde gegen den Herausgabebescheid ein. Das Oberlandesgericht Dresden habe die hinterlegte Geldsumme in ein Zug um Zug Verhältnis dergestalt eingestellt, dass zwar der Antragsteller einen Anspruch auf die hinterlegte Geldsumme habe, aber nur dann, wenn er seinerseits die Forderungen des Beteiligten H. erfülle. In dem Herausgabebescheid werde nicht erwähnt, ob der Antragsteller die von ihm geforderte Zug um Zug Leistung erbracht habe. Tatsächlich habe dieser bislang Zahlungen weder geleistet noch angeboten. Der Beteiligte H. beantragte, im Weg der einstweiligen Verfügung dem Amtsgericht Schwandorf die Auszahlung vorläufig zu untersagen.
Die Rechtspflegerin der Hinterlegungsstelle half der Beschwerde nicht ab. Mit Beschwerdebescheid vom 8. Februar 2023 entschied der stellvertretende Direktor des Amtsgerichts ohne vorherige Anhörung des Antragstellers, dass auf die Beschwerde des Beteiligten H. der Bescheid vom 1. Februar 2023 aufgehoben und der Auszahlungsantrag des Antragstellers L. vom 27. Januar 2023 abgelehnt werde. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Herausgabe der hinterlegten Geldsumme lägen nicht vor. Der Antrag enthalte entgegen Art. 19 Abs. 2 Nr. 1 BayHintG weder die Anschrift der Empfängerin B. noch Name und Anschrift des weiteren Beteiligten H. Ferner sei die Empfangsberechtigung des Antragstellers nicht dargelegt und nachgewiesen. In dem rechtskräftigen Urteil des Oberlandesgerichts Dresden sei d...