Entscheidungsstichwort (Thema)
Revision. Urteil. Urteilsgründe. Rechtsmittel. Bezeichnung. Falschbezeichnung. Umdeutung. Auslegung. Beschwerde. Zulässigkeit. Statthaftigkeit. Beschluss. Verfahrenseinstellung. Einstellung. Einstellungsbeschluss. Geringfügigkeit. Anfechtbarkeit. Unanfechtbarkeit. Vergehen. Verbrechen. Verbrechensvorwurf. Anklage. Anklageschrift. Diebstahl. Bandendiebstahl. Bandenabrede. schlüssig. Hauptverhandlung. Berufungshauptverhandlung. Unterbrechung. Zustimmung. Staatsanwaltschaft. Laie. Sprache. sprachunkundig. Dolmetscher. Dolmetscherin. Wille. Anfechtungswille. effektiv. Schuldspruch. Beweisaufnahme. Beweiswürdigung. widersprüchlich. Protokoll. Hauptverhandlungsprotokoll. Verschlechterungsverbot. Kognitionspflicht
Leitsatz (amtlich)
1. Der gerichtliche Beschluss über die Einstellung des Verfahrens nach § 153 Abs. 2 Satz 1 StPO ist trotz der Bestimmung des § 153 Abs. 2 Satz 4 StPO nicht jeglicher Anfechtung entzogen. Vielmehr ist § 153 Abs. 2 Satz 4 StPO einschränkend dahin auszulegen, dass sich die Unanfechtbarkeit allein auf die Ermessensentscheidung bezieht, die Beschwerde jedoch statthaft ist, wenn eine prozessuale Voraussetzung für die Einstellung fehlte.
2. Eine vom Angeklagten gegen einen Einstellungsbeschluss nach § 153 Abs. 2 Satz 1 StPO eingelegte "Revision" ist nach dem Rechtsgedanken des § 300 StPO jedenfalls dann in eine Beschwerde gegen den Einstellungsbeschluss umzudeuten, wenn die Zulässigkeit der Beschwerde deshalb naheliegt, weil dem Angeklagten in dem Strafverfahren ursprünglich ein die Einstellung des Verfahrens hindernder Verbrechensvorwurf zu Last lag und dieser bis zum Einstellungsbeschluss nicht entkräftet wurde.
Normenkette
StPO § 153 Abs. 2 Sätze 1, 4, §§ 300, 304 Abs. 1, § 331 Abs. 1, § 333; StGB § 242 Abs. 1, § 244 Abs. 1 Nr. 1, § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 3, § 244 Abs. 1 Nr. 2, § 244a Abs. 1; WaffG § 52 Abs. 3 Nr. 1
Verfahrensgang
LG Hof (Entscheidung vom 23.10.2023) |
Tenor
Es wird festgestellt, dass die Eingabe des Angeklagten vom 23.10.2023 nicht als Revision gegen den Beschluss des Landgerichts Hof vom 23.10.2023 zu behandeln ist.
Gründe
I.
Dem Angeklagten, einem tschechischen Staatsangehörigen, lag in der zugelassenen Anklageschrift ein Verbrechen des schweren Bandendiebstahls gemäß § 244a Abs. 1 i.V.m. 244 Abs. 1 Nrn. 1 und 2, 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StGB in Tateinheit mit unerlaubtem Führen verbotener Gegenstände gemäß § 52 Abs. 3 Nr. 1 WaffG i.V.m. Anlage 2 Abschnitt 1 Nr. 1.3.5 zum WaffG zur Last. Das Amtsgericht verurteilte den Angeklagten am 20.09.2022 wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. In der auf die Berufung des Angeklagten durchgeführten Hauptverhandlung hat das Landgericht mit Beschluss vom 23.10.2023 das Verfahren gegen den Angeklagten, der sich zunächst gegen eine solche Sachbehandlung ausgesprochen hatte, nach mehrfacher Unterbrechung der Berufungshauptverhandlung mit Zustimmung des Vertreters der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten gemäß § 153 Abs. 2 StPO eingestellt, nachdem der Angeklagte vorher auf die Geltendmachung von Ansprüchen nach dem Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen verzichtet hatte. Mit beim Landgericht am 27.10.2023 eingegangenem Schreiben vom 23.10.2023 legte der Angeklagte gegen das "Urteil" des Landgerichts Hof vom 23. Oktober 2023 "Revision" ein, die er unter Hinweis auf ein "fehlerhaftes Verfahren" mit der "Beeinträchtigung der Verteidigungsrechte" und der "Verletzung grundlegender Menschenrechte und Freiheiten" begründete.
II.
Die Eingabe des Betroffenen in seinem Schreiben vom 23.10.2023 ist trotz entsprechender Bezeichnung nicht als Revision, die zweifelsfrei unzulässig wäre, auszulegen, sondern nach dem Rechtsgedanken des § 300 StPO in eine Beschwerde gegen den Beschluss der Berufungskammer vom 23.10.2023, mit dem das Verfahren gemäß § 153 Abs. 2 StPO eingestellt wurde, umzudeuten, über die nicht der Senat, sondern ein Strafsenat bei dem Oberlandesgericht Bamberg zu entscheiden hat.
1. Eine Revision gegen den Einstellungsbeschluss ist unstatthaft. Sie ist gemäß § 333 StPO ausschließlich gegen Urteile der Landgerichte sowie gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Urteile der Oberlandesgerichte zulässig.
2. Trotz der eindeutigen Bezeichnung des Rechtsmittels als "Revision" ist dieses gemäß § 300 StPO aber in eine Beschwerde umzudeuten.
a) Die ausdrückliche Bezeichnung des Rechtsmittels als "Revision" durch den Beschwerdeführer als juristischen Laien, der überdies tschechischer Staatsangehöriger und, was schon durch die Hinzuziehung einer Dolmetscherin in der Berufungshauptverhandlung indiziert wird, der deutschen Sprache zumindest nicht hinreichend mächtig ist, steht der Umdeutung nicht im Wege. Denn nach § 300 StPO soll gerade gewährleistet werden, dass der Wille des Beschwerdeführers auf gerichtliche Kontrolle in effektiver Weise umgesetzt wird (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt StPO 66. Aufl. § 300 Rn. 1).
b) Zwar verbietet § 300 StPO...