Leitsatz (amtlich)

Sofern eine Benutzungsregelung in der Gemeinschaftsordnung einer Bezeichnung von Räumen des Teileigentums widerspricht, geht grundsätzlich die Regelung in der Gemeinschaftsordnung vor. Ob ein Widerspruch besteht, ist jedoch vorab durch Auslegung von Teilungserklärung und Gemeinschaftsordnung zu ermitteln.

 

Normenkette

BGB § 133; FGG § 20a Abs. 2; WEG § 15 Abs. 1, § 47

 

Verfahrensgang

LG München I (Beschluss vom 16.11.2004; Aktenzeichen 1 T 469/04)

AG München (Aktenzeichen 483 UR II 978/03)

 

Tenor

I. Auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des LG München I vom 16.11.2004 in Nr. 1 dahin abgeändert, dass der Antragsgegner die Gerichtskosten des ersten und zweiten Rechtszugs zu tragen hat.

Die sofortige weitere Beschwerde wird im Übrigen zurückgewiesen.

II. Die gerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens haben jeweils hälftig die Antragsteller, diese samtverbindlich, und der Antragsgegner zu tragen.

Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten im Rechtsbeschwerdeverfahren findet nicht statt.

III. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 4.800 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Antragsteller und der Antragsgegner sind die Wohnungs- und Teileigentümer einer Wohnanlage, deren Sondereigentumseinheiten in der Teilungserklärung vom 17.1.1973 mit Wohnungen, Läden, Lager und Tiefgarage beschrieben sind. Dem Antragsgegner gehört ein Miteigentumsanteil verbunden mit einem Sondereigentum, das als Laden bezeichnet ist.

Zur zulässigen Nutzung enthält § 1 Abs. 1 der Gemeinschaftsordnung (GO) auszugsweise folgende Regelung:

Die Wohnungen dürfen grundsätzlich nur zu Wohnzwecken, nicht aber zu gewerblichen Zwecken benützt werden, jedoch ist die Ausübung einer freiberuflichen Tätigkeit in den Wohnungen und die Mitbenützung der Wohnungen bis zu 50 % der Netto/DIN-Fläche zu beruflichen oder gewerblichen Zwecken gestattet, soweit sich daraus nicht eine Störung der übrigen Bewohner ergibt. Zur weiter gehenden oder ausschließlichen Benutzung von Wohnungen für gewerbliche Zwecke bedarf es der schriftlichen Zustimmung des Verwalters - Die Zustimmung ist widerruflich - Der Verwalter darf die Zustimmung nur aus wichtigem Grunde verweigern oder widerrufen. Als wichtiger Grund gilt es insb., wenn die Ausübung des Gewerbes oder Berufes eine unzumutbare Beeinträchtigung der Rechte der WE oder der Hausbewohner mit sich bringt oder auch nur befürchten lässt.

Die in der Wohnanlage errichteten Läden und Lagerräume dürfen ohne zusätzliche Genehmigung und ohne Einschränkung irgendwelcher Branchen gewerblich genutzt werden. Dasselbe gilt auch für evtl. verkaufte Teile der Tiefgarage.

Ferner enthält die Regelung noch Vorschriften zur Belieferung, Beschilderung, Werbung und Vitrinennutzung der im Teileigentum stehenden Räumlichkeiten.

Der Antragsgegner hatte sein Sondereigentum vermietet. In den Räumen betrieb seit 1.8.2000 eine Untermieterin ein Feinkostgeschäft und in dessen Rahmen während der Ladenöffnungszeiten von montags bis freitags sowie samstags einen Stehimbiss.

Die Antragsteller haben beantragt, dem Antragsgegner die Nutzung seines Teileigentums als Küchenbetrieb für die Zubereitung von Speisen verbunden mit der Abgabe derselben zum Verzehr an Ort und Stelle zu untersagen. Das AG hat den Antragsgegner mit Beschl. v. 9.12.2003 antragsgemäß zur Unterlassung verpflichtet. Hiergegen hat der Antragsgegner Beschwerde eingelegt. Während des Beschwerdeverfahrens wurde der Küchenbetrieb in dem Teileigentum eingestellt und das Mietverhältnis beendet. Die Beteiligten haben daraufhin die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt. Das LG hat mit Beschl. v. 16.11.2004 den Antragstellern die gerichtlichen Kosten des Verfahrens auferlegt und von der Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten abgesehen. Mit der sofortigen weiteren Beschwerde begehren die Antragsteller, dem Antragsgegner die gerichtlichen Kosten des Verfahrens aufzuerlegen und zu ihren Gunsten eine Kostenerstattung anzuordnen.

II. Das nach § 45 Abs. 1 WEG, § 27 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 FGG, § 20a Abs. 2 FGG zulässige Rechtsmittel hat teilweise Erfolg.

1. Das LG hat ausgeführt:

Nach Erledigung sei nur noch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Diese Entscheidung richte sich nach § 47 WEG. Wesentlicher Gesichtspunkt für das gerichtliche Ermessen sei der voraussichtliche Ausgang des Verfahrens bei streitiger Fortsetzung. Hier hätte der Antragsgegner voraussichtlich Erfolg gehabt. Denn die Antragsteller besäßen keinen Anspruch darauf, dass die Nutzung des Teileigentums als Stehimbiss unterbliebe. Eine derartige Nutzung stehe nämlich nicht im Widerspruch zu einer Gebrauchsregelung. Hier bestehe nämlich die Besonderheit, dass die Teilungserklärung und die Gemeinschaftsordnung in dem maßgeblichen Punkt widersprüchlich seien. Vorab sei deshalb zu klären, ob die eine oder die andere Regelung vorgehe. Hier ergebe sich der Umfang der zulässigen Nutzung aus der Gemeinschaftsordnung, während die Bezeichnung des Teileigentums in de...

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